Ein „Mangelhaft“ kann teuer werden: Die Stiftung Warentest Warentest muss erstmals Schadensersatz zahlen. Das Landgericht Frankfurt hat ein Urteil mit Signalwirkung gefällt – warum das auch für andere Produkttests wichtig sein kann, erfährst du hier.

Symbolbild, Quelle: Stiftung Warentest

Die Stiftung Warentest Warentest ist vom Landgericht (LG) Frankfurt am Main zur Zahlung von Schadensersatz an einen Hersteller von Rauchwarnmeldern verurteilt worden. Dies berichten Dr. Felix W. Zimmermann und Joschka Buchholz im juristischen Online-Magazin „Legal Tribune Online“ (lto.de).

Die Richter erkannten an, dass ein Testurteil der Stiftung auf fehlerhaften Grundlagen beruhte und zu erheblichen Umsatzeinbußen beim betroffenen Unternehmen geführt habe. Die Stiftung Warentest müsse sich das fehlerhafte Verhalten eines von ihr beauftragten Prüfinstituts zurechnen lassen und hafte daher zivilrechtlich auf Schadensersatz (LG Frankfurt, Urteil vom 13. März 2025, Az. 2-03 O 430/21).

Unternehmen wehrt sich gegen Stiftung Warentest

Hintergrund des Verfahrens war ein Produkttest der Stiftung Warentest aus dem Jahr 2020, bei dem insgesamt siebzehn verschiedene Rauchwarnmelder getestet wurden. Der Melder eines Berliner Unternehmens erhielt als einziger die Note „mangelhaft“. Als Begründung wurde angeführt, dass das Gerät im Test zu spät ausgelöst habe. Diese Bewertung hatte nicht nur eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit zur Folge, sondern führte auch zu einem erheblichen wirtschaftlichen Schaden. Nach Angaben des Unternehmens sanken die Verkaufszahlen im Jahr nach der Veröffentlichung des Tests um rund dreißig Prozent. Aus Sicht des Unternehmens war diese negative Bewertung nicht gerechtfertigt, weshalb es sich zur Wehr setzte und rechtlich gegen die Veröffentlichung vorging.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Zunächst versuchte das Unternehmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die weitere Verbreitung des Testurteils zu untersagen. In diesem Zusammenhang forderte es die Stiftung Warentest auf, die Originalprüfberichte des von ihr beauftragten belgischen Prüfinstituts offenzulegen, um die Einhaltung der maßgeblichen DIN-Normen nachvollziehen zu können. Die Stiftung Warentest lehnte dies jedoch ab. Die daraufhin angerufenen Gerichte in Köln, darunter auch das Oberlandesgericht (OLG) Köln, stellten sich auf den Standpunkt, dass eine Offenlegung der Prüfberichte nicht erforderlich sei, solange das Prüfinstitut an Eides statt versichere, die Tests normgerecht durchgeführt zu haben. Die Beweislast für etwaige Fehler liege somit beim Unternehmen, nicht bei der Stiftung Warentest (OLG Köln, Beschluss vom 09. März 2021, Az. 15 W 6 / 21).

Urteil „mangelhaft“ hätte nicht ergehen dürfen

Mangels Zugriff auf die vollständigen Testunterlagen konnte das Unternehmen in diesem Eilverfahren keine Beweise für eine fehlerhafte Durchführung des Tests vorlegen und unterlag. In der Folge entschied sich das Unternehmen zur Einreichung der Hauptsacheklage vor dem LG Frankfurt. Anders als im einstweiligen Rechtsschutz gelten hier weitergehende prozessuale Regeln. Insbesondere die Vorschriften der §§ 422 und 423 der Zivilprozessordnung verpflichten Parteien zur Vorlage von Urkunden, wenn deren Inhalt für den Prozess von Bedeutung ist.

Auf dieser Grundlage forderte das LG Frankfurt die Stiftung Warentest zur Offenlegung der Prüfberichte auf. Nachdem die Stiftung Warentest dieser Aufforderung nachgekommen war, konnte das Unternehmen ein Sachverständigengutachten beauftragen, das gravierende Mängel im Testverfahren aufdeckte.

Nach Ansicht des gerichtlichen Sachverständigen sei die maßgebliche europäische Norm DIN EN 14604:2005 bei mehreren Testläufen nicht eingehalten worden. So sei etwa die vorgeschriebene Rauchentwicklung bei den verwendeten Testbränden nicht erreicht worden. Der Sachverständige kam zu dem Schluss, dass die Testsituationen physikalisch nicht geeignet gewesen seien, um das Auslöseverhalten der Melder zutreffend zu bewerten. Das LG Frankfurt stellte daraufhin in einer mündlichen Verhandlung klar, dass das Testergebnis der Stiftung Warentest unter diesen Voraussetzungen nicht mehr vertretbar sei. Der Testbericht sei nach Ansicht der Kammer rechtswidrig gewesen, da er auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage beruhe. Das Urteil „mangelhaft“ hätte auf dieser Basis nicht ergehen dürfen.

Die Stiftung Warentest Warentest erkannte daraufhin die gegen sie gerichteten Unterlassungsansprüche an. Das LG Frankfurt erließ ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil (LG Frankfurt, Urteil vom 05. März 2024, Az. 2-03 O 430/21). Dies ließ bereits im vergangenen Jahr die Kanzlei Schertz Bergmann per Pressemeldung verlauten.

Unternehmen forderte Schadensersatz von Stiftung Warentest

Zusätzlich teilte der Pressesprecher der Stiftung Warentest gegenüber LTO mit, dass man die Bewertung des betroffenen Rauchmelders zurückziehe und die Note „mangelhaft“ nicht aufrechterhalte. Dies geschah laut Rechtsanwalt Wolfgang Riegger am 22.02.2024 und die Stiftung entfernte den Rauchwarnmelder aus der Testtabelle. Auch eine Entschuldigung gegenüber dem betroffenen Unternehmen wurde ausgesprochen, wie wie die Stiftung gegenüber LTO mitteilte.

Diese Schritte reichten dem Unternehmen jedoch nicht aus. Es begehrte zusätzlich die Feststellung einer Schadensersatzpflicht, da infolge des Tests massive wirtschaftliche Nachteile entstanden seien. Die Stiftung Warentest wies eine solche Haftung zurück. Sie argumentierte, dass nicht sie selbst, sondern das von ihr beauftragte Prüfinstitut für die fehlerhafte Testdurchführung verantwortlich gewesen sei.

Das LG Frankfurt folgte dieser Argumentation nicht. Es führte aus, dass sich die Stiftung Warentest das Verhalten des Prüfinstituts nach § 31 BGB zurechnen lassen müsse, wie die lto.de berichtet. Nach dieser Norm sei eine juristische Person für das Verhalten ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter verantwortlich. Diese Haftung könne im vorliegenden Fall entsprechend auf das Prüfinstitut erweitert werden, da die Durchführung der Produkttests eine zentrale Aufgabe der Stiftung Warentest sei. Wer sich in einem so sensiblen Bereich wie Produkttests bewege, dürfe wesentliche Aufgaben nicht ohne eigene Kontrolle an Dritte delegieren. Aus Sicht des LG Frankfurt sei die Stiftung Warentest daher verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Prüfbedingungen selbst zu überwachen. Hätte sie dies getan, wäre der Fehler aufgefallen.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Das LG betonte, dass Produkttests mit negativer Bewertung ein hohes Risiko für die betroffenen Unternehmen darstellen könnten. Während sich positive Testergebnisse regelmäßig werbewirksam nutzen ließen, führten negative Bewertungen häufig zu erheblichen Umsatzeinbußen und unter Umständen zu existenzbedrohenden Folgen. Die Stiftung Warentest genieße in der Bevölkerung besonderes Vertrauen und müsse deshalb besonders sorgfältig agieren. Ein Blindvertrauen in die Arbeit externer Prüfinstitute könne dieser Verantwortung nicht gerecht werden. Wer sich des Vertrauens der Verbraucher bediene, müsse auch für die Richtigkeit seiner Aussagen einstehen.

Stiftung Warentest geht in Berufung

Stiftung Warentest kündigte gegenüber der LTO bereits an, gegen das Urteil Berufung beim OLG Frankfurt einzulegen. Man sehe sich in der Pflicht, unabhängige Produkttests weiterhin durchführen zu können und befürchte durch eine zu weitgehende Haftung eine Einschränkung dieser Arbeit. Das LG Frankfurt entgegnete dem, dass es nicht um eine generelle Haftung für fremdes Verhalten gehe, sondern um die Pflicht zur sorgfältigen Organisation und Kontrolle bei der Delegation zentraler Aufgaben. Gerade weil die Stiftung Warentest selbst mit ihrer Unabhängigkeit werbe, müsse sie sicherstellen, dass die Grundlage ihrer Bewertungen korrekt sei.

Der Fall wird nun in der zweiten Instanz weiterverhandelt. Offen ist auch noch die Frage, in welcher Höhe Schadensersatz zu leisten ist. Das LG Frankfurt hat bislang nur über die grundsätzliche Ersatzpflicht entschieden. In einem weiteren Verfahren wird es klären, wie hoch der wirtschaftliche Schaden des Unternehmens tatsächlich war.

Das Urteil hat dennoch bereits jetzt grundsätzliche Bedeutung für Produkttests und deren rechtliche Grenzen. Insbesondere Anbieter vergleichender Tests werden künftig verstärkt auf die Einhaltung rechtlicher Sorgfaltspflichten achten müssen.

Wir bei WBS.LEGAL beraten und vertreten betroffene Unternehmen, die sich gegen unzutreffende oder wirtschaftlich schädigende Produkttests zur Wehr setzen möchten. Wir unterstützen sowohl im konkreten Einzelfall als auch grundsätzlich im Bereich des Äußerungs- und Wettbewerbsrechts. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit), wenn Sie sich gegen ein Testurteil oder eine unzutreffende Bewertung zur Wehr setzen möchten.