Stempelt sich ein Arbeitnehmer für eine Raucherpause bewusst nicht aus, kann das einen Arbeitszeitbetrug darstellen und sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das hat das LAG Thüringen in einem aktuellen Urteil entschieden und damit erneut gezeigt, dass die Arbeitsgerichte bei der ordnungsgemäßen Bedienung von Arbeitszeitsystemen keinen Spaß verstehen.

In der Arbeitswelt kommt es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn es um die Gewährung von Zigarettenpausen geht. Diese können sogar so weit gehen, dass Abmahnungen und Kündigungen seitens der Arbeitgeber ausgesprochen werden. Das musste nun auch eine Arbeitnehmerin aus Thüringen feststellen, die wegen des bewussten Nichtausstempelns in der Zigarettenpause vom Arbeitgeber gekündigt wurde – zu Recht, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen nun in seinem Urteil vom 03.05.2022 entschieden hat. Bei bewusst falschen Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit oder bei mehrfachen nicht unerheblichen Falschaufzeichnungen bedarf es dabei zudem grundsätzlich auch keiner vorherigen Abmahnung. (Urt. v. 03.05.2022, Az. 1 Sa 18/21). Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen.

Was ist genau vorgefallen?

Der Entscheidung des LAG Thüringen lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die klagende Arbeitnehmerin war seit dem Jahr 1990 bei dem beklagten Arbeitsamt als Arbeitsvermittlerin tätig. Dort werden für alle Mitarbeiter Arbeitszeitkonten geführt, in denen alle für die Arbeitszeitaufzeichnung notwendigen Buchungen und Daten für den Abrechnungsabschnitt erfasst werden. Die Arbeitszeit ist bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen. Dies gilt ebenso für das Erfassen der Pausen (Raucherpausen, Pausen in der Kantine sowie in den Sozialräumen oder am Arbeitsplatz).

Ein standardmäßig durchgeführter Abgleich der Arbeitszeiterfassung hatte ergeben, dass das Buchungsjournal der Arbeitnehmerin Unregelmäßigkeiten aufwies und sie überdies an drei Tagen keine einzige Pause, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte. Das Arbeitsamt forderte die Arbeitnehmerin daraufhin auf, zu den unterlassenen Arbeitszeitbuchungen Stellung zu nehmen. Es bestünde der Eindruck der Arbeitszeitmanipulation. Die Arbeitnehmerin räumte in der Stellungnahme den Vorwurf ein und bat um Entschuldigung. Sie habe die Pausen als Raucherin aufgrund ihrer Nikotinsucht benötigt. Ein solches Verhalten werde in Zukunft allerdings nicht mehr vorkommen und sie würde ihre Arbeitszeit minutiös erfassen. Die Einsicht kam aber offensichtlich zu spät.

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Das Arbeitsamt sprach in der Folge die außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise die ordentliche fristgerechte Kündigung zum 30.9.2019 aus. Hiergegen erhob die Klägerin am 26.02.2019 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht (ArbG) Suhl.

Das ArbG gab dem Kündigungsschutzantrag gegen die außerordentliche Kündigung zwar statt, wies die Klage der Arbeitnehmerin im Übrigen jedoch ab (Urt. 29.07.2020, Az. 6 Ca 248/19). Die Kündigung sei nach Auffassung des Gerichts als ordentliche Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) wirksam. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitnehmerin anschließend Berufung beim LAG Thüringen ein. Allerdings erfolglos!

LAG Thüringen bestätigt das Urteil

Nach Ansicht der Thüringer Richter habe das ArbG die ordentliche Kündigung zu Recht als wirksam angesehen. Denn täuscht ein Mitarbeiter vor, für einen bestimmten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, bestünde ein sogenannter Arbeitszeitbetrug. Da ein Arbeitszeitbetrug eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung darstelle, sah das Gericht in dem Verhalten der Arbeitnehmer an sich sogar einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit die Voraussetzungen für eine außerordentliche fristlose Kündigung als erfüllt an. Anschließend führten die Richter aus, dass Pflichtverletzungen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, erst recht geeignet seien, eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Zudem habe die Arbeitnehmerin gegen ihre sich aus der Dienstvereinbarung ergebende Verpflichtung verstoßen, die von ihr geleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Auch dieser Verstoß sei aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlustes als schwerwiegend anzusehen. Nach Ansicht des LAG müsse der Arbeitgeber nämlich auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit von am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmern vertrauen können. Gleiches gelte, wenn der Arbeitnehmer wiederholt Pausen erheblich überzieht und seine Arbeitszeit falsch dokumentiert. Wegen des damit verbundenen Vertrauensverlustes sahen die Richter auch hier einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB an sich als gegeben an und bestätigten damit die Kündigung durch das Arbeitsamt.

Vorherige Abmahnung nicht erforderlich!

Entgegen der Auffassung der Arbeitnehmerin sei die Kündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil das Arbeitsamt die Arbeitnehmerin nicht zuvor abgemahnt hatte. Denn bei besonders schwerwiegenden Verstößen sei eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, weil in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen sei, dass das pflichtwidrige Verhalten das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört habe. Bei bewusst falschen Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit oder bei mehrfachen nicht unerheblichen Falschaufzeichnungen oder dem Ausbleiben des Stempels bedürfe es daher in der Regel nicht noch einer vergeblichen Abmahnung, so das LAG. Angesichts der Kenntnis der Arbeitnehmerin von der sie treffenden Pflicht zur Buchung von Raucherpausen und angesichts der Schwere des Vertrauensbruchs sowie der strafrechtlichen Relevanz ihres Verhaltens hätte sie daher nicht davon ausgehen können, dass das Arbeitsamt ihr Fehlverhalten hinnehmen und es nicht zum Anlass für eine Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung – nehmen würde.

Nikotinsucht als Begründung für das Nichtausstempeln?

Auch der Verweis der Arbeitnehmerin auf den Krankheitswert ihres Nikotinkonsums half ihr hier nicht weiter. Denn wegen der Inanspruchnahme der Raucherpausen als solche sei ihr vom Arbeitsamt kein Vorwurf gemacht worden. Allerdings vermag die Nikotinsucht allenfalls die Anzahl der Raucherpausen zu erklären, nicht jedoch die Verletzung der Dokumentationspflichten. Dass die Arbeitnehmerin durch ihre Nikotinsucht daran gehindert gewesen wäre, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen, sei dem LAG im vorliegenden Fall nicht ersichtlich gewesen. So hatte es auch schon das LAG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 07.05.2010 ausgeführt: „Auch wenn ein Raucher von Zeit zu Zeit der Auffrischung des Nikotinspiegels bedürfe, bedeute dies nicht, dass es ihm suchtbedingt unmöglich sei, die Stempeluhr zu betätigen“ (Urt. v. 07.05.2010, Az. 10 Sa 712/09).

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Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Arbeitsgerichte beim Thema Arbeitszeitbetrug keinen Spaß verstehen und sehr strenge Maßstäbe anlegen. Arbeitnehmer sollten möglichst genau darauf achten, dass das vom Unternehmen zur Verfügung gestellte Arbeitszeiterfassungssystem ordnungsgemäß bedient wird. Anderenfalls können Abmahnungen oder die Kündigung drohen.

Interessant dabei zu wissen: Grundsätzlich sind Arbeitgeber auch gar nicht dazu verpflichtet ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zu bieten, außerhalb der festgelegten Pausenzeiten den Griff zur Zigarette zu gewähren. Es existiert kein Gesetz, welches das Recht auf eine Raucherpause während der Arbeitszeit vorsieht. Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen daher schon wohlwollend diese Möglichkeit eröffnet, so sollten Sie als Arbeitnehmer im Gegenzug die betrieblichen Vorgaben zur Zeiterfassung einhalten.

Ein einmaliger Verstoß dürfte dabei noch nicht für eine wirksame Kündigung ausreichen. Hier bedarf es zudem in der Regel auch einer vorherigen Abmahnung. Unterlässt der Arbeitnehmer jedoch bewusst wiederholt und intensiv das Nichtausstempeln bei dem Gang zur Zigarettenpause droht unter Umständen die außerordentliche fristlose Kündigung.

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