Rabatt gegen Daten: Darf Lidl seine Rabatt-App „Lidl Plus“ als kostenlos bezeichnen, obwohl Nutzer ihre Daten preisgeben müssen? Der vzbv sah darin eine Irreführung, unterlag nun aber auch vor dem OLG Stuttgart. Das OLG hat jedoch die Revision zum BGH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat entschieden, dass Lidl seine Rabatt-App Lidl Plus weiterhin als kostenlos bezeichnen darf. Nach Auffassung des OLGs liegt kein Verstoß gegen das Preisangabenrecht vor, da ein Preis im rechtlichen Sinn immer einen zu zahlenden Geldbetrag voraussetze. Die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) wurde daher abgewiesen. Zugleich hat das Gericht die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen, weil die Frage von grundsätzlicher Bedeutung sei (Urt. v. 23.09.2025, Az. 6 UKl 2/25).

Streit um beliebte LIDL-App

Mit der Lidl Plus App versucht der Discounter, seine Kunden enger an sich zu binden. Wer die App herunterlädt, erhält Zugang zu exklusiven Rabatten, personalisierten Produktinformationen und Sonderaktionen. Millionen Kunden nutzen die Anwendung, weil sie beim Einkauf sofort Geld sparen können. Die Nutzung setzt allerdings voraus, dass sich die Kunden registrieren, ihre persönlichen Daten angeben und die Teilnahmebedingungen akzeptieren. Diese umfassen 18 Seiten und sind online abrufbar.

In den Teilnahmebedingungen steht ausdrücklich, dass die Teilnahme kostenlos sei. Dort findet sich auch eine genaue Auflistung, welche Daten erhoben und verarbeitet werden. Für Lidl sind diese Daten wertvoll, da sie Informationen über das Kaufverhalten der Kunden enthalten. So kann der Konzern gezielt Werbung platzieren und individuelle Angebote machen.

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Genau an diesem Punkt setzte die Klage des vzbv an. Der Verband argumentierte, dass Kunden faktisch nicht kostenlos an dem Programm teilnehmen, sondern mit ihren Daten bezahlen. Die Preisgabe von Informationen sei eine Gegenleistung, die in Wahrheit den Preis für die Rabatte darstelle. Deshalb sei die Werbung mit kostenlos irreführend. Zudem sei Lidl verpflichtet, bei der Anmeldung einen Gesamtpreis anzugeben, da das Preisangabenrecht nicht nur Geld, sondern auch andere Leistungen umfassen müsse.

Bereits das Landgericht (LG) Stuttgart hatte sich mit der Frage beschäftigt und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des LGs verstoße Lidl nicht gegen geltendes Recht, da ein Preis nur dann vorliege, wenn ein Geldbetrag gefordert werde (LG Stuttgart, Az. 41 O 17/24 KfH). Gegen diese Entscheidung legte der vzbv Berufung ein und brachte den Fall damit vor das OLG Stuttgart.

Daten gegen Rabatt – Grundsatzfrage kommt wohl vor BGH

Das OLG bestätigte nun jedoch die Sichtweise der Vorinstanz und stellte klar, dass das Preisangabenrecht streng auszulegen sei. Unter einem Preis sei ausschließlich ein zu zahlender Geldbetrag zu verstehen. Weder das deutsche Gesetz noch die europäischen Richtlinien ließen eine andere Auslegung zu. Deshalb könne Lidl nicht verpflichtet werden, einen Gesamtpreis anzugeben, solange kein Geldbetrag verlangt werde.

Zudem sei die Bezeichnung der App als kostenlos nicht irreführend. Der Begriff bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Nutzer für die Teilnahme an dem Programm kein Geld zahlen müssen. Dass Lidl Daten erhebe und verwende, sei in den Teilnahmebedingungen ausdrücklich geregelt. Wer diese lese, erfahre im Detail, welche Informationen verarbeitet würden. Ein verständiger Verbraucher erkenne daher, dass die Nutzung nicht ohne jede Gegenleistung erfolge.

Auch komme es nicht auf die Annahme einzelner Nutzer an, die die Teilnahmebedingungen nicht zur Kenntnis nehmen würden. Wer sich die Mühe mache, den Text zu lesen, werde hinreichend informiert. Wer dies nicht tue, könne Lidl keine Irreführung vorwerfen. Entscheidend sei, dass die Informationen rechtlich korrekt bereitgestellt würden, so das OLG.

Die grundsätzliche Bedeutung der Frage sah das OLG dennoch. Die Praxis, digitale Dienste scheinbar kostenlos anzubieten und dafür Daten der Nutzer zu erheben, sei in der gesamten Wirtschaft verbreitet. Ob dies rechtlich als Bezahlung mit Daten verstanden werden müsse, sei noch nicht abschließend geklärt. Aus diesem Grund habe man die Revision zum BGH zugelassen. Der vzbv hat bereits angekündigt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Bedeutung über den Einzelfall hinaus

Das Verfahren hat Bedeutung für viele digitale Geschäftsmodelle. Zahlreiche Unternehmen bieten Apps oder Online-Dienste an, die ohne direkte Geldzahlung genutzt werden können. Im Hintergrund fließen jedoch große Mengen an Daten, die für Werbung und Marktforschung genutzt werden. Die Frage, ob diese Daten als geldwerte Gegenleistung gelten, ist daher von enormer wirtschaftlicher Bedeutung.

Das OLG hat mit seiner Entscheidung die „klassische“ Sichtweise bestätigt, wonach ein Preis ausschließlich ein Geldbetrag sei. Sollte der BGH jedoch in der Revision zu einer anderen Auffassung gelangen, würde dies weitreichende Folgen haben.

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tsp