Nach einem „Flamingo-Vorfall“ bei einem Firmenevent und einem Unterhosen-Sprung in den Rhein während einer Betriebsfeier wurde es der Arbeitgeberin zu bunt. Sie kündigte dem 33-Jährigen Mitarbeiter. Doch das LAG Düsseldorf entschied: Marius S. darf bleiben. Wie kann das sein? Die Antwort liegt im Detail.

Marius S. hat nicht locker gelassen und arbeitet ab Montag um acht Uhr wieder in der Aufzugsfirma. Darauf einigten sich die Arbeitgeberin und der 33-Jährige jetzt vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf (Az. 3 Sa 211/23). Bereits in der Vorinstanz hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf der Kündigungsschutzklage stattgegeben (Urt. v. 07.03.20223, Az. 16 Ca 4079/22).

Doch wie kam es überhaupt dazu? Marius war seit dem 1. Januar 2021 als Trainee zum Verkauf von Neuanlagen in der Region West beschäftigt. Der Mann schilderte vor Gericht, dass die Region West als Partyregion des Unternehmens bekannt gewesen sei. Das hat Marius S. offenbar etwas zu ernst genommen. Denn bereits einige Monate vor der Aktion im Rhein war der Mann bei einem Firmenevent in Berlin negativ aufgefallen. Bei der Veranstaltung feierten die Mitarbeiter zwei Tage lang. Am ersten Tag war auch Marius S. dabei, wobei streitig ist, ob abends auch Kunden dazu kamen. Vor Ort hätten die Beschäftigten Bändchen erhalten, die ihnen Freigetränke an der Rooftop-Bar garantierten. In der Bar befanden sich auch zwei lebensgroße Deko-Flamingos. Als die Stimmung auf dem Höhepunkt gewesen sei, habe der Mann einen der Flamingos hochgehoben und mit nach unten genommen. Dabei sei der Flamingo wohl etwas beschädigt worden. Unten angekommen habe er ein Foto mit dem Tier im Fotoautomaten gemacht. Danach habe er ihn wieder an Ort und Stelle platziert. 

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Flamingo-Vorfall führte zur ersten Verwarnung

Diese Aktion brachte ihm bereits den ersten Ärger mit seinem Chef ein. Dabei sei das Foto noch nicht einmal gut geworden. Wenige Tage später habe ihn sein Chef in einem Zwischengespräch ermahnt, solche Aktionen zu unterlassen, wenn die ,,großen Chefs aus Berlin‘‘ anwesend seien. Das Gericht wertete diese Äußerung als arbeitsrechtliche Ermahnung. Eine förmliche Abmahnung erteilte das Unternehmen dem 33-Jährigen für seine Aktion allerdings nicht. Auch von seinen Kollegen erhielt Marius S. rege Reaktionen: Diese hielten in der Folge bei Online-Meetings gerne mal Flamingos in die Kamera. Der Schaden am Flamingo in Höhe von 400 Euro wurde dem Unternehmen in Rechnung gestellt. Zum Ausgleich wurde die Zielvereinbarung des Mannes entsprechend gekürzt.

In Unterhose in den Rhein

Nach einer Betriebsfeier auf dem Partyschiff ,,Achterdeck‘‘ in Köln wurde es der Arbeitgeberin dann jedoch zu bunt. Als die Stimmung auf dem Partyschiff nachließ, ging der 33-Jährige vom Partyschiff ans Ufer, zog sich bis auf die Unterhose aus und schwamm einmal am Boot entlang. Anschließend kletterte er aus dem Wasser wieder auf das Schiff und lief an der versammelten Mannschaft vorbei zum Ausgang. Wieder angezogen, stellte ihn die Vorgesetzte zur Rede. Drei Tage und eine Anhörung des Betriebsrats später kündigte die Arbeitgeberin Marius S. fristlos.

Der Mann rechtfertigte sich vor Gericht damit, dass der Pegelstand des Wassers an diesem Tag sehr niedrig gewesen sei. Er sei außerdem nur an der dem Ufer zugewandten Seite des Bootes geschwommen. Marius S. habe nur Spaß haben wollen und für Spaß sei die Region West schließlich bekannt. Die Arbeitgeberin verstand allerdings überhaupt keinen Spaß. Der 33-Jährige habe durch sein Verhalten sich selbst und auch andere Mitarbeiter, die ihn möglicherweise hätten retten wollen, in Gefahr gebracht. Damit habe er den Betriebsfrieden gestört. Auch für die Stimmung sei die Aktion nicht gut gewesen. Denn diese sei nach dem Vorfall schlagartig gekippt.

Fehlerhafte Angaben führen zur Unwirksamkeit

Doch nun kommt die Crux des Falles. Die Arbeitgeberin hatte gegenüber dem Betriebsrat falsche Angaben gemacht. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richters habe die Arbeitgeberin zumindest ,,grob fahrlässig‘‘ falsche Angaben über den Familienstand des Arbeitnehmers gemacht. Sie hatte den 33-Jährigen als ledig bezeichnet, obwohl er verheiratet war. Darüber hinaus behauptete die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat, Marius S. sei nackt in den Rhein gesprungen. Tatsächlich war er jedoch nur mit einer Unterhose bekleidet durch den Fluss gewatet. Das ArbG sah darin eine Irreführung des Betriebsrats. Die außerordentliche Kündigung sei daher unwirksam. Das LAG teilte diese Auffassung.

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Nackt oder nicht – das ist hier die Frage

Die Nacktheit sei so entscheidend, weil die Arbeitgeberin die Kündigung vor Gericht damit begründete, dass der Mitarbeiter den Betriebsfrieden gestört habe. Dafür spiele die Bekleidungsfrage eine maßgebliche Rolle. Zwar habe die Arbeitgeberin vor dem Betriebsrat darauf abgestellt, dass der Mann sich selbst und die anderen Beschäftigten gefährdet habe. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob der Mann eine Unterhose trug oder nicht. Mit der genannten Begründung vor Gericht sei die Betriebsanhörung aber trotzdem fehlerhaft gewesen. Denn für den Betriebsfrieden sei es eben doch entscheidend, ob die Unterhose an war oder nicht.

Marius S. ließ sich jedenfalls durch nichts beirren. Er wolle weiter für die Aufzugsfirma arbeiten. Der Arbeitgeberin blieb nichts anderes übrig, als mit dem Mann einen entsprechenden Vergleich zu schließen. Denn ohne Abmahnung nach dem Flamingo-Vorfall und ohne ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats hätte die Arbeitgeberin bei einem Urteil den Kürzeren gezogen. Und so wird Marius S. am Montagmorgen pünktlich um acht Uhr wieder zum Dienst erscheinen. Marius S. ist zuversichtlich: Er werde sich bemühen.

lyt