Über 20 Monate hinweg hatte der 7 bzw. 8 Jahre alte Sohn fast 34.000 Euro für In-App-Käufe im Google Play Store auf die dort hinterlegte Kreditkarte ausgegeben, ohne dass sein Vater es bemerkte. Zu lang, um das Geld zurückzufordern, sagt nun das LG Karlsruhe.

Wenn Kinder über den Google-Play-Account der Eltern mit einer dort hinterlegten Kreditkarte In-Game-Käufe tätigen, können die Eltern dafür haften. Das geht aus einem Urteil des LG Karlsruhe hervor. Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht seien beim Erwerb digitaler Inhalte auf Online-Vertriebsplattformen über fremde Nutzerkonten entsprechend anwendbar. Die Minderjährigkeit stehe dem zumindest dann nicht entgegen, wenn das Kind mindestens sieben Jahre alt und damit beschränkt geschäftsfähig ist (Urt. v. 24.09.2025, Az. 2 O 64/23).

Im konkreten Fall hatte ein damals sieben- bzw. später achtjähriger Junge über einen Zeitraum von 20 Monaten von seinem Vater unbemerkt In-Game-Käufe im Wert von fast 34.000 Euro getätigt. Möglich war dies, weil der Vater ihm bereits im Alter von fünf Jahren sein ausrangiertes Geschäfts-Tablet hinterlassen hatte. Darüber konnte der Sohn auf den Google Play Store zugreifen und mit der zuvor vom Vater getätigten Kreditkarte 1.210 verschiedene digitale Inhalte kaufen. Der Vater hatte dies erst so spät bemerkt, weil er weder die alte, mit dem Google-Konto verknüpfte E-Mail-Adresse noch seine Kreditkartenabrechnung überprüft hatte.  

Dieser lange Zeitraum sowie die theoretischen Möglichkeiten, entweder das Verhalten des Jungen wirkungsvoller zu unterbinden bzw. seine Käufe früher zu bemerken, führten nun dazu, dass der Vater dieses Geld von Google nicht zurückerhält. Das LG Karlsruhe hat seine Klage auf Rückzahlung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB abgewiesen, weil es hier die Grundsätze der Anscheinsvollmacht als erfüllt sah. Damit sei der Kaufvertrag mit Google wirksam zustande gekommen.

Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht

Eine Anscheinsvollmacht setzt folgende Merkmale voraus:

  1. Eine Person schließt Verträge für einen anderen, ohne jedoch tatsächlich von ihm hierzu bevollmächtigt worden zu sein
  2. Das Handeln des Scheinvertreters setzt einen sogenannten „Rechtsschein“, weil es von einer gewissen Dauer und Häufigkeit ist.
  3. Der Vertretene weiß nichts vom Handeln des Scheinvertreters.
  4. Der Vertretene hätte den Missbrauch bei pflichtgemäßer Sorgfalt aber erkennen und verhindern können.
  5. Der Geschäftspartner war in gutem Glauben – er durfte also annehmen, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters bzw. wusste nichts davon, dass ein Vertreter handelte.
  6. Der Rechtsschein war für den Vertrag ursächlich.

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Die ersten drei Voraussetzungen lagen hier recht klar: Der Sohn hat selbst zugegeben, die Käufe getätigt zu haben, der Vater hatte dies ganz offensichtlich nicht autorisiert und bei 1.210 Käufen im Zeitraum von 20 Monaten kann man von einer ziemlichen Dauer und Häufigkeit sprechen. Dies sei Voraussetzung, obwohl das Google-Konto eindeutig zugeordnet und durch Passwort gesichert ist, so das LG im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung. Bei einer bloß kurzzeitigen unautorisierten Verwendung von Nutzerkonten für App-Käufe durch Dritte kommt es regelmäßig noch zu keiner Haftung, weil hier kein zurechenbarer Rechtsschein vorliege.

Nutzerkonto reicht schon für Rechtsschein

Besagter Rechtsschein sei hier aber für Google bereits dadurch gesetzt gewesen, dass die Nutzungsbedingungen vollständig an die Inhaberschaft des Kontos anknüpften. Google habe davon ausgehen dürfen, der Vater selbst hätte die Transaktionen vorgenommen. Der Vater hatte offenbar sogar gewusst, dass der Google-Account auf dem Tablet noch mit seiner Kreditkarte verknüpft war, denn die ersten acht Käufe für seinen Sohn hatte er damit selbst getätigt. Außerdem seien sowohl die Quittungen für Käufe als auch die Abbuchungen im gesamten Zeitraum gegenüber Google unbeanstandet geblieben.

Dem gesetzten Rechtsschein stehe nicht entgegen, dass es für Google so aussah, nicht der Sohn, sondern der Vater selbst hätte die Käufe getätigt. Auch bei einer falschen Vorstellung über die Identität des Vertragspartners seien unverändert die Regeln über die Stellvertretung und auch die Grundsätze der Anscheinsvollmacht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011, Az. VIII ZR 289/09). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz sei ohne Weiteres auf die Verwendung von Nutzerkonten bei Marktplätzen für digitale Inhalte durch Dritte übertragbar, da in diesen Fällen regelmäßig eine falsche Vorstellung über die Identität des unter einem fremden Nutzerkonto Handelnden erzeugt werde.

Google sei hier auch in gutem Glauben gewesen. Nach Treu und Glauben darf ein Geschäftsgegner annehmen, der Handelnde sei der Kontoinhaber oder zumindest zur Nutzung bevollmächtigt, sofern er keine Anhaltspunkte für das Gegenteil hat. Bei anonymen Massengeschäften könnten Anbieter nicht erkennen, welche Person tatsächlich hinter einem Nutzerkonto handelt. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Rechtsschein sei bei derartigen Diensten daher die Annahme, dass die jeweilige Person, unter deren Nutzerkonto gehandelt wird, die Einkäufe und damit einhergehende Verbindlichkeiten autorisiert habe. Im Übrigen müsste Google allein aus typischen digitalen Inhalten für Minderjährige auch noch nicht schließen, dass die Eltern den Erwerb nicht billigten.

Vater hat sorgfaltswidrig gehandelt

Eine Haftung kommt jedoch trotzdem nur in Betracht, wenn der vermeintlich Vertretene den Rechtsschein auch schuldhaft mitverursacht hat. Dies setzt voraus, dass der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. So habe der Fall hier gelegen, führten die Richter des LG detailliert aus.

Zum einen sei der Vater selbst seit vielen Jahren im Bereich der Softwareentwicklung tätig und mit Google-Diensten auch beruflich vertraut. Gleichwohl habe er seinem Sohn ursprünglich Zugang zu seinem Nutzerkonto mit hinterlegter Kreditkarte verschafft, anstatt auf ein begrenztes Guthaben zurückzugreifen, ein Budget oder weitere Sicherheitsmerkmale wie ein eigenes Kinderkonto, Kaufgenehmigungen oder Jugendschutzeinstellungen einzurichten. Zudem habe er selbst die ersten Einkäufe mit seinem Sohn getätigt und hätte dabei erkennen müssen, dass der Erwerb digitaler Inhalte dann auch für seinen Sohn ohne Schwierigkeiten durchzuführen war.

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Es komme hinzu, dass der Vater die für das Konto hinterlegte E-Mail-Adresse über Jahre nicht überprüfte, obwohl die Quittungen für sämtliche Google-Käufe dorthin versandt wurden. Schließlich unterließ er es, seine Kreditkartenabrechnungen regelmäßig zu prüfen, obwohl dieses Zahlungsmittel über fast 20 Monate hinweg mehrfach mit jeweils mehrere tausend Euro belastet worden sei.

Minderjährigkeit ändert nichts

Dass der Vater seinen Sohn zwar belehrt hatte, keine In-App-Käufe ohne Erlaubnis zu tätigen, änderte nichts. Diese Belehrung war bei Überlassung des alten Tablets erfolgt, als der Sohn noch fünf Jahre alt war. Doch auch bei einem sieben- bis achteinhalbjährigen Kind sei dies allein erkennbar keine hinreichende Sicherungsmaßnahme, so das Gericht. Erst recht nicht angesichts der Tatsache, dass das Kind in diesem Zeitraum die Trennung seiner Eltern, einen Umzug und wiederkehrende berufliche Auslandsaufenthalte des Vaters verkraften musste.

Auch aus anderen Gründen ändere die Minderjährigkeit des Sohnes nichts daran, dass der Vater für ihn haften muss. Zwar könne die Zurechnung des Rechtsscheins ausscheiden, wenn es dem Vertretenen an der Geschäftsfähigkeit gänzlich fehle. Hier sei der Sohn jedoch bereits älter als sieben Jahre und damit zumindest beschränkt geschäftsfähig i. S. d. § 104 Nr. 1 BGB gewesen.

Entscheidend sei außerdem nicht die Geschäftsfähigkeit des Vertreters, sondern die des Vertretenen. Dies folge aus dem allgemeinen Grundsatz des § 165 BGB, wonach die Wirksamkeit von Erklärungen im Stellvertretungsrecht nicht davon abhängt, ob der Vertreter unbeschränkt geschäftsfähig ist. Dieser Grundsatz, der regulär bei normalen Stellvertretungen gilt, gelte auch bei der Haftung aus Rechtsschein: Schließlich würde hier auch nicht der Anscheinsbevollmächtigte sondern der volljährige Vertretene belastet.

Eine Übersicht über weitere Konstellationen, in denen Gerichte entschieden haben, ob Eltern für die In-Game bzw. In-App-Käufe ihrer Kinder haften, finden Sie in unserem ausführlichen Beitrag zu dem Thema.

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Das Urteil des LG Karlsruhe macht deutlich, welche weitreichenden Konsequenzen der fahrlässige Umgang mit digitalen Nutzerkonten haben kann – gerade im familiären Kontext. Die Grundsätze der Anscheinsvollmacht sind auch auf moderne Plattformen wie den Google Play Store anwendbar und können zu erheblichen finanziellen Verpflichtungen führen, selbst wenn minderjährige Kinder die Käufe tätigen. Eine sorgfältige Verwaltung von Konten, Zahlungsdaten und Sicherheitseinstellungen ist daher unerlässlich.

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