Darf die EU-Kommission Textnachrichten ihrer Präsidentin einfach verschwinden lassen? Das EuG hat jetzt ein deutliches Zeichen gesetzt. Es gab einer Journalistin der New York Times recht, die Einblick in SMS zwischen Ursula von der Leyen und dem Pfizer-Chef forderte.

Ursula von der Leyen, Bild: European Parliament from EU, CC BY 2.0

Die Europäische Kommission hätte der New York Times Zugang zu zwischen Ursula von der Leyen und dem Pfizer-CEO Albert Bourla ausgetauschten Textnachrichten gewähren müssen. Das entschied das Gericht der Europäischen Union am 14. Mai 2025 (EuG, Urteil vom 14.05.2025, Az. T-36/23).

Die EU-Kommission habe nicht ausreichend dargelegt, warum sich diese Nachrichten nicht in ihrem Besitz befänden. Vielmehr hätte die New York Times mit konkreten Anhaltspunkten glaubhaft gemacht, dass es entsprechende Kommunikation gegeben habe. Damit erklärte das EuG die Entscheidung der Kommission für nichtig.

SMS-Kommunikation zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef

Im Jahr 2022 beantragte die Journalistin Matina Stevi von der New York Times bei der EU-Kommission Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 11. Mai 2022 zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Pfizer-CEO Albert Bourla ausgetauscht worden waren. Hintergrund war die während der Corona-Pandemie getroffene Vereinbarung über den milliardenschweren Kauf von Impfstoffen durch die EU.

Von der Leyen erklärte die Impfstoffbeschaffung in dieser Zeit zur Chefsache und schaltete sich direkt in die Verhandlungen mit Pfizer ein. Es wurde bekannt, dass von der Leyen und Bourla sich in dieser sensiblen Phase per SMS ausgetauscht haben sollen. Der bis heute ungeklärte Vorwurf an von der Leyen lautet, dass sie durch ihre Geheimverhandlungen mit Bourla dem Pfizer-Konzern ein Quasimonopol verschafft und so u.a. den Preis des Impfstoffs in die Höhe getrieben habe. 

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Die Kommission lehnte das Auskunftsersuchen jedoch ab. Sie erklärte, sie sei nicht im Besitz solcher Nachrichten und daher nicht auskunftspflichtig. Die New York Times hielten diese Begründung für unzureichend. Sie reichten am 25. Januar 2023 Klage vor dem EuG ein. Ziel war es, die Entscheidung der EU-Kommission vom 15. November 2022 aufheben zu lassen.

Die Klage stützt sich auf die Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU-Organe sowie auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Ihrer Ansicht nach verletzte die EU-Kommission durch ihr Verhalten das Grundrecht auf Information, weil sie die angeforderten SMS nicht als Dokumente im Sinne der Verordnung behandelt habe. Außerdem sei nicht plausibel dargelegt worden, dass diese Nachrichten überhaupt nicht mehr existierten.

EuG kritisiert widersprüchliche Angaben und fehlende Nachforschung

Das EuG gab der New York Times nun recht. Die Kommission habe nicht hinreichend plausibel erklärt, warum sich die Textnachrichten nicht in ihrem Besitz befänden. Im gesamten Verfahren seien die Angaben der Kommission ungenau, wechselhaft oder hypothetisch gewesen. Dagegen habe die New York Times überzeugend dargelegt, dass es in der kritischen Phase des Impfstoffkaufs einen regelmäßigen Austausch zwischen von der Leyen und Bourla gegeben habe, auch per SMS.

Das EuG betonte, dass sich ein EU-Organ nicht einfach darauf zurückziehen könne, bestimmte Dokumente nicht zu besitzen, wenn es zuvor keine nachvollziehbaren Nachforschungen angestellt habe. Die EU-Kommission hätte konkret erklären müssen, welche Schritte sie unternommen habe, um die Nachrichten zu finden, wo genau sie gesucht habe und ob etwa Geräte gewechselt oder Nachrichten gelöscht worden seien. Auch die Frage, ob eine automatische Löschung stattgefunden habe, ließ die Kommission unbeantwortet.

Darüber hinaus sei nicht nachvollziehbar, warum die Kommission davon ausgegangen sei, dass die Nachrichten keine aufbewahrungspflichtigen Informationen enthielten. Gerade angesichts der politischen Bedeutung der Verträge mit Pfizer hätte eine sorgfältige Dokumentation dieser Kommunikation erfolgen müssen. Das EuG hielt daher die Vermutung der Kommission, dass die angeforderten Nachrichten nicht existierten, für widerlegt.

Mit dieser Einschätzung folgte es der Argumentation der New York Times, dass auch digitale Kurznachrichten im Rahmen der Amtsausübung als relevante Dokumente gelten, die grundsätzlich unter das Zugangsrecht der Öffentlichkeit fallen. Die Kommission habe durch ihr Verhalten das Transparenzgebot der Europäischen Union verletzt und müsse künftig mit strengeren Anforderungen bei der Archivierung und Herausgabe solcher Kommunikation rechnen.

Das Urteil des EuG macht deutlich, dass auch digitale Kommunikation wie Textnachrichten nicht pauschal aus dem Anwendungsbereich des Dokumentenzugangs ausgenommen werden darf. Denn Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit ist ein wesentlicher Grundpfeiler jeder demokratischen Institution. Wer politische Entscheidungen trifft, muss sich auch an demokratische Kontrollmechanismen halten.

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tsp