Viele Amazon-Händler haben bereits eine kostspielige wettbewerbs- oder markenrechtliche Abmahnung kassiert, weil sie sich bei Amazon an Angebote anderer Händler angehängt haben. Die akute Abmahngefahr resultiert systembedingt aus der ASIN. Nun gibt es ein spannendes Urteil des OLG Kölns.

Wer auf der Marktplattform „Amazon Marketplace“ ein Produkt anbieten möchte, kommt nicht an einer sogenannten „ASIN“ vorbei. Dabei handelt es sich um die Amazon-Standard-Identifikationsnummer, welche nichts anderes als eine betriebsinterne Katalognummer eines Produktes auf Amazon darstellt und dafür sorgt, dass jedes Produkt nur einmal auf Amazon gelistet wird. Möchte ein weiterer Anbieter nun aber auch das identische, bereits gelistete Produkt verkaufen, muss er sich dem Erstanbieter anschließen. Vertreibt der Erstanbieter das Produkt allerdings unter einer eigenen Marke, begeht der neue Verkäufer durch dieses „Anschließen“ automatisch eine Markenverletzung und riskiert eine Abmahnung.

Warum dieses Konstrukt unter Umständen wettbewerbswidrig und sogar rechtsmissbräuchlich sein kann, hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln nun in einem Urteil entschieden.

Der zugrunde liegende Sachverhalt

Der Fall, den das OLG Köln hier zu entscheiden hatte, spielt sich auf dem besagten Amazon Marketplace ab. Die Antragstellerin – eine Anbieterin von Lebensmitteln und Getränken vorwiegend aus dem US-Import – ist Inhaberin der Wortmarke „lifestyledrinkz“, die für eine Vielzahl an Lebensmitteln eingetragen ist. Im September 2020 hat diese dann feststellen müssen, dass die jetzige Antragsgegnerin auf Amazon Bonbons und alkoholische Getränke (Bud Light) unter der Verwendung der Bezeichnung „lifestyledrinkz“ anbot.

Daher erwirkte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung des Landgerichts (LG) Köln, welche letztlich auch durch Urteil bestätigt wurde. Aufgrund dieses Urteils musste die Antragsgegnerin zunächst den Verkauf der betreffenden Produkte unter Angabe der Marke unterlassen.

Hiergegen wandte sie sich jedoch im Wege der Berufung vor dem OLG Köln. Mit dieser Berufung macht sie geltend, die Antragstellerin handle rechtmissbräuchlich, indem sie die Kennzeichnung der Angebote mit „lifestyledrinks“ bewusst dazu nutze, andere Wettbewerber von dem Vertrieb der Originalwaren amerikanischer Hersteller auszuschließen und sie so in ihrem Tätigwerden am Markt zu behindern.

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Unterlassungsanspruch besteht

Das OLG Köln als Berufungsinstanz hat diesen nicht ganz unkomplizierten Fall nun entschieden und gibt der Antragsgegnerin Recht.

Doch welche Überlegungen liegen der Entscheidung zugrunde?

Das OLG nahm an, dass zwar im Grunde ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin gem. § 14 MarkenG bestehe. Sie sei als Inhaberin der „lifestyledrinkz“ befugt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Neben der Zeichen- und Warenähnlichkeit, die für den Anspruch notwendig sind und hier auch gegeben seien, liege auch die markenmäßige Nutzung vor. Letztere lasse sich immer aus dem Blickwinkel der angesprochenen Verkehrskreise feststellen.

Der Verkehr sei in diesem Fall daran gewöhnt, dass als „Marke“ unter der Artikelbezeichnung auf Amazon die Marke des Produktes angegeben wird. Dies ergebe sich auch aus den Verkäuferbedingungen des Online-Marktplatzes, in denen festgelegt wird, dass eine Marke „kein anderer Name sein (darf), der nicht auf den Markenprodukten oder -verpackungen angegeben ist“.

Die betroffenen Produkte der Antragsgegnerin trugen hier zwar den Namen „Mike And Ike Mega Mix Candy“. Da als Marke darunter aber „lifestyledrinkz“ angeführt war, würden die Teile des Verkehrs, denen die Marke „Mike And Ike“ nicht bekannt ist, davon ausgehen, das Produkt stamme eben vom Inhaber dieser Marke. Die Marke würde somit als Herkunftshinweis genutzt.

So bestehe im Grunde ein Markenrechtsverstoß, der zu einem Unterlassungsanspruch seitens der Antragstellerin führe.

Wegen Rechtsmissbrauchs nicht durchsetzbar

Dieser Unterlassungsanspruch ist damit zwar gegeben, aufgrund von Rechtsmissbrauchs jedoch nicht durchsetzbar, so das OLG. Der Rechtsmissbrauch besteht nach Meinung der Richter aus Köln nämlich darin, dass die Antragstellerin die Eintragung der Marke in unlauterer Weise vorgenommen hat. Denn diese sollte allein dazu dienen, eine Sperrwirkung gegenüber Wettbewerbern zu entfalten und somit ein Mittel im Wettbewerbskampf darzustellen. Damit sei die Marke letztlich zweckentfremdet worden. Dieser Umstand begründe in Kombination mit dem entsprechenden Vorgehen der Markeninhaberin eine gezielte unlautere Behinderung der Antragsgegnerin gem. § 4 Nr. 4 UWG.

Aufgrund der ASIN-Regelung von Amazon müsse der zweite Anbieter eines Produktes sich an das bereits bestehende erste Produkt „anhängen“. Diese ASIN-Richtlinie sei im vorliegenden Fall zwar bereits dadurch umgangen worden, dass die Bezeichnung „lifestyledrinkz“ als Amazon-Marke angemeldet wurde, diese jedoch weder auf dem Produkt noch der Verpackung zu finden sei. Daraus lasse sich im Umkehrschluss aber auch ableiten, dass die Angabe einer Marke, die den Vorgaben der Amazon-Richtlinien widerspreche, nur den Zweck haben könne, Dritte am Wettbewerb zu hindern. Daher sei der grundsätzlich bestehende Unterlassungsanspruch aufgrund von rechtsmissbräuchlichem Verhalten in Form einer gezielten Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 4 UWG seitens der Antragstellerin nicht durchsetzbar.

Die Berufung der Antragsgegnerin war somit erfolgreich, ein Unterlassungsanspruch gegen sie wurde mangels Durchsetzbarkeit verneint.

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Der rechtliche Hintergrund und die Bedeutung der Entscheidung

Welche rechtlichen Grundsätze liegen der Entscheidung zugrunde und welche Bedeutung hat sie?

Die Einrede des Rechtsmissbrauchs hat grundsätzlich hohe Anforderungen. Das Markenrecht soll als Teil des Rechts des Geistigen Eigentums dazu dienen, dem Markeninhaber sowohl ein positives Nutzungsrecht, wie auch ein negatives Ausschließlichkeitsrecht zu gewährleisten. Das meint, dass der Inhaber einer Marke im Grundsatz alleinig entscheiden kann und soll, wer neben ihm zur Nutzung der Marke berechtigt ist. Gibt jemand ohne Zustimmung des Markeninhabers dessen Markennamen in eigener Nutzung für ähnliche oder identische Produkte oder Dienstleistungen an, riskiert er einen Markenrechtsverstoß und damit eine Abmahnung. Dies ist gerade im Onlinehandel eine sehr häufig vorkommende Problematik, die in den meisten Fällen nur mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gelöst werden kann.

Allerdings kann eine Marke nicht nur rechtmäßig angemeldet und genutzt werden. Sie bietet neben den vielen legitimen Vorteilen auch Möglichkeiten, den Wettbewerb in unlauterer Weise zu beeinträchtigen. Wie im hier dargestellten Fall des OLG Köln kann eine Marke vor allem im Onlinehandel auch dazu genutzt werden, Angebote zu monopolisieren und so etwaige Wettbewerbsteilnehmer zu behindern oder sogar auszuschließen. Dies geschieht im Einzelnen oftmals durch Abmahnungen, die auf die Verletzung eines Markenrechts gestützt werden. In manchen Fällen wurde die vermeintlich verletzte Marke allerdings allein aus dem Grund eintragen lassen, um im Nachhinein derartige Abmahnungen gegenüber Konkurrenten aussprechen zu können. Ein solches Vorgehen kann nicht selten einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellen, der den Abgemahnten seinerseits zur Abmahnung oder eben zur Geltendmachung des Rechtsmissbrauchs im Streitfall befähigen kann. 

Was kann in einem solchen Fall getan werden?

Erhält man eine markenrechtliche Abmahnung, sollte man diese keinesfalls unbedacht unterzeichnen und sich damit zur strafbewehrten Unterlassung verpflichten.

Es ist in jedem Fall ratsam, sich fachkundige Hilfe zu holen. Diese Hilfe bieten vor allem Rechtsanwaltskanzleien wie unsere Kanzlei Wilde Beuger Solmecke, indem wir als Anwälte den Sachverhalt aus rechtlicher Sicht prüfen und einschätzen. So waren wir unter anderem auch zeitweise in dem hier vorgestellten Fall tätig. Durch eine entsprechend fachkundige Prüfung fällt ein rechtsmissbräuchliches Nutzen einer Marke zu wettbewerbswidrigen Zwecken in der Regel schnell auf.

Oftmals gibt es sogar bei einem tatsächlich gegebenen Markenrechtsverstoß die Möglichkeit, eine modifizierte (also abgeschwächte) Unterlassungserklärung abzugeben und sich mit der Gegenseite zu einigen.

In jedem Fall sollte von einer pauschalen Unterzeichnung vorgefertigter Unterlassungserklärungen abgesehen werden.

kvn