Ein Vereinsmitglied eines Yoga-Zentrums, welches dort über Jahre hinweg in einer 42-Stunden-Woche Dienste verrichtete, hat einen Anspruch auf Mindestlohn. Die Einordnung des Zentrums als Religionsgemeinschaft, der einem Arbeitnehmerstatus entgegenstehe, liege laut BAG nicht vor.

Eine Volljuristin war ungefähr acht Jahre in einem Yoga-Ashram tätig. Ein Ashram ist eine meist spirituelle Gemeinschaft von Yoga-Praktizierenden, die zusammen leben und arbeiten. Für die verschiedenen Tätigkeiten dort bekam die Frau kein Gehalt, sondern lediglich ein kleines Taschengeld.

Deswegen klagte die Frau gegen das Yoga-Zentrum rückwirkend auf Mindestlohn. Nachdem das Arbeitsgericht (AG) Detmold der Klage zunächst stattgab (Urt. v. 15.10.2021, Az. 3 Ca 732/20), wies das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm diese wieder ab (Urt. v. 17.05.2022, Az. 6 Sa 1249/21). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte sich nun auf die Seite der Erstinstanz und erkannte den Arbeitnehmerstatus der Juristin an (Urt. v. 25.04.2023, Az. 9 AZR 254/22). Zur Festsetzung der genauen Höhe des Mindestlohnanspruchs verwies der Senat den Rechtsstreit zurück an das LAG.

Das Leben im Yoga-Ashram

In dem Yoga-Zentrum „Yoga Vidya e.V.“ leben ungefähr 200 Menschen nach alter indischer religiöser Ashram- und Klostertradition. Das Yoga Vidya ist als gemeinnütziger Verein eingetragen und versteht sich selbst als religiöse Gemeinschaft. Der Zweck soll dabei die Verbreitung von Yoga-Lehren sein. Die klagende Volljuristin schloss im Jahr 2012 einen Vertrag mit dem Zentrum und entwickelte sich innerhalb des Ashrams mit Yoga spirituell weiter, mit dem Ziel letztendlich die Erleuchtung zu erreichen. Aufgrund der Vereinsmitgliedschaft wurde die Frau zu einem sogenannten Sevadienst verpflichtet. Dieser beinhaltet Tätigkeiten in Küche, Haushalt, Garten, Buchhaltung sowie das Lehren von Yoga. Als Sevaka erhält man Unterkunft, Verpflegung sowie ein monatliches Taschengeld von knapp 400 Euro. Im Juni 2020 also nach 8 Jahren, trat die Frau aus der Gemeinschaft aus.

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Mitglied verlangt Mindestlohn

Nach dem Austritt verlangt das ehemalige Vereinsmitglied auf Grundlage der vertraglichen Regelarbeitszeit von 42 Wochenstunden den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von insgesamt 46.118,54 Euro. Das Yoga-Zentrum sah sich jedoch nicht in der Pflicht, ein Gehalt zu zahlen, und wendet ein, dass die Frau ihre Dienste als Mitglied einer religiösen Klostergemeinschaft und nicht in einem Arbeitsverhältnis geleistet hat.

Arbeitnehmer und kein Mönch

Das BAG überzeugte der Einwand des Yoga-Zentrums nicht und schloss sich den Ausführungen der klagenden Volljuristin weitgehend an. Der Arbeitnehmerstatus der Frau habe sich bereits aus dem Vertragsschluss ergeben. Die Verpflichtung zu den Sevadiensten sei eine Ausgestaltung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Das entspräche den Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses, sodass die Frau Arbeitnehmerin sei. Weiterhin stünden der Arbeitnehmereigenschaft der Frau nicht die besonderen Rechte von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften entgegen, so das BAG. Für diese Gruppen gibt es nämlich Besonderheiten. So sind Mönche bei ihrer Tätigkeit im Kloster gewöhnlicherweise keine Arbeitnehmer.

BAG: Weder eine religiöse Ausnahme noch Besonderheiten der Vereinsautonomie

Zu möglichen Ausnahmen führte das BAG aus, dass der Yoga-Verein nicht das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung erfülle. Dadurch, dass sich das Yoga-Zentrum in seiner Satzung auf zahlreiche Philosophien und spirituelle Praktiken unterschiedlicher Kulturen und Weltreligionen stütze, sei aufgrund des weit gefassten Spektrums kein Gesamtgefüge religiöser oder weltanschaulicher Elemente erkennbar. Zuletzt sei auch die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie kein Grund, arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen zu umgehen. Der gesetzliche Mindestlohn sei Ausdruck der Menschenwürde und müsse auch in diesem Fall garantiert werden.

jsc