Können sich Arbeitnehmer Urlaubstage, die sie in Quarantäne verbringen mussten, gutschreiben lassen? Mit dieser Frage musste sich nun der EuGH nach einer Vorlage zur Vorabentscheidung befassen. In seiner Entscheidung ging der EuGH auf den eigentlichen Sinn der Urlaubszeit ein und erklärte, ob dieser auch in Quarantäne erreicht werden kann.

Wenn ein Arbeitnehmer in Corona-Quarantäne muss und die Quarantäne sich mit den genommenen Urlaubstagen überschneidet, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, die freien Tage nachholen zu dürfen. Das entschied nun der Europäische Gerichtshof (EuGH). Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Quarantäne nicht vergleichbar mit einer Krankheit sei (Urt. v. 14.12.2023 – Az. C-206/22).

Fast vier Jahre nach Pandemiebeginn scheinen noch immer viele arbeitsrechtliche Fragen rund um das Virus offen. Nun musste Klarheit in einem Streit geschaffen werden, der seinen Ursprung vor fast drei Jahren fand. Im Dezember 2020 wollte ein Mitarbeiter der Sparkasse Südpfalz Urlaubstage nehmen. Einen Tag vor dem geplanten Urlaubsbeginn wurde er jedoch aufgrund eines Kontakts mit einer Person, die positiv auf das Coronavirus getestet wurde, in Quarantäne versetzt. Um die Menschen in seinem Haushalt nicht anzustecken, bewegte er sich in dieser Zeit nur zwischen Schlaf- und Badezimmer. Der Mitarbeiter forderte eine Gutschrift seiner Urlaubstage. Sein Arbeitgeber wollte dieser Forderung jedoch nicht nachkommen.

Infolgedessen erhob der Mitarbeiter Klage und argumentierte, dass die Ablehnung seiner Urlaubsgutschrift gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie verstoße. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen, das mit dem Fall befasst war, entschied sich dazu, eine Vorabentscheidung des EuGH zu diesem Sachverhalt einzuholen.

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Auch Quarantäne kann zur Entspannung dienen

Vor Gericht kam dann die Ernüchterung für den Arbeitnehmer: Der EuGH erklärte, dass der bezahlte Jahresurlaub dem Zweck diene, sich von der Arbeit zu erholen und sich über den Zeitraum der Urlaubstage entspannen zu können und Freizeit zu haben. Die Richter erklärten, dass eben eine solche Entspannung beispielsweise im Krankheitsfall nicht möglich sei. Anders sähe das aber in Quarantäne aus: Denn die Quarantäne ohne Krankheitssymptome stehe der Entspannung laut dem EuGH grundsätzlich nicht entgegen. Daher sei der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, Nachteile auszugleichen, die sich aus einem unvorhersehbaren Ereignis wie der Quarantäne ergeben könnten. Es liege in der Risikosphäre der Beschäftigten, wenn bestimmte Ereignisse den Urlaub stören, so der EuGH.

Neue Regelung gilt nicht rückwirkend

Der Arbeitnehmer hatte also in seinem Fall kein Glück. Die Sparkasse konnte nicht dazu verpflichtet werden, die Quarantäne nicht als Urlaub anzurechnen. Nichtsdestotrotz haben EU-Länder grundsätzlich die Möglichkeit, arbeitnehmerfreundlichere Regelungen zu treffen. So tat das auch Deutschland, nur kam die neue Regelung für den Arbeitnehmer der Sparkasse zu spät: Hierzulande sieht nämlich eine Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes vom September 2022 vor, dass behördlich angeordnete Quarantänezeiten nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden.

Zum Pech für den Arbeitnehmer gilt die Regelung in diesem Fall jedoch nicht, da die Quarantäne im Dezember 2020 angeordnet wurde, die neue Regelung aber erst fast zwei Jahre später kam und bislang nicht rückwirkend für frühere Zeiten, also für den Großteil der Corona-Zeit gilt.

Corona beschäftigt weiterhin die Gerichte

Dass Corona auch noch fast vier Jahre nach dem erstmaligen Auftreten in Deutschland noch immer die Gerichte beschäftigen würde, hätte anfangs wohl kaum jemand so vermutet. Und doch kommt es auch heute noch immer wieder vor, dass insbesondere arbeitsrechtliche Fragen in Bezug auf Corona gerichtlich geklärt werden müssen. In unserem Blog berichteten wir beispielsweise im Oktober von einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein. Das Gericht nahm Stellung zu der Frage, ob eine Verwaltungsangestellte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, wenn sie symptomfrei mit Corona infiziert ist.

Die grundsätzliche Frage, ob Urlaubstage in Quarantäne auch nachgeholt werden könnten, scheint jedoch geklärt. Denn so wie der EuGH hatten diese Frage auch die meisten Arbeits- und Landesarbeitsgerichte beurteilt.

agr