Spätestens jetzt ist rechtlich umstritten, ob ein Ex-Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Abmahnungen nach Ende des Arbeitsvertrages aus der Personalakte zu löschen. Vor dem Hintergrund des DSGVO-Löschungsanspruchs kam das LAG Baden-Württemberg dabei zu einem anderen Ergebnis als das LAG Sachsen.

Ein ehemaliger Arbeitnehmer hat Anspruch auf die Löschung von Abmahnungen aus der Personalakte. So sieht es jedenfalls das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg, das Ende Juli dem Ex-Azubi eines Fitnessstudios Recht gab (Urt. v. 28.07.2023, Az. 9 Sa 73/21).

Der Arbeitnehmer hatte einen Eintrag in die Personalakte erhalten, in dem er des Betruges bezichtigt wurde. Er soll Arbeitszeiten unrichtig angegeben haben und erhielt die Abmahnung von einem Aktiengesellschafter des Studios, der sich darauf selbst als „Inhaber“ auswies. Nach Ende der Ausbildung forderte er daraufhin mit anwaltlichem Schreiben die „Rücknahme der Anschuldigung“ aus der Akte sowie Auskunft über personenbezogene Daten und Übermittlung der Personalakte. Ohne Erfolg. Es folgte die Klage vor dem Arbeitsgericht und schließlich die Berufung zum LAG.

DSGVO anwendbar?

Der Arbeitgeber hatte zuvor damit argumentiert, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf die Personalakte des Fitnessstudios nicht anwendbar sei, da diese nur in Papierform vorlag. Das Gericht hatte klarzustellen, dass auch eine Papierakte ein „Dateisystem“ im Sinne der DSGVO sein kann. Ein Dateisystem sei nämlich jede strukturierte Datensammlung – gerade nicht nur digital. Solange die Akte gleichartig und anhand bestimmter Kriterien aufgebaut ist (Hier: Name, Vorname, Personalnummer), sei auch ein Aktenkarton im Anwendungsbereich der DSGVO.

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Dabei gebe es außerdem keine ausdrückliche Mindestanzahl für Akten, um von einer Datei nach DSGVO sprechen zu können. Das Gericht schließt daraus, dass schon zwei Akten genügen, wenn potenziell weitere hinzukommen können.

Der Arbeitgeber konnte sich daher einer Verantwortlichkeit nach DSGVO nicht entziehen. Das schloss auch denjenigen ein, der sich auf der Abmahnung „Inhaber“ nannte, solange er eigenverantwortlich über die Datenverarbeitung entscheidet, so das Gericht.

Anspruch auf Löschung

Das vorinstanzliche Arbeitsgericht hatte die Löschung verwehrt. Der Kläger habe kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Ausbildung inzwischen erledigt sei, so das Gericht. Damit sei das Interesse an der Löschung damit nicht per se gegeben und der Kläger habe hier kein besonderes Interesse darüber hinaus genannt. Das LAG sah dies nun allerdings anders.

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Es stellte fest, dass auch Abmahnungen personenbezogene Daten sind, da sie bestimmte Verhaltensweisen des Klägers enthielten. Diese würden vor allem dafür dienen, den Arbeitnehmer vor einer potentiellen Kündigung zu warnen – ein Zweck der sich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich erledigt. Damit sind Abmahnungen nach § 17 DSGVO „nicht mehr notwendig“ und damit auf Antrag zu löschen.

Abweichung von anderer Rechtsprechung

Damit argumentiert das LAG genau umgekehrt zur Vorinstanz und vor allem auch zu einem anderen Landesarbeitsgericht – dem LAG Sachsen. Auch dieses hatte in einem ähnlichen Fall im März 2023 geurteilt, argumentierte aber ebenfalls mit der Erledigung und dem folglich fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers (LAG Sachsen, Urt. v. 31.03.2023, Az. 4 Sa 117/21). Hierbei bezieht es sich auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Es hält die DSGVO allerdings grundsätzlich nicht auf Akten in Papierform anwendbar. Aufgrund der Abweichung ist eine sogenannte Divergenzbeschwerde eingelegt worden. Die Revision ist nun vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig.

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