Forscher wollten herausfinden, ob Aktivitäten auf der Plattform X die Bundestagswahl beeinflussen können. Dafür brauchten sie Daten. Als sie diese nicht bekamen, klagten sie auf Herausgabe. Das LG Berlin II entschied nun zwar, dass die Forscher die Daten nicht bekommen, diese aber in Deutschland klagen durften. Warum das Urteil deshalb wichtig ist, lesen Sie hier.

Im Streit um den Zugang zu öffentlich zugänglichen Plattformdaten nach dem Digital Services Act (DSA) hatte die Nichtregierungsorganisation Democracy Reporting International (DRI), unterstützt von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), das Unternehmen X (vormals Twitter) verklagt. Die Forscher wollten analysieren, inwiefern die vergangene Bundestagswahl durch Social-Media-Aktivitäten auf der Plattform beeinflusst werden könnte. X verweigerte jedoch den Zugang zu den gewünschten Daten. Dadurch sahen sich DRI und GFF in ihrer wissenschaftlichen Arbeit behindert.
Der Fall ist von großer Bedeutung, da er die erstmalige gerichtliche Prüfung eines Auskunftsanspruchs nach dem DSA in Deutschland betrifft und grundlegende Fragen zur internationalen Zuständigkeit und zur Rolle der Forschung im digitalen Raum aufwirft.
Das Landgericht (LG) Berlin II hat nun nach mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden, dass X den Forschern keine Daten zur Bundestagswahl bereitstellen muss, aber sehr wohl in Deutschland verklagt werden darf.
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X muss Forschern keine Daten zur Bundestagswahl bereitstellen – aber darf in Deutschland verklagt werden
Die Kurznachrichtenplattform X, vormals Twitter, muss einem internationalen Forschungsprojekt keinen Zugang zu ihren öffentlich einsehbaren Daten gewähren. Das LG Berlin II hob damit eine einstweilige Verfügung aus Februar 2025 gegen X wieder auf. Zur Begründung verwies es auf das Fehlen eines sogenannten Anordnungsgrundes. Die Wissenschaftler hätten zu lange gewartet, um einen einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Damit verneinte das Gericht die Dringlichkeit der beantragten Maßnahme.
Zugleich stellte das Gericht aber klar, dass internationale Forschungseinrichtungen ihren Anspruch auf Datenzugang aus dem Digital Services Act (DSA) auch in ihrem eigenen EU-Mitgliedstaat geltend machen können. Im konkreten Fall durfte also DRI mit Sitz in Berlin vor einem deutschen Gericht klagen. Eine insofern enorm wichtige Entscheidung vor allem für zukünftige Verfahren zu Art. 40 Abs. 12 DSA (LG Berlin II, Urteil vom 13.05.2025, Az. 41 O 140/25 eV).
Zugang zu Plattformdaten für Forschungsprojekte
Im Januar 2025 forderte die NGO DRI das Unternehmen X dazu auf, Zugang zu öffentlich zugänglichen Daten der Plattform zu gewähren. Die Daten sollten im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts zur Bundestagswahl ausgewertet werden. Konkret ging es um Informationen über Reichweiten, Likes und Teilungen politischer Inhalte. Diese Informationen sollten helfen, mögliche Beeinflussungen des Wahlkampfes aufzuklären. Unterstützt wurde das Projekt von der GFF.
X reagierte in der Folge jedoch nicht auf die Anfrage. Daraufhin beantragten die Forscher beim LG Berlin II eine einstweilige Verfügung. Sie stützten sich dabei auf Art. 40 Abs. 12 DSA. Diese Vorschrift verpflichtet große Online-Plattformen dazu, anerkannten Forschungseinrichtungen auf Antrag Zugang zu öffentlich verfügbaren Daten zu gewähren. Das Gericht entsprach dem Antrag zunächst und verpflichtete X durch Beschluss vom 6. Februar 2025 zur sofortigen Datenfreigabe. Die Entscheidung erfolgte ohne mündliche Verhandlung und beruhte auf einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage.
X legte Widerspruch gegen die Entscheidung ein. In der mündlichen Verhandlung am 13. Mai 2025 wurde der Fall erneut geprüft, diesmal ausführlicher und unter Beteiligung beider Parteien. Dabei stellte sich das LG Berlin II auf den Standpunkt, dass es an der Dringlichkeit fehle. Die Forscher hätten bereits Wochen vor dem Eilantrag Kenntnis von der Verweigerung gehabt und trotzdem gezögert, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Zugleich wies das LG jedoch ein Kernargument der Antragsgegnerin zurück: X hatte geltend gemacht, nur in Irland verklagt werden zu können. Dies begründete das Unternehmen mit dem Sitz seiner europäischen Niederlassung in Dublin. Das LG Berlin II widersprach dem ausdrücklich und erklärte sich für international zuständig. Forschungseinrichtungen könnten ihre Ansprüche in dem Mitgliedstaat geltend machen, in dem sie ihren Sitz haben. Dies sei entscheidend für die praktische Anwendbarkeit des DSA, denn eine Klage in Irland sei mit erheblichen Hürden und Kosten verbunden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Klägerseite kann innerhalb eines Monats nach Zustellung der Urteilsgründe Berufung beim Kammergericht Berlin einlegen.
Unterstützung bei Fragen zum Datenschutzrecht
Das Verfahren zeigt, wie komplex und bedeutsam der Zugang zu digitalen Plattformdaten für Wissenschaft und Gesellschaft ist. Auch wenn das Gericht den Antrag auf einstweilige Verfügung in der Sache zurückgewiesen hat, markiert die Entscheidung einen wichtigen Fortschritt bei der rechtlichen Durchsetzung des DSA. Gerade die Klärung der internationalen Zuständigkeit ebnet den Weg für zukünftige Klagen.
Unsere Kanzlei WBS.LEGAL ist auf das Datenschutz-, Medien- und Presserecht spezialisiert und unterstützt Mandanten u.a. in allen Fragen rund um die Rechte gegenüber Plattformbetreibern. Wenn auch Sie Unterstützung beim Zugang zu Daten benötigen oder sich gegen die Verweigerung von Auskünften wehren möchten, stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung zur Seite. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit unter 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit). Wir beraten Sie gerne umfassend und kompetent.
tsp




