Ein Sport- und Gesundheitstrainer-Azubi meldete sich am Prüfungstag krank, absolvierte daraufhin aber ein intensives Krafttraining. Der skeptisch gewordene Arbeitgeber habe entsprechend fristlos kündigen dürfen, entschied das ArbG Siegburg.

Um einer schulischen Nachholprüfung zu entgehen, ließ sich ein 24-jähriger, der seine Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer in einem Fitnessstudio absolvierte, krankschreiben, obwohl er sich körperlich bester Gesundheit erfreute. Unmittelbar nach Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei seinem Arbeitgeber, führte der Auszubildende in seinem Ausbildungsbetrieb eine ausgiebige und kräftezehrende Trainingseinheit durch. Sehr zum Unmut seines Arbeitgebers, welcher ihn noch am gleichen Tag fristlos kündigte. Über die Wirksamkeit dieser Kündigung entschied das Arbeitsgericht (AG) Siegburg (Urteil vom 17.3.2022, Az. 5 Ca 1849/21).

Welcher Sachverhalt lag dem Arbeitsgericht vor?

Der im Jahr 1998 geborene Kläger schloss mit dem Beklagten Fitnessstudio mit Wirkung ab dem 06. Juli 2020 ein Ausbildungsverhältnis zum Sport- und Gesundheitstrainer auf der Basis des BBiG ab. Dieses Ausbildungsverhältnis umfasste neben der betrieblichen Ausbildung auch die schulische Ausbildung samt dem Bestehen von Prüfungsleistungen. Am 05. Und 6. Oktober 2021 sollte der Kläger schulische Nachprüfungstermine wahrnehmen.

Am 6. Oktober 2021 erschien der Azubi im Fitnessstudio seines Arbeitgebers und legte für den Zeitraum vom 5. bis 7. Oktober eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, ausgestellt am 06. Oktober, unkommentiert auf den Tresen im Empfangsbereich, um anschließend direkt mit seinem Trainingsprogramm zu starten.

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Sein Arbeitgeber, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur rein zufällig fand, schenkte derselbigen keinen Glauben und kündigte dem Auszubildenden noch am selben Tag fristlos. Er war überzeugt, dass der Auszubildende sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen ließ, um der Wiederholung der Prüfung zu entgehen.

Gegen diese Kündigung erhob der Auszubildende erfolglose Kündigungsschutzklage.  Das zuständige Arbeitsgericht Siegburg hielt die Kündigung für rechtmäßig.

„Weiterbeschäftigung für den Ausbildungsbetrieb unzumutbar“

Dass Gericht folgte dem Vortrag des Klägers, dass dieser noch am Morgen zunächst krank gewesen sei und nach seiner spontanen Genesung plötzlich Sport machen konnte, nicht. Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann nach Ablauf der Probezeit das Ausbildungsverhältnis von beiden Vertragsparteien aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund setzt in Anlehnung an § 626 BGB voraus, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist. Das zielgerichtete Schwänzen einer schulischen Prüfungsleistung unter Vorlage einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gefährdet das Ausbildungsziel erheblich und führt zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses, entschied das Arbeitsgericht. Zudem stelle das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass dadurch das Vertrauen des Beklagten in seinen Auszubildenden gänzlich zerstört werde.

Auch eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber war in diesem Fall entbehrlich. So führte das Arbeitsgericht aus, dass kein Auszubildender davon ausgehen darf, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen, insbesondere wenn es sich um Nachholprüfungen handelt, zu entziehen.

Konsequenzen hätten dem Kläger bewusst sein müssen

Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG sind ggf. auch das jugendliche Alter des Auszubildenden und der Ausbildungszweck des Vertragsverhältnisses zu berücksichtigen. Bei jungen Auszubildenden kann grundsätzlich nicht von den gleichen Maßstäben ausgegangen werden, die bei dem Arbeitsverhältnis eines erwachsenen Arbeitnehmers anzulegen sind. Mildere Anforderungen als bei erwachsenen Arbeitnehmern sind deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei Auszubildenden nicht selten um ältere Jugendliche und Heranwachsende handelt, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Das Arbeitsgericht Siegburg unterstrich in seinem Urteil allerdings, dass sich das Alter des Klägers hier nicht entscheidungserheblich auswirke, da der Kläger mit über 23 Jahren nicht mehr jugendlichen Alters sei. Es handele sich bei ihm um einen jungen Erwachsenen, der sich seiner Handlungen und deren Konsequenzen bewusst sein müsse. Dazu kam, dass die Kündigung auch nicht kurz vor Abschluss der Ausbildung erfolgte, sondern kurz nach dem ersten Ausbildungsjahr.

Welche Diagnose stand eigentlich auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?

ICD-10 – Code B86 G. Diese – eine Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich begründende – Diagnose stand auf der eingereichten ärztlichen Bescheinigung. Aufgeschlüsselt bedeutet das für den medizinischen Laien: Befall mit Krätzmilben. Für mit Krätzmilben befallene Patienten gilt in Deutschland nach § 34 Abs. 1 Nr. 17 Infektionsschutzgesetz bereits bei Verdacht ein Verbot des Aufenthalts und Arbeitens in Gemeinschaftseinrichtungen, wozu auch Fitnessstudios zählen.

Völlig verzweifelt wirkte daher nach Ansicht des Arbeitsgerichts auch der Versuch des Klägers, die erkennende Kammer überzeugen zu wollen, dass es ihm am späten Vormittag des 06. Oktober 2021 wieder so gut gegangen sei, dass er sich in der Lage gesehen habe, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen im Rahmen des Ausbildungsvertrages im Betrieb des Beklagten wieder aufzunehmen. „Diesen Vortrag müsse man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen“, so das Arbeitsgericht wörtlich. Mit deutlichen Worten in Richtung des Klägers führte es weiter aus: „Der Kläger will der erkennenden Kammer folglich Glauben machen, dass dessen Arzt eine derart starke Fehldiagnose gestellt hat, dass dieser nicht nur fehlerhaft einschätzte, dass der Kläger mindestens bis zum Ablauf des 07. Oktober 2021 arbeitsunfähig erkrankt sein wird, nein der Arzt soll sogar übersehen haben, dass der Kläger wieder innerhalb von ca. 3 – 4 Stunden arbeitsfähig sein wird.“ Ob es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder um eine erschlichene Bescheinigung handelte, war für das Arbeitsgericht letztlich nicht relevant.

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Worauf Auszubildende achten sollten

Auch die Teilnahme am Unterricht in der Berufsschule und an den dort zu absolvierenden Prüfungen gehört zu den Pflichten von Auszubildenden. Verstößt ein Auszubildender gegen diese Pflicht, indem er eine Krankheit vortäuscht, so kann dies einen Kündigungsgrund darstellen.

Auch wenn eine Ausbildung ein besonderes Arbeitsverhältnis darstellt, dessen Kündigung besonders strengen Voraussetzungen unterliegt, ist eine fristlose Kündigung nicht ausgeschlossen. Azubis sollten daher selbstredend auch den schulischen Teil der Ausbildung sehr ernst nehmen. Beispielsweise kann auch das wiederholte unentschuldigte Fehlen im Berufsschulunterricht einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen.

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