Die Weitergabe von heimlich gesammelten persönlichen Daten durch Geheimdienste an die Polizei verletzt teilweise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das hat das BVerfG in einem nun veröffentlichten Beschluss entschieden. Nach Ansicht der Karlsruher Richter spielen dabei vor allem die Befugnisse der an der Datenübermittlung beteiligten Instanzen eine entscheidende Rolle.

Immer wieder beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit der Frage, was dem Staat zum Schutz der Allgemeinheit erlaubt ist. So hatten die Karlsruher Richter erst vor kurzem das bayerische Verfassungsschutzgesetz unter die Lupe genommen und etliche Befugnisse als zu weitgehend und daher als mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar beanstandet (Urt. v. 26.04.2022, Az. 1 BvR 1619/17). Bereits Ende September hatte das BVerfG dann entschieden, dass auch bestimmte Vorschriften des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung teilweise unvereinbar seien (Az. 1 BvR 2354/13). Nun wurde der Beschluss des Gerichts schriftlich veröffentlicht.

Die Weiterleitung personenbezogener Daten durch den Verfassungsschutz an beispielsweise die Polizei oder Staatsanwaltschaft ist im BVerfSchG geregelt. Nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG erfolgt eine Übermittlung persönlicher Daten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. § 21 Abs. 1 BVerfSchG erstreckt diese Übermittlungspflicht entsprechend auf die Verfassungsschutzbehörden der Länder. Auf diese Übermittlungsregeln verweist außerdem das Rechtsextremismus-Datei-Gesetz (RED-G), in welchem der Aufbau der sogenannten Rechtsextremismus-Datei (RED) beschlossen wurde. Die RED ist eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus in Deutschland und wird beim Bundeskriminalamt (BKA) geführt.

Klage bereits 2013 eingereicht

Gegen das RED-G wurde bereits 2013 eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG eingelegt. Geklagt haben soll Carsten S., der im Jahre 2018 im Münchner Prozess um die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) rechtskräftig als Helfer der Terroristen zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde und 2020 auf Bewährung wieder freikam. Er hatte den NSU-Tätern eine Pistole übergeben, mit denen sie mehrere Menschen töteten. In dem Beschluss aus Karlsruhe selbst wird die Identität des Klägers jedoch nicht genannt.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte S. geltend, die Weitergabe von personenbezogenen Daten an die Polizei und Staatsanwaltschaft stelle einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar und sei daher nicht mit dem GG vereinbar. Im Verfahren vor dem BVerfG ging es daher im Kern um die Frage, in welchem Umfang der Verfassungsschutz personenbezogene Daten an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden weiterleiten darf.

BVerfG: Datenaustausch nur ausnahmsweise möglich

Nach Ansicht des BVerfG stelle der Datenaustausch, wie er im BVerfSchG derzeit geregelt ist, einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, sofern er die „Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln heimlich erhobener personenbezogener Daten“ betreffe. Demnach diene ein solcher Datenaustausch zwar dem Schutz der Sicherheit des Staats und der Bevölkerung und damit einem legitimen Zweck. Allerdings seien die Regelungen des BVerfSchG nicht klar genug und unverhältnismäßig, heißt es in der Entscheidung.

Hintergrund ist dabei das sogenannte Trennungsprinzip, das auf den unterschiedlichen Befugnissen der an der Datenübermittlung beteiligten Instanzen gründet. Demnach sind Geheimdienste für ihre Tätigkeit mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, ihr Tätigwerden muss sich allerdings auf Beobachtung und Aufklärung beschränken. Für das direkte Eingreifen bei Strafdelikten ist hingegen die Polizei zuständig, die sich aber an viel genauere Regeln zu halten hat.

Einige Daten und Informationen gewinnen Geheimdienste aber durch Befugnisse, welche die Polizei nicht besitzt, weswegen die Gefahr besteht, dass dadurch das Trennungsprinzip unterlaufen wird. Daher wundert es nicht, dass das BVerfG mit seinem Beschluss klarstellt, dass an einen solchen Datenaustausch strenge Anforderungen zu stellen seien. Demnach könnte die Datenweitergabe nur ausnahmsweise und auch nur dann zulässig sein, wenn an der Übermittlung ein herausragendes öffentliches Interesse bestehe.

BVerfSchG teilweise verfassungswidrig

Nach Ansicht der Karlsruher Richter genügen die angegriffenen Vorschriften diesen Anforderungen jedoch nicht. So knüpfe § 20 Abs. 1 BVerfSchG für die Datenweitergabe allein an bestimmte, näher bezeichnete Straftaten an. Allerdings könnten nicht alle in der Vorschrift aufgeführten Straftaten tatsächlich als besonders schwere Delikte qualifiziert werden, sodass an deren Verfolgung kein herausragendes öffentliches Interesse bestehe.

Darüber hinaus fehle es in den Vorschriften an einer sogenannten Übermittlungsschwelle. Vielmehr erlauben die Vorschriften eine Übermittlung bereits dann, wenn lediglich tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich sei. Dadurch werde jedoch eine Übermittlung von Informationen unabhängig von einer konkreten Gefahrenlage ermöglicht. Daher seien die Vorschriften auch unverhältnismäßig und somit teilweise verfassungswidrig.

Die von Karlsruhe beanstandeten Regelungen müssen nun reformiert werden. Dafür hat das Gericht eine Frist bis Ende des kommenden Jahres eingeräumt. Bis dahin bleiben die Regelungen trotz Verstoßes gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mit Einschränkungen in Kraft.

akh