Ein Fahrkartenkontrolleur verbrachte seine Arbeitszeit lieber im Café, der Moschee oder bei seiner Freundin statt auf Kontrollfahrt. Als der Schwindel dank beauftragtem Detektiv aufflog, wurde ihm gekündigt. Jetzt muss der Mann zusätzlich auch noch über 21.000 Euro Detektivkosten zahlen.

Ein dreister Fall von Arbeitszeitbetrug hat vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln für Klarheit gesorgt. Ein langjähriger Fahrkartenkontrolleur hatte während seiner Arbeitszeit offenbar systematisch private Dinge erledigt und dafür die volle Vergütung kassiert. Sein Arbeitgeber kündigte ihm fristlos und verlangte die Erstattung der Detektivkosten, die für die Überwachung des Mitarbeiters angefallen waren. Das Gericht gab dem Unternehmen recht. Die Kündigung sei wirksam gewesen, und der Arbeitnehmer habe die Kosten in Höhe von über 21.000 Euro zu tragen. Die verdeckte Observation sei rechtlich zulässig gewesen, und der Arbeitnehmer habe in erheblichem Maße gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen (LAG Köln, Urteil vom 11. Februar 2025, Az. 7 Sa 635/23).
Bäckerei statt Fahrkartenkontrolle
Der Fall begann mit einem Hinweis aus den eigenen Reihen. Sicherheitsmitarbeiter des Verkehrsunternehmens hatten den Verdacht geäußert, dass einer der Fahrkartenkontrolleure während der Arbeitszeit nicht tatsächlich im Einsatz sei. Es soll Hinweise gegeben haben, dass der Mann sich regelmäßig in Cafés, bei seiner Freundin oder sogar beim Friseur aufhalte, während er eigentlich seinem Job nachgehen sollte. Das Unternehmen entschied sich dazu, diesen Verdacht ernst zu nehmen und eine Detektei zu beauftragen.
Zunächst wurde der Mitarbeiter an fünf Einzeltagen observiert. Schon in dieser Zeit konnte die Detektei dokumentieren, dass der Mann seiner Arbeit nicht wie vorgegeben nachkam. Deshalb wurde eine zweite Beobachtungsphase gestartet, diesmal länger und intensiver. Zwei Wochen lang wurde der Kontrolleur begleitet. Die Detektive hielten fest, dass er erneut in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nachging. Er war in Bäckereien, Cafés, bei seiner Freundin und sogar bei Fotoshootings am Rheinufer. Die Beobachtungen ergaben insgesamt einen Arbeitsausfall von fast 26 Stunden, die dem Mann dennoch als geleistet vergütet worden waren.
Als der Arbeitnehmer am Ende des Jahres 2022 mit diesen Vorwürfen konfrontiert wurde, wies er die Anschuldigungen zurück. Er argumentierte, das Zeiterfassungssystem sei fehleranfällig und manche der Orte, an denen er sich aufgehalten habe, seien für Besprechungen mit Kollegen genutzt worden. Die Bäckerei habe sich als inoffizieller Treffpunkt der Fahrausweisprüfer etabliert. Auch habe er seine religiösen Pflichten in der Moschee wahrgenommen. Der Arbeitgeber ließ diese Argumente nicht gelten und kündigte dem Mitarbeiter fristlos. Gleichzeitig verlangte er die Erstattung der Detektivkosten in Höhe von 21.608,90 Euro. Der Mann erhob daraufhin Kündigungsschutzklage.
Über 21.000 Euro Detektivkosten
Das LAG konnte der Mann nicht überzeugen. Denn ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Arbeitszeit stelle einen schweren Vertrauensbruch dar, so das LAG. Ein Arbeitgeber müsse sich darauf verlassen können, dass seine Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen. Wenn ein Arbeitnehmer das Zeiterfassungssystem wissentlich falsch bediene oder bestimmte Zeiten absichtlich nicht als Pause erfasse, verletze er seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht in erheblicher Weise. Nach Ansicht der Richter sei dies hier gegeben. Der Mann sei zu mehreren Zeitpunkten privaten Aktivitäten nachgegangen, ohne diese als Pause zu deklarieren.
So habe der Kontrolleur an bestimmten Tagen morgens in einer Bäckerei gefrühstückt, später am Tag das Haus seiner Freundin aufgesucht und dort jeweils erhebliche Zeit verbrachte, ohne dies als Pausenzeit zu kennzeichnen. Konkrete Probleme mit dem Zeiterfassungssystem habe der Mann nicht belegen können. Auch sei nicht nachvollziehbar gewesen, wie er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkartenkontrollen hätte durchführen sollen. Die Erklärung, er habe dort an Teambesprechungen teilgenommen, erschien dem LAG wenig glaubhaft. Insbesondere, weil keine Belege oder konkreten Angaben zu Art und Inhalt dieser Besprechungen gemacht wurden.
Auch die Detektivüberwachung sah das Gericht nicht als unzulässig an. Nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz dürfe ein Arbeitgeber personenbezogene Daten verarbeiten, wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung bestehe. Die Observation sei verhältnismäßig gewesen, da sie nur während der Arbeitszeit, im öffentlichen Raum und für einen begrenzten Zeitraum erfolgt sei. Selbst wenn man die Maßnahmen datenschutzrechtlich kritisch sehe, folge daraus kein zwingendes Beweisverwertungsverbot. Das LAG stellte klar, dass eine „Orwell’sche“ Totalüberwachung nicht stattgefunden habe. Vielmehr sei dokumentiert worden, was ohnehin für jedermann sichtbar gewesen wäre.
Zudem sei der Betriebsrat ordnungsgemäß über die Kündigung informiert worden. Der Vorsitzende habe sogar an der Mitarbeiteranhörung teilgenommen. Der Arbeitnehmer habe keine konkreten Fehler im Verfahren nachweisen können. Somit sei auch dieser Aspekt der Kündigung rechtlich nicht zu beanstanden.
Schließlich sprach das LAG dem Arbeitgeber auch einen Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten zu. Diese stellten keine allgemeinen Betriebskosten dar, sondern einen ersatzfähigen Schaden im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Voraussetzung sei, dass ein konkreter Verdacht bestanden habe, ein Detektiv beauftragt wurde und sich die Pflichtverletzung bestätigte. Diese Kriterien sah das Gericht als erfüllt an. Die Kosten seien angemessen und nachvollziehbar dargelegt worden. Der Arbeitnehmer habe dem nichts Substanzielles entgegengesetzt. Er muss daher über 21.000 Euro zurückzahlen und bleibt ohne Job.
WBS.LEGAL berät in allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen
Sie haben Fragen rund um Themen wie Arbeitsverträge, Kündigungen, leitende Angestellte, GmbH-Geschäftsführer, Vorstände oder Verhandlungen mit dem Betriebsrat? In unseren Artikeln finden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, Führungskräfte und Betriebsratsmitglieder Antworten auf ihre arbeitsrechtlichen Fragen. Sie benötigen umgehend anwaltliche Hilfe? Wir helfen Ihnen gerne persönlich weiter. Nutzen Sie dazu einfach unser Formular: