Neben dem Hauptverfahren zur Spiegel-Berichterstattung im Fall Till Lindemann ist nun ein Ableger der Streitigkeit entschieden worden. Während dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel in der Hauptsache bestimmte Passagen untersagt worden sind, beanstandete das Magazin nun wiederum erfolgreich Passagen einer Pressemitteilung der Kanzlei Schertz Bergmann, die Lindemann gerichtlich vertritt. Auch in einem Rechtsstreit zwischen der SZ und dem Rammstein-Frontsänger erzielt die SZ nun einen Erfolg.

Mitte Juli hatte sich die Kanzlei Schertz Bergmann zum Beschluss des Landgerichts (LG) Hamburg (Beschl. v. 14.07.2023, Az. 324 O 228/23) geäußert, durch den dem Spiegel bestimmte Passagen der eigenen Berichterstattung untersagt wurden, da diese den Eindruck erweckten, Till Lindemann habe die „Row Zero“-Frauen bei Rammstein-Konzerten durch Beigabe von K.O.-Tropfen zum nicht einvernehmlichen Sex gefügig gemacht. Gegen einen Satz der Pressemitteilung vom 17.07.2023 klagte der Spiegel zunächst auf Unterlassung – letztendlich mit Erfolg. In einer anderen Sache lieferte sich auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) einen Presserechtsstreit mit Till Lindemann. Auch diese verzeichnete nun einen Sieg vor dem LG Frankfurt.

Spiegel vs. Schertz Bergmann: „Zwei falsche Tatsachenbehauptungen“?

Beanstandet wurde im Rechtsstreit des Spiegels gegen die Kanzlei Schertz Bergmann konkret die Passage der Pressemitteilung, in der die Kanzlei verlauten ließ: „Darüber hinaus wurden dem SPIEGEL zwei falsche Tatsachenbehauptungen untersagt”. In seinem ersten Beschluss sah das LG Hamburg hierin noch keine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts des Spiegels (Beschl. v. 14.08.2023, Az. 324 O 293/23). Die Äußerung sei mehrdeutig. Einerseits könne man sie als Tatsachenbehauptung auffassen; diese wäre allerdings unwahr, da der Spiegel seinerseits im Hauptverfahren keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern eine unzulässige Verdachtsberichterstattung streichen musste, die am nötigen Mindestbestand von Beweistatsachen scheiterte. Insofern wäre sie jedenfalls zu untersagen gewesen.

Andererseits sei die Aussage aber auch als Wertung und damit als Meinungsäußerung zu verstehen, vor allem da sie im Kontext der Mitteilung neben anderen wertenden Passagen stand. Da die Kanzlei in einem späteren Schreiben klargestellt habe, die Aussage nur wertend gemeint zu haben, sah die Kammer allerdings keine Wiederholungsgefahr und damit keine einklagbare Verletzung des Spiegels.

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Sofortige Beschwerde: Nun doch Wiederholungsgefahr

Erst durch die sofortige Beschwerde des Spiegels änderte das Gericht seinen eigenen Beschluss ab und bejahte einen Unterlassungsanspruch (Beschl. v. 31.08.2023, Az. 324 O 293/23). Die Kammer nahm nun doch eine Wiederholungsgefahr an.

Der Grund: Schertz Bergmann habe die Pressemitteilung nach dem klarstellenden Schriftsatz, der wohl das Versprechen enthielt, solche zweideutigen Aussagen in Zukunft zu unterlassen, dennoch unverändert verbreitet. Damit könne von der für das Entfallen der Wiederholungsgefahr erforderlichen ernsthaften und inhaltlich ausreichenden Erklärung nicht mehr ausgegangen werden, denn eine solche hätte auch eine Veränderung der verbreiteten Pressemitteilung erfordert. Die Kanzlei hätte sich also bemühen müssen, die zweideutige Aussage ernsthaft und ausreichend klarzustellen. Nun könne nur noch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sicherstellen, dass Schertz Bergmann die Verbreitung der Aussagen in Zukunft unterlasse. Da eine solche nicht erfolgt sei, sah sich das Gericht gezwungen, den Entfall der Widerholungsgefahr zurückzunehmen und verpflichtete die Kanzlei im Ergebnis zur Unterlassung. Somit bekam der Spiegel letztlich doch Recht.

Kanzlei als richtiger Klagegegner

Im vorherigen Beschluss offengelassen, beantwortet das Gericht nun auch die Frage, warum Schertz Bergmann als Anwaltskanzlei überhaupt selbst als Klagegegner in Betracht kam. Schließlich vertritt sie in der Sache um die Spiegel-Berichterstattung ihren Mandanten Till Lindemann. In diesem Fall allerdings verwies das LG auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 15.01.2019, Az. VI ZR 506/17) und führte aus, dass die Kanzlei in diesem Fall über ihre Funktion als „Sprachrohr“ des Mandanten hinaus gegangen sei. Das ergebe sich aus einer Gesamtschau der Pressemitteilung, in der die Verfasser zwar mit den Worten „Als Rechtsanwälte von Till Lindemann“ einleiten, danach allerdings auch allgemeine Ausführungen zur Berichterstattung in der Sache trafen. Damit trat die Kanzlei selbst und nicht nur als Mandatsträger in den Vordergrund, weshalb sie wirksam verpflichtet werden konnte.

Die Pressemitteilung ist inzwischen unwiderruflich gelöscht. Sie wurde zwar bereits vor dem zweiten Beschluss entfernt, allerdings zu spät, um den Beschluss noch abzuwenden, so das LG. Die Kanzlei versichert derweil, Widerspruch gegen den Beschluss einzulegen. Ebenfalls werde man den Spiegel zur Erhebung der Klage in der Hauptsache auffordern, denn der Fall bedürfe „in mehrfacher Hinsicht einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof“. Zum einen betreffe dies die Frage, ob die Kanzlei hier eine ausreichende und ernsthafte Klarstellung abgegeben hat und zum anderen, inwiefern die Kanzlei für Presseerklärungen im Zusammenhang mit Mandaten haftet.

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Sieg der Süddeutschen Zeitung

Auch die SZ kann einen Sieg in ihrem Rechtsstreit gegen Till Lindemann verzeichnen. Letzterer war gerichtlich gegen einen Artikel der SZ von Juni dieses Jahres vorgegangen, in dem die Vorwürfe gegen Lindemann und rund um die Band Rammstein erstmals umfassend öffentlich gemacht wurden. Konkret wurde darüber berichtet, dass mehrere Frauen dem Rammstein-Sänger Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vorwerfen. Darüber hinaus wurde erstmals das sogenannte „Casting-System“ beschrieben, mit dem vor und nach den Rammstein-Konzerten regelmäßig junge Frauen für Partys und Sex mit dem Frontsänger rekrutiert wurden.

In ihrem Unterlassungsbegehren argumentieren Lindemanns Anwälte, dass die im Bericht der SZ beschriebenen sexuellen Handlungen einvernehmlich gewesen seien und damit in die Intimsphäre des Sängers fielen. Diese sei durch die Berichterstattung der SZ verletzt worden. Außerdem sei der Artikel unausgewogen und vorverurteilend gewesen. Aus diesen Gründen sollte eine derartige Berichterstattung verboten werden.

Überragendes öffentliches Informationsinteresse

Anfang September wies das LG Frankfurt das Unterlassungsbegehren zugunsten der SZ vollumfänglich zurück. Begründet hatte das Gericht sein Urteil vor allem mit dem „überragenden öffentlichen Informationsinteresse an dem Castingsystem des Klägers und seiner Band Rammstein sowie an konkreten Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen weibliche Fans“ – insbesondere „unter Präventionsgesichtspunkten“. Die SZ habe zudem glaubhaft machen können, dass sie vor der Veröffentlichung des Artikels „in ausreichendem Maße Anstrengungen unternommen hat, um die Richtigkeit der Angaben zu verifizieren“. Die Journalisten hätten also sorgfältig gearbeitet und umfangreich recherchiert.

Der Bericht sei laut LG Frankfurt auch ausgewogen. Lindemann sowie seine Band hätten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Außerdem sah das Gericht es unproblematisch an, dass in dem SZ-Bericht die Schilderungen zweier betroffener Frauen zitiert wurden und – da es keine weiteren Zeugen der Situation gab – schließlich Aussage gegen Aussage stehe. Würde man davon ausgehen, „dass immer dann, wenn es aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls nur eine Zeugin geben kann, der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen nicht vorliegt, würde dies dazu führen, dass über einen möglichen Vorfall wie den vorliegenden nie berichtet werden dürfte“, so die Begründung des Gerichts. Daneben führe auch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Lindemann nicht zu einer Unzulässigkeit der Berichterstattung. Lindemanns Anwalt hält das Urteil jedenfalls für fehlerhaft und kündigte bereits an, in Berufung gehen zu wollen.

the/ezo