Schluss mit irreführenden Mondpreisen! Der BGH hat der unübersichtlichen Rabattwerbung von Händlern einen klaren Riegel vorgeschoben. In einer aktuellen Entscheidung zum Discounter Netto stellte er klar: Wer mit Preisnachlässen wirbt, muss den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ angeben. Was das für Verbraucher und Händler bedeutet, erläutert Professor Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner der Kölner Kanzlei WBS.LEGAL:

So sah die Werbung konkret aus; Quelle: Wettbewerbszentrale.de

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am heutigen Donnerstag entschieden, dass bei der Werbung mit Preisermäßigungen der sogenannte Referenzpreis „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ angegeben werden muss (Urt. v. 09.10.2025, Az. I ZR 183/24).

RA Prof. Solmecke: „Das Urteil ist ein wichtiger Schritt für mehr Fairness und Transparenz im Einzelhandel. Verbraucher können sich freuen, denn das Urteil stärkt ihre Rechte. Echte Schnäppchen werden künftig leichter von Schein-Angeboten zu unterscheiden sein. Mein Tipp: Achten Sie bei Rabattaktionen genau darauf, welcher Referenzpreis angegeben ist. Ist dieser nur schwer zu finden oder unklar formuliert, seien Sie skeptisch, ob das ‚Angebot‘ wirklich ein solches ist.

Für Händler ist die Zeit der kreativen Preisdarstellung nun wohl vorbei. Der niedrigste Preis der letzten 30 Tage muss klar und in unmittelbarer Nähe zum Angebotspreis genannt werden. Weiterhin mit trickreichen Fußnoten und verwirrenden Sternchentexten zu werben, wird kaum noch möglich sein. Die BGH-Entscheidung legt fest, wie sie künftige Rabattankündigungen rechtssicher gestalten müssen. Bei Verstößen drohen teure Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände. Unternehmen sollten deshalb ihre Preisstrategien überdenken. Bislang ist allerdings lediglich die Pressemitteilung des BGH veröffentlicht. Welche Grundsätze der BGH darin genau für die transparente Werbung mit Preisermäßigungen aufgestellt hat, wird im bald öffentlich zugänglichen Urteilstext noch einmal präzisiert werden.“

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Der Fall: Ein Kaffee, zwei Preise und eine verwirrende Fußnote

Der Lebensmitteldiscounter Netto hatte den Kaffee Jacobs Krönung für 4,44 Euro angeboten. Daneben stand ein durchgestrichener Preis von 6,99 Euro, was einem Rabatt von satten 36 % entsprach. Der Haken an der Sache: Der Preis von 6,99 Euro wurde nur über eine winzige, hochgestellte Ziffer am Seitenende erklärt. Dort stand in kleiner Schrift: „Bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer: Jacobs Krönung 4.44 Euro“.

Tatsächlich kostete der Kaffee in der Vorwoche 6,99 Euro, in der Woche davor aber bereits 4,44 €. Der niedrigste Preis innerhalb der letzten 30 Tage war also der Aktionspreis selbst. Für Verbraucher war diese Information jedoch kaum zu erkennen. Die Wettbewerbszentrale sah darin eine Irreführung und klagte – mit Erfolg durch alle Instanzen.

Die Entscheidung: Klarheit vor Kreativität

Der BGH hat nun die Urteile der Vorinstanzen (LG Amberg, Urt. v. 29.01.2024, Az. 41 HK O 334/23 und OLG Nürnberg, Urt. v. 24.09.2024, Az. 3 U 460/24). Die Werbung des Discounters sei unzulässig, weil sie gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) und damit auch gegen § 5a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 5b Abs. 4 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) verstößt.

Seit dem 28. Mai 2022 gilt in Deutschland die verschärfte PAngV. Nach § 11 Abs. 1 PAngV muss bei jeder Rabattwerbung der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden, den der Händler in den letzten 30 Tagen vor der Werbung für das Produkt verlangt hat. Diese Pflicht soll sicherstellen, dass Verbraucher Rabatte richtig einschätzen können und dass Händler nicht kurz vor einer Aktion einen sogenannten Mondpreis setzen, um den Nachlass größer wirken zu lassen.

Der BGH stellt nun klar, dass diese Angabe nicht „in beliebiger Weise“, also etwa irgendwo in einer winzigen Fußnote am Seitenrand, versteckt werden darf. Sie müsse für Verbraucher „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sein. Das folge aus dem in § 1 Abs. 3 Satz 2 PAngV normierten Gebot der Preisklarheit. Indem Netto diese wesentliche Information quasi versteckt hatte, habe er Verbrauchern eine wesentliche Information vorenthalten und sie damit irregeführt.

Kein Einzelfall: Gerichte ziehen die Zügel an

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Die Entscheidung des BGH ist die logische Konsequenz einer Reihe von Urteilen, die seit der Einführung der neuen Regeln ergangen sind. Die Gerichte zeigen eine klare Tendenz, die Rechte der Verbraucher zu stärken und für mehr Preisklarheit zu sorgen:

  • OLG Nürnberg (Urteil vom 24.09.2024, Az. 3 U 460/24): Bereits in der Vorinstanz zum aktuellen BGH-Fall stellten die Nürnberger Richter fest, dass der Referenzpreis als wichtiger Bezugspunkt einer Ermäßigung für die Kundschaft „unschwer zu ermitteln“ sein müsse. Die Grenze des Zulässigen sei überschritten, wenn der Verbraucher aufgrund einer missverständlichen oder mit einer Kombination von mehrdeutigen oder unklaren Preisinformationen überfrachteten Darstellung über den tatsächlichen Umfang des Preisnachlasses im Unklaren gelassen werde.
  • Bereits zuvor hatte der EuGH im Verfahren gegen Aldi Süd (Urt. v. 26. 9. 2024, Rs. C-330/23) unmissverständlich klargestellt, dass sich auch nach der europäischem Preisangaben-Richtlinie, auf der die deutsche PAngV basiert, jeder beworbene Rabatt zwingend am niedrigsten Preis der vorausgegangenen 30 Tage bemessen müsse. Tatsächlich hatte der Discounter einen Preis kurz vor Angebotsbeginn als Referenz angegeben – diesen hatte Aldi jedoch kurz zuvor extra hochgesetzt, um mit dem Streichpreis ein besonders günstiges „Preis-Highlight“ zu fingieren.

Weitere ähnliche Verfahren laufen derzeit auch gegen Lidl und Edeka. 

ahe