„Alle 11 Minuten verliebt sich ein Single über Parship.“: Mit diesem Werbeslogan hat die Dating-Plattform Parship große Bekanntheit erlangt. Was, wenn dieses Versprechen tatsächlich einmal eingehalten wird? Haben Nutzer auf der Plattform Erfolg, wollen sie ihren Vertrag in der Regel schnell wieder kündigen. Doch geht das wirklich so einfach? Das OLG Hamburg schaute sich die Vertragsklauseln von Parship einmal genauer an.

Das Oberlandesgericht (OLG) Ham­burg hat einer Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) gegen die Dating-Plattform Parship teil­wei­se stattgegeben. In bestimmten Fällen ist die von Par­ship bis Ende 2022 ver­wen­de­ten Klau­sel zur au­to­ma­ti­schen Ver­trags­ver­län­ge­rung unwirksam. Parship darf die Verträge der Nutzer dann nicht automatisch zwölf Wochen vor Ablauf verlängern. Ein fristloses Kündigungsrecht erkennt das Gericht jedoch nicht an (Urt. v. 26.10.2023, Az. 3 MK 2/21).

Im Namen von 29 Parship-Kunden hatte der vzbv eine Musterfeststellungsklage wegen der Kündigungsmöglichkeiten bei Parship erhoben. Mehr als 1.200 weitere Verbraucher schlossen sich der Klage an. Hintergrund war unter anderem eine Klausel, die bis Ende Februar 2022 Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Parship war. Danach verlängerten sich alle Verträge automatisch um ein volles Jahr, sofern sie nicht zwölf Wochen vor Ablauf gekündigt wurden.

Was ist eine Musterfeststellungsklage?

Das Verfahren der Musterfeststellungsklage wurde im Jahr 2018 eingeführt und ermöglicht es, Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen bedeutsam sind, in einem Musterverfahren zu klären. Dies hat den Hintergrund, dass es für Verbraucher oft zu aufwändig ist, Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche individuell zu verfolgen, wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist. In solchen Fällen lassen qualifizierte Einrichtungen die Rechtsfragen klären. Das Urteil im Musterfeststellungsverfahren ist dann bindend für Verbraucher, die eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das beim Bundesamt für Justiz geführte Klageregister angemeldet haben. Die Durchsetzung der einzelnen Ansprüche obliegt sodann jedem Kläger für sich durch eine individuelle Geltendmachung bei Gericht.

Unzumutbare Kündigungsfrist

Der hier klagende vzbv war der Auffassung, dass es für die Nutzer von Parship unzumutbar sei, mindestens zwölf Wochen vor Ablauf des Vertrages kündigen zu müssen, sofern sie sich kein weiteres ganzes Jahr an die Plattform binden möchten. Dem schloss sich das OLG Hamburg nun – zumindest in Bezug auf Verträge mit einer Laufzeit von sechs bis zwölf Monaten – an. In solchen Fällen sei die Verlängerungsklausel wegen unangemessener Benachteiligung der Verbraucher unwirksam. Bei einer Laufzeit von 24 Monaten sei die zwölfwöchige Kündigungsfrist jedoch angemessen.

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Begründet hatte das Gericht die Entscheidung unter anderem mit dem Aspekt der Erfolgsbezogenheit. Wann sich jemand mithilfe der Plattform tatsächlich erfolgreich verliebt hat, sei natürlich nur sehr schwer zu sagen. Jedenfalls sei aber die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er dann kein Interesse mehr an dem Vertrag mit Parship hat. Die Situation sei auch nicht zu vergleichen mit einem Mobilfunkvertrag, bei dem der Kunde in der Regel nur kündige, weil er den Anbieter wechseln will.

Nachdem Parship im März 2022 aufgrund einer neuen Gesetzeslage seine AGB geändert hatte, kann die Mitgliedschaft bei nicht fristgerechter Kündigung nun monatlich beendet werden. 

Kein Recht auf fristlose Kündigung

Neben der konkreten Kündigungs- bzw. Verlängerungsklausel richtete sich die Musterfeststellungsklage des vzbv jedoch auch gegen die fehlende Möglichkeit der Verbraucher, den Vertrag jederzeit fristlos zu kündigen. Habe ein Kunde das Gefühl, seine Daten seien bei der Vermittlungsagentur nicht mehr in guten Händen, sei ein längeres Festhalten am Vertrag unzumutbar, so der vzbv. Bei seiner Argumentation berief sich der vzbv auf die Regelung des § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). 

Laut § 627 BGB ist eine fristlose Kündigung möglich, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Anbieter besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die Anwendung dieser Regelung auf Offline-Partnervermittlungsverträge anerkannt. Es handele sich dabei um Dienste höherer Art, die nur aufgrund besonderen Vertrauens übertragen würden, da der Kunde Auskünfte über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gibt. Das Vertragsverhältnis berühre insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimsphäre des Kunden. Für Online-Angebote hingegen ist die Anwendbarkeit des § 627 BGB noch nicht höchstrichterlich geklärt. In der unterinstanzlichen Rechtsprechung wurde die Frage bisher sehr unterschiedlich beurteilt.

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vzbv kündigt Prüfung einer Revision an

Im vorliegenden Urteil lehnte das OLG Hamburg die Anwendung des § 627 BGB auf Parship ab. Nach Ansicht des OLG sei eine Online-Dating-Plattform kein sogenannter Dienst höherer Art, wie etwa eine medizinische Behandlung, die man jederzeit kündigen könne. Schon im Juni 2021 habe der BGH außerdem entschieden, dass es sich bei Parship nicht um eine klassische Heiratsvermittlung mit Karteikarten handele, da die Partnervorschläge auf Algorithmen basierten.

Im Großen und Ganzen begrüßt die Dating-Plattform die aktuelle Gerichtsentscheidung. Der vzbv hingegen kündigte bereits an, eine Revision zu prüfen, sobald die Urteilsgründe vorliegen. Die Frage, ob den Nutzern ein fristloses Kündigungsrecht zusteht, wird also wohl erst der BGH endgültig entscheiden. Insofern ist das Prozessende noch offen.

ezo