Ein Kirchenmusiker war so beschäftigt mit einem Kindermusical, dass er die Trauerfeier vergaß, für die er gebucht wurde. Das wollte die Gemeinde so nicht stehen lassen und kündigte den Berufsmusiker. Doch berechtigt dieser Vorfall die Gemeinde überhaupt zu einer Kündigung – eventuell sogar fristlos? Das ArbG Lübeck musste entscheiden.

Einem Kirchenmusiker wurde fristlos gekündigt, nachdem er eine Trauerfeier vergaß, für die er gebucht wurde. Das Arbeitsgericht (ArbG) Lübeck schob der Kündigung jedoch einen Riegel vor. Zum einen sei der Gemeinde die Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar geworden. Zum anderen sei der Musiker schon zu lange angestellt gewesen, um ihm fristlos kündigen zu können. Zuvor ausgesprochene Abmahnungen hätten außerdem „andere Themen“ betroffen (Urt. v. 15.06.2023, Az. 1 Ca 323 öD/23).

Wenn Musiker für einen bestimmten Tag gebucht werden, muss darauf Verlass sein, dass sie pünktlich sind und auch tatsächlich zum Termin erscheinen. Klingt zwar selbstverständlich – das scheint es aber nicht immer zu sein. Im vorliegenden Fall wurde ein Kirchenmusiker für eine Trauerfeier gebucht. Der Termin für die Trauerfeier war für Dezember 2022 vereinbart worden. Die Musikauswahl hatte der Pfarrer bereits auf den Anrufbeantworter des Kirchenmusikers gesprochen. Doch diesen hatte der Musiker vor lauter Arbeit kaum noch abgehört. Später erklärte er, dass er so intensiv mit den Vorbereitungen eines Musicals beschäftigt gewesen sei, dass er seinen Kalender kaum noch im Auge gehabt habe. Das Musical hatte der Musiker selbst initiiert, es war kein Auftrag der Gemeinde.

Am Tag der Trauerfeier muss der Musiker wohl so sehr in seiner Arbeit versunken sein, dass er weder den Anruf des Pfarrers noch den des Beerdigungsunternehmens annehmen konnte. Dieser Vorfall war jedoch nicht das erste Fehlverhalten des Musikers. Wegen anderer Angelegenheiten wurden dem Angestellten in 2022 innerhalb weniger Monate bereits drei Abmahnungen ausgesprochen, allerdings zu „anderen Themen“. Die Gemeinde hörte nach dem Vorfall die Mitarbeitervertretung an und erörterte die Situation während der Sitzung des Gemeinderates, ehe dann die außerordentliche Kündigung folgte.

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Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar

Die Parteien sahen sich vor dem ArbG Lübeck wieder. Dort dann die Erleichterung für den Musiker: Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses blieb nicht bestehen. Es konnte kein ausreichender Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB für eine sofortige Kündigung festgestellt werden. Das Gericht war der Auffassung, dass der Kirchengemeinde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem betreffenden Mitarbeiter nicht unzumutbar geworden sei. Es läge keine nachweisliche beharrliche und vorsätzliche Arbeitsverweigerung seitens des Mitarbeiters vor. Einen etwaigen Vorsatz habe die Gemeinde hier beweisen müssen. Auch wenn der Kirchenmusiker sich nicht sofort, sondern erst Tage später per E-Mail entschuldigt habe, betonte das Gericht, dass dies zwar das gestörte Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber verdeutliche, jedoch nicht zwangsläufig auf eine absichtliche Abwesenheit hinweise.

Der Musiker habe für das Vergessen der Trauerfeier von der Gemeinde jedenfalls zunächst abgemahnt werden müssen. Außerdem war das ArbG der Ansicht, dass durchaus erwartet werden könne, dass der 61-jährige Kirchenmusiker, der bereits seit 15 Jahren bei der Gemeinde tätig war, sein Verhalten in Zukunft ändern werde. Auch in einem weiteren Punkt spielte dem Angestellten seine langjährige Beschäftigungsdauer in die Karten. Der Kirchenmusiker war gemäß dem Tarifvertrag kirchlicher Arbeitnehmer (KAT) angestellt. Eine ordentliche Kündigung war nach § 27 Abs. 3 KAT nach dieser langen Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht mehr zulässig, weshalb der Musiker weiterhin bei der Gemeinde beschäftigt bleibt.

Durch die Entscheidung bestätigt das ArbG, dass der erhöhte Bestandsschutz, den sich Beschäftigte durch eine langjährige Tätigkeit tariflich verdient haben, nicht einfach unterlaufen werden kann. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist daher nur unter den strengen Anforderungen einer außerordentlichen Kündigung möglich. Diese waren im vorliegenden Fall jedoch noch nicht erfüllt.

agü