Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof kündigte die Schließung zahlreicher Filialen an. Vielen Beschäftigten droht nun eine betriebsbedingte Kündigung: Konkret betroffen sind 47 Standorte und etwa 4300 Beschäftigte. Geplant ist eine Schließung in zwei Wellen: Die ersten 19 Filialen sollen Ende Juni dieses Jahres schließen, die weiteren 28 Ende Januar nächsten Jahres. Was bedeutet das für betroffene Arbeitnehmer? Was genau ist eine betriebsbedingte Kündigung? Was können betroffene Arbeitnehmer nun tun? Es folgt ein erster Überblick.

Von © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Ende Oktober letzten Jahres meldete der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof bereits zum zweiten Mal innerhalb von weniger als drei Jahren Insolvenz an und beantragte ein sogenanntes Schutzschirm-Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Damit versuchte es seine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Rund 40 von damals 172 Filialen wurden geschlossen und viele Arbeitnehmer bangten um ihren Job.

Damals begründete der Konzernchef die Krise mit den explodierenden Energiepreisen und einer Konsumflaute – Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Laut Gesamtbetriebsrat sei jedoch vielmehr eine fehlende Strategie für eine regionale Ausrichtung ausschlaggebend gewesen. In jedem Fall steht fest: das Warenhaus hat seine Probleme nicht in den Griff bekommen. Zu den von den Schließungen betroffenen Warenhäusern gehören unter anderem solche in Berlin, München, Frankfurt und Wiesbaden.

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Auch in weiterbestehenden Märkten, soll es zu Änderungen kommen. Bereichsleiter sind angewiesen worden die Kosten um 40 % zu senken. Dies kann zum einen durch Flächenreduzierung und zum anderen durch weiteren Personalabbau geschehen. Hart getroffen wurde hiervon beispielsweise das Hamburger Stammhaus an derMönckebergstraße. Rund ein Drittel der Stellen sollen dort gestrichen werden. 

Der Arbeitgeber möchte Stellen abbauen – wie kann er das machen?

Möchte der Arbeitgeber Arbeitsplätze bzw. Stellen abbauen, stehen ihm mehrere Möglichkeiten für die Beendigung der bestehenden Arbeitsverhältnisse zur Verfügung:

  1. Angebot eines Aufhebungsvertrages
  2. (Betriebsbedingte) Kündigung
  3. Kündigung nebst Abwicklungsvertrag

Darf der Arbeitgeber wegen einer Betriebsschließung kündigen?

Die Kündigung von Beschäftigten bei einer Betriebsschließung stellt eine sog. betriebsbedingte Kündigung dar. Ist die Schließung noch nicht erfolgt, sondern nur geplant, darf eine Kündigung noch nicht ausgesprochen werden. Dies wird in der Praxis jedoch häufig nicht beachtet. Eine Kündigung darf erst dann ausgesprochen werden, wenn die Stilllegung mit dem Ablauf der Kündigungsfristen übereinstimmt. Nicht gerechtfertigt ist eine Kündigung außerdem, wenn die Schließung des Betriebs nur vorübergehend ist. Auch ein Insolvenzverfahren ist noch kein ausreichender Grund für Entlassungen. Hier gelten jedoch besondere Kündigungsfristen von maximal drei Monaten.

Was ist eine „betriebsbedingte“ Kündigung?

Eine betriebsbedingte Kündigung ist eine Kündigung, die betrieblich veranlasst ist. Es liegen konkrete betriebliche Erfordernisse vor, die der Weiterbeschäftigung einzelner oder mehrerer Arbeitnehmer entgegensteht. Im Falle von Galeria Karstadt Kaufhof haben die ersten Arbeitnehmer nun eine solche betriebsbedingte Kündigung erhalten.   

Damit betriebsbedingte Kündigungen zulässig sind, müssten vier Voraussetzungen vorliegen: 

  1. Es müsste ein betriebliches Erfordernis gegeben sein, das zu einem geringeren Bedarf an Arbeitsleistung führt. Darunter fällt die tatsächliche Schließung oder betriebliche Änderung einer Niederlassung, sodass bestimmte Arbeitsplätze wegfallen.
  2. Die Kündigungen müssen dringlich sein – es darf nicht möglich sein, die zu entlassenden Mitarbeiter woanders zu beschäftigen.
  3. Im Rahmen einer Interessenabwägung muss das Interesse des Arbeitgebers dem des Arbeitnehmers überwiegen.
  4. Schließlich muss der Arbeitnehmer immer dann eine sog. Sozialauswahl vornehmen, wenn keine Betriebsstillegung erfolgt ist, die mit der Entlassung ausnahmslos aller Mitarbeiter einhergeht. Der Arbeitgeber darf die Mitarbeiter nicht willkürlich entlassen. Es dürfen nur diejenigen gekündigt werden, die sozial am wenigsten schutzbedürftig sind. Relevante Kriterien sind etwa Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.

Bekomme ich eine Abfindung?

Im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen kann ein Abfindungsangebot ausgesprochen werden. Dabei einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Regel darüber, dass der Arbeitnehmer mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden ist und einen entsprechenden Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes erhält. Grundsätzlich ist es also nicht ausgeschlossen, dass Abfindungen individuell ausgehandelt werden.
Betriebsbedingte Kündigungen und insbesondere die Höhe von Abfindungsansprüchen können je nach Einzelfall problematische Fallkonstellationen darstellen. Deshalb ist es eine gute Idee, sich in jedem Fall anwaltlich beraten zu lassen, bevor eine potentiell risikoreiche Entscheidung über die Annahme einer Abfindung getroffen wird.

Im Falle von Galeria Karstadt Kaufhof soll für die betroffenen Beschäftigten der Sozialplan Anwendung finden. Ein Sozialplan ist eine schriftliche Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat des Arbeitgebers über den Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen, die ein Arbeitnehmer aufgrund einer geplanten Betriebsänderung erleidet. Im Zuge des Sozialplans soll den betroffenen Beschäftigten eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern bzw. maximal 7500 Euro gezahlt werden. Außerdem soll ihnen angeboten werden in eine sog. Transfergesellschaft zu wechseln.

Was ist eine Transfergesellschaft?

Eine Transfergesellschaft hat das Ziel Beschäftigte, die von einem Personalabbau betroffen sind, so schnell wie möglich in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Der Arbeitgeber kann entweder selbst eine Transfergesellschaft gründen oder eine solche beauftragen. Der Wechsel in eine Transfergesellschaft erfolgt durch eine Aufhebung der alten Arbeitsverträge der Beschäftigten und den Abschluss neuer befristeter Arbeitsverträge mit der Transfergesellschaft. Voraussetzung für den Übergang ist die drohende Arbeitslosigkeit der Beschäftigten und eine zwingende vorherige Meldung als arbeitssuchend.

Durch Weiter- und Fortbildungsprogramme und eine professionelle Betreuung soll den Beschäftigten in der Transfergesellschaft eine Weiterqualifikation eröffnet und die berufliche Neuorientierung erleichtert werden. Hierdurch wird die Arbeitslosigkeit der betroffenen Beschäftigten vermieden. Bei einem Wechsel in die Transfergesellschaft profitieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerdem für maximal zwölf Monate von der Zahlung eines sog. Transferkurzarbeitergeldes in Höhe von 60% ihres bisherigen Nettogehaltes, welches von der Agentur für Arbeit gezahlt wird. Der Abschluss eines solchen neuen Arbeitsvertrages ist freiwillig. Lehnt ein Arbeitnehmer die Übernahme in die Transfergesellschaft ab, erhält er jedoch in der Regel eine Kündigung. 

Wie kann ich mich gegen eine Kündigung wehren?

Wer eine Kündigung erhält, kann sich dagegen im Wege einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzen. Wichtig ist aber, dass die Klage binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung vor dem Arbeitsgericht erhoben wird. Ansonsten wird die Kündigung rechtswirksam und kann nicht mehr mit juristischen Mitteln überprüft werden.

Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens prüft das Gericht, ob die Kündigung formell richtig erfolgt ist und ob ein Kündigungsgrund vorliegt. Insbesondere muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Ein Kündigungsgrund muss vom Arbeitgeber dargelegt und nachgewiesen werden.

Eine Einigung in Form eines gerichtlichen Vergleichs ist auch hier jederzeit möglich. Dieser kann auch die Zahlung einer Abfindung beinhalten. Hier hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keine Sperrzeiten beim Arbeitsamt zu erwarten.

Was ist ein besonderer Kündigungsschutz?

Besonderen Kündigungsschutz genießt der Arbeitnehmer, der besonders schützenswürdig ist. Hierzu zählen unter anderem schwangere Arbeitnehmerinnen, schwerbehinderte Arbeitnehmer, Mitglieder des Betriebsrates. Hier ist vorab eine Zustimmung der zuständigen Behörde zur Erteilung einer Kündigung einzuholen. Nur mit Vorlage dieser Zustimmung ist eine Kündigung seitens des Arbeitgebers möglich.

Darf ich direkt nach Verlassen des Unternehmens einen neuen Job annehmen?

Grundsätzlich steht dem nichts entgegen. Sollte allerdings ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart sein, ist der nahtlose Übergang nur sehr eingeschränkt möglich. Dann wäre es ehemaligen Arbeitnehmer für den vertraglich vereinbarten Zeitpunkt untersagt, einen Job bei der Konkurrenz zu übernehmen. Jedoch müssen derartige Klauseln verhältnismäßig sein und entsprechend kompensiert werden – dies kann in jedem Einzelfall anders liegen. Ebenso unzulässig sind Klauseln, die den ehemaligen Arbeitnehmern die Annahme von Jobs für einen unzumutbar langen Zeitraum untersagen oder die keine Entschädigungszahlung während der Dauer des Wettbewerbsverbotes vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer vorsieht. Gerade aufgrund solcher Klauseln sollten jegliche vertraglichen Vereinbarungen im Falle einer Kündigung nochmals eingehend geprüft werden.

Wir helfen gerne!

Sollten Sie von den Stellenstreichungen betroffen sein, stehen wir Ihnen gerne jederzeit zur Verfügung. Insbesondere im Falle betriebsbedingter Kündigungen besteht dringender Handlungsbedarf, denn betroffene Beschäftigte müssen zahlreiche Aspekte beachten. Sollten Sie Fragen zu einer Kündigung oder der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche haben, beraten Sie unsere Experten kompetent und umfassend zu allen Fragestellungen rund um das Arbeitsrecht und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).