[UPDATE 11.12.2014 – 10:31 Uhr] Soeben hat der EuGH die Entscheidung gefällt. Sie ist so ausgegangen, wie wir es schon gestern erwartet hatten. Wer sein Eigentum überwacht und dabei auch den Bürgersteig und die öffentliche Straße filmt, verstößt in der Regel gegen geltendes europäisches Datenschutzrecht. Hier die EuGH Pressemitteilung dazu. Anders als in verschiedenen Medien dargestellt, hat der EuGH nicht entschieden, dass man sein Grundstück künftig nicht mehr überwachen darf. Vielmehr ist es so, dass die reine Überwachung des eigenen Grundstücks meist datenschutzrechtlich überhaupt nicht relevant ist. Spannend wird es erst, wenn neben dem eigenen Grundstück auch noch der Bürgersteig und die öffentliche Straße mitgefilmt werden. Dann ist Datenschutz grundsätzlich anwendbar, hat heute der EuGH entschieden. In einem weitern Schritt müssen dann die Ausnahmen des geltenden Datenschutzrechts überprüft werden. Gibt es also gute Gründe für die Überwachung der Bürgersteigs, dann kann unter Umständen sogar eine heimliche Überwachung möglich sein. Letztlich ist das dann immer eine Auslegungsfrage im Einzelfall. Wem diese Auslegung zu heikel ist, der sollte entweder nur sein Grundstück überwachen oder zumindest deutlich auf die Überwachungsmaßnahme hinweisen.[UPDATE ENDE)

Morgen entscheidet der EuGH (Rechtssache C-212/13) darüber, ob die Aufstellung einer Überwachungskamera an einem Privathaus den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegt oder nicht. Ein tschechischer Hausbesitzer hatte an seinem Haus eine Überwachungskamera installiert, die nicht nur sein Haus, sondern auch den öffentlichen Straßenraum und das gegenüberliegende Haus aufnahm. Das Video wurde bei Erreichen der maximalen Kapazität der Festplatte wieder überschrieben. Der Hausbesitzer hatte die Kameras zum Schutz seines Eigentums und der Gesundheit und des Lebens von sich und seiner Familie aufgestellt, da diese zuvor bereits mehrfach von Unbekannten angegriffen wurden.

Datenschutzrecht findet keine Anwendung bei privaten Aufnahmen

„Grundsätzlich unterliegt die Videoüberwachung strengen gesetzlichen Voraussetzungen“, erläutert IT Anwalt Christian Solmecke. „Schließlich werden hier sensible personenbezogene Daten verarbeitet. Die gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzes finden jedoch keine Anwendung, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten „von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließliche persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird (Vgl. Art. 3 der EU-Richtlinie 95/46)“.

Liegt eine private Aufnahme vor, wenn der öffentliche Straßenbereich gefilmt wird?

Der EuGH wird sich nun zu der Frage äußern müssen, ob die oben geschilderte Überwachung durch den Hausbesitzer noch als persönliche und familiäre Tätigkeit qualifiziert werden kann oder ob hier nicht vielmehr eine rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt. Der Generalanwalt Niilo Jääskinen kommt in seinem Schlussantrag zu dem Ergebnis, dass eine solche Überwachung, die sich auch auf den öffentlichen Bereich erstreckt, nicht als eine ausschließliche familiäre Tätigkeit angesehen werden kann. Schließlich betreffe die Überwachung auch Personen, die keine Verbindung zu der betreffenden Familie haben und ihre Anonymität wahren möchten. Das erklärte Ziel der Überwachung sei für die Bewertung unerheblich. Im Ergebnis kommen somit aus seiner Sicht die Datenschutzgesetze hier sehr wohl zur Anwendung. Ob die Überwachung im Ergebnis rechtswidrig war, bedürfe anschließend einer Abwägung im Einzelfall.

„Das Ergebnis des Generalanwalts halte ich für absolut richtig“, kommentiert IT-Anwalt Christian Solmecke den Schlussantrag, dem das Gericht morgen voraussichtlich folgen wird. „Wer fremde Personen ohne ihr Wissen im öffentlichen Raum dauerhaft beobachtet, muss sich an die strengen gesetzlichen Datenschutzbestimmungen halten, da hier in hohem Maße in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen eingegriffen wird.

Überwachung per Videokamera, Dashcam oder Drohne sorgt für Streit

In Deutschland sorgte erst kürzlich ein Urteil zum rechtmäßigen Einsatz von Dashcams zur Aufzeichnung von Verkehrsunfällen für hitzige Debatten. Das Verwaltungsgericht Ansbach kam hier zu dem Schluss, dass eine systematische Überwachung des Straßenverkehrs durch Dashcams nicht mit dem geltenden Datenschutzrecht vereinbar ist. Zumindest dann nicht, wenn die Aufnahmen mit der Absicht angefertigt worden sind, später ins Internet gestellt zu werden oder Dritten – also auch der Polizei – übergeben zu werden“.

Das Thema Überwachung ist omnipräsent. Sei es der Nachbar, der sich von sein Grundstück überfliegenden Drohnen beobachtet fühlt, oder der Unternehmer, der am liebsten seine Arbeitnehmer überwachen würde, der Streit um Überwachungskameras nimmt kein Ende.

Öffentliche Überwachung darf nicht heimlich erfolgen

Die Videoüberwachung im öffentlichen Bereich ist im §6 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) geregelt. „Öffentlich“ meint dabei einen abgegrenzten Bereich, der von der Öffentlichkeit betreten und genutzt werden kann. Darunter fallen zum Beispiel Verkaufsflächen, Ausstellungsräume und Eingangshallen. Das Gesetz nennt drei Gründe für eine berechtigte Überwachung dieser Flächen, wobei stets eine Abwägung mit den Interessen der Betroffenen im Einzelfall zu treffen ist.

  1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
  2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
  3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke

„Schließlich, und das ist vielleicht der wichtigste Punkt, so Solmecke, darf die Überwachung nicht heimlich erfolgen, sondern diese ist kenntlich zu machen, beispielsweise durch die Aufstellung eines Schildes“.

Regelmäßig unzulässig ist die Überwachung privater Büroräume. Nur in absoluten Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem konkreten Verdacht für eine strafbare Handlung, ist die Überwachung einzelner Mitarbeiter unter Umständen erlaubt.

Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall ist entscheidend

„Sehr häufig kommt es bei datenschutzrechtlichen Auseinandersetzungen auf eine Abwägung der gegenseitigen Interessen im Einzelfall an“, erklärt RA Solmecke weiter. „Ein Vermieter darf beispielsweise keine Kamera im Flur aufstellen mit der bloßen Begründung, dass eine solche Überwachung zur Sicherheit beitrage. Hier überwiegen regelmäßig die Persönlichkeitsrechte der Mieter. Anders kann der Fall aussehen, wenn es sich nur um eine zeitweise Überwachung handelt, weil ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht“. Die Dauer der Überwachung spielt bei der Beurteilung der Rechtswidrigkeit eine große Rolle. Eine Drohne, die beispielsweise per Live-View-Funktion über ein Grundstück fliegt, muss in der Regel geduldet werden, wenn die Überflüge nicht gezielt zur Beobachtung eingesetzt werden. Wer jedoch eine Drohne gezielt zur Anfertigung von Aufnahmen über das Grundstück des Nachbarn fliegen lässt, handelt rechtswidrig.

Das Thema Datenschutz ist komplex und die morgige Entscheidung des EuGH wird mit Sicherheit nicht die Letzte zu diesem Thema sein. Solmecke gibt allen Hausbesitzern einen Tipp: „Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte grundsätzlich Kameras nur so aufstellen, dass diese ausschließlich den privaten Raum filmen. Dies muss auch für den Nachbar deutlich erkennbar sein, denn bereits wenn dieser das Gefühl hat beobachtet zu werden, kann hier ein rechtswidriges Verhalten angenommen werden. Aus diesem Grund können auch Kamera-Attrappen genauso unzulässig sein wie echte Kameras“.

Rechtswidrige Aufnahme kann unter Umständen trotzdem vor Gericht verwendet werden

Zum Schluss klärt Solmecke noch über einen weit verbreiteten Irrtum auf: „Eine ganz andere Frage, als die der Rechtswidrigkeit von Aufnahmen ist die der Verwertung im Beweisverfahren. Hier kommt es ebenfalls auf den Einzelfall an. Es kann ein Beweisverwertungsverbot ergehen, die Aufnahmen können aber unter Umständen auch trotz ihrer Rechtswidrigkeit als Beweis zugelassen werden. Entscheidend ist hier vor allem die Schwere der Straftat“.