Eine Versicherungsnehmerin verlangte von ihrer Rechtsschutzversicherung Deckung für eine Klage gegen die Audi AG wegen eines sogenannten “Thermofensters” in der Abgassteuerung ihres Fahrzeugs. Die Versicherung lehnte dies mit der Begründung ab, dass die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Das OLG Hamm sah das jedoch nun anders.

Die Richter des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden, dass eine Rechtschutzversicherung Deckung für eine Dieselklage bieten muss, auch wenn die Versicherung die Auffassung vertritt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht habe. Das OLG stellte fest, dass die Versicherung verpflichtet sei, die Kosten für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der klagenden Autobesitzerin gegen die Audi AG wegen der behaupteten Implementierung eines unzulässigen sog. Thermofensters in der Abgassteuerung eines Audi A5 zu tragen (Urt. v. 20.09.2023, Az. 20 U 240/22). 

Die Entscheidung bezieht sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Juni 2023 (Az. VIa ZR 355/21). Der BGH hatte so den Weg für Schadenersatzansprüche im Abgasskandal besonders auch im Hinblick auf Thermofenster geebnet. Er folgte damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), nach der Schadenersatzansprüche auch schon dann bestehen, wenn die Autohersteller unzulässige Abschalteinrichtungen nur fahrlässig also nicht mit Vorsatz verwendet haben. Der BGH machte in seinem Urteil deutlich, dass Käufer beim Erwerb eines Fahrzeugs mit einer erteilten Typengenehmigung erwarten dürfen, dass es auch die gesetzlichen Vorschriften einhält.

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem OLG Hamm stand eine Frau, die gegen die Rechtsschutzversicherung ihres Mannes vorging, bei der sie mitversichert ist, um Deckungsschutz für eine Klage gegen die Audi AG zu erhalten. Die Frau hatte am 03. März 2021 einen gebrauchten Audi A5 erworben, dessen Motor aufgrund eines verbauten Thermofensters höhere Abgaswerte als angegeben produzierte. Der Kaufpreis des Audis betrug 31.880 €.

Nachdem sie von dem Thermofenster in ihrem Fahrzeug erfuhr, ging sie gegen die Audi AG vor. Sie machte geltend, dass der Fahrzeughersteller ihr Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet habe, wozu auch ein Thermofenster zähle. Die Rechtsschutzversicherung der Frau lehnte den Deckungsschutz für die Klage jedoch ab. Als Begründung gab die Versicherung an, die beabsichtigte Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Auf die Ablehnung der Versicherung reagierte sie und klagte. Sie forderte die Feststellung, dass die Versicherung zur Deckung der Kosten für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen gegen die Audi AG verpflichtet sei.

Deckungsablehnung kann nicht allein auf den Zeitpunkt der Anfrage basieren

Das OLG Hamm setzte nun ein Zeichen. Das Gericht bejahte einen Anspruch gegen den beklagten Rechtschutzversicherer auf Deckungsschutz für die Dieselklage (Differenzschaden wegen Thermofenster) nach Maßgabe des BGH-Urteils. Selbst wenn eine solche Klage im Zeitpunkt der Deckungsablehnung nach Auffassung der Versicherung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, könne es nicht ausschließlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife ankommen.

Auch bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Vorschriftenlage müssten zugunsten des Versicherungsnehmers neue Entwicklungen der Rechtsprechung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten berücksichtigt werden. Gegenteiliges lasse sich aus § 18 ARB nicht entnehmen. Eine derartige Einschränkung des Leistungsversprechens des Rechtsschutzversicherers wäre unbillig. So würde dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz versagt, obwohl er in der Sache hinreichende Erfolgsaussichten hätte und nach der objektiv bestehenden – wenn auch erst später höchstrichterlich als solche erkannten – Rechtslage auch bereits zum Zeitpunkt der Deckungsablehnung bestanden haben.

akl