Ein Österreicher gewann vor Gericht gegen ein maltesisches Online-Casino – doch Malta führte kurzerhand ein Gesetz ein, um die Vollstreckung zu blockieren. Möglicherweise kommt nun Malta aber der EuGH in die Quere: Der EU-Generalanwalt jedenfalls würde die Blockade aushebeln und tausenden Spielern in Europa den Weg zur Rückforderung ihrer Verluste ebnen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) könnte bald die Tür für Spieler öffnen, die ihre Verluste von ausländischen Online-Casinos zurückfordern. Ein österreichischer Verbraucher siegte zwar vor Gericht, doch Malta versucht, die Vollstreckung per Gesetz zu verhindern. Der Generalanwalt des EuGH, Nicholas Emiliou, empfiehlt nun eine Methode, um dieses Blockade-Gesetz auszuhebeln. Die Empfehlung könnte Glücksspielschuldner weltweit vor zahlungsunwilligen Konzernen schützen (Schlussanträge v. 30.10.2025, Az. C 198/24).

Folgt der EuGH den Schlussanträgen, würde dies die Hürden für die grenzüberschreitende Pfändung von Forderungen gegen Online-Casinos deutlich senken. Emiliou spricht sich dafür aus, dass ein EU-Mitgliedstaat die Vollstreckung rechtskräftiger Urteile aus anderen EU-Ländern nicht durch eigene Gesetze blockieren dürfe. Die Empfehlung betrifft die Voraussetzungen für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung. Sie stärkt die Position europäischer Verbraucher massiv. Der EuGH wird aufgefordert, die Vollstreckung von rechtskräftigen Rückzahlungsurteilen gegen Glücksspielanbieter europaweit zu garantieren.

Die spannende Geschichte, die diesem Antrag zugrunde liegt, zeigt, wie weit Glücksspielunternehmen gehen, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen.

Die Geschichte eines österreichischen Spielers und seines verlorenen Geldes

Ein österreichischer Staatsbürger verlor im Laufe der Jahre 62.878 Euro an den Online Glücksspielanbieter Mr. Green. Dieser Anbieter hat seinen Hauptsitz in Malta. Malta ist besonders wegen der vergleichsweise geringen Steuern und des niedrigeren Verbraucherschutzes (als etwa in Deutschland) attraktiv als „Casinoland“. Die Anbieter agieren dementsprechend auf nach maltesischem Recht erteilten Glücksspiellizenzen. Ihre Angebote richten sich aber dennoch an zahlungskräftigere österreichische bzw. deutsche Nutzer. Sie verfügen jedoch meist keine mit österreichischem bzw. deutschem Recht kompatible Lizenzen. Das Casino in diesem Fall besaß zum Zeitpunkt der Spiele ebenfalls keine gültige Lizenz für den Betrieb in Österreich. Daher waren die Glücksspielverträge nach österreichischem Recht nichtig. Der Spieler hatte damit das Recht, seine gesamten Spieleinsätze vom Unternehmen zurückzufordern.

Der österreichische Verbraucher klagte auf Rückzahlung der gesamten Summe. Das zuständige Gericht in Österreich gab dem Spieler in vollem Umfang Recht. Die Forderung über 62.878 Euro war somit rechtskräftig festgestellt. Nach diesem Urteil hätte der Glücksspielanbieter die Zahlung leisten müssen. Das in Malta ansässige Casino verweigerte jedoch die Zahlung und verzögerte das Verfahren. Die eigentliche Eskalation begann, als Malta den Artikel 56A in sein Glücksspielgesetz einfügte. Dieses neue Gesetz sollte maltesische Gerichte daran hindern, Urteile zur Rückzahlung von Spieleinsätzen aus dem EU-Ausland anzuerkennen. Das in Österreich erstrittene Urteil des Spielers drohte dadurch, in Malta wertlos zu werden.

Um seine Forderung dennoch zu sichern, beantragte der Spieler beim Landesgericht (LG) für Zivilrechtssachen Wien einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung. Mit diesem Beschluss wollte er die Bankkonten des Unternehmens in anderen EU-Mitgliedstaaten pfänden. Das LG für Zivilrechtssachen Wien sah sich außerstande, hierüber zu entscheiden. Das Gericht legte die Frage daher dem EuGH zur Klärung vor.

Die europäische Antwort auf die Vollstreckungshindernisse

Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung bildet die Verordnung über den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (EU Verordnung Nr. 655/2014). Mit dieser Verordnung soll die Eintreibung von Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen grenzüberschreitend erleichtert werden. Das wichtigste Kriterium für den Erlass eines solchen Pfändungsbeschlusses ist das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr. Dies bedeutet, dass die Vollstreckung ohne sofortige Pfändung unmöglich oder sehr erschwert sein muss. Das Gericht in Wien wollte nun vom EuGH wissen, ob das maltesische Gesetz allein diese Gefahr begründen könne.

Der Generalanwalt Nicholas Emiliou argumentierte in seinen Schlussanträgen nun, dass die Bedingung der tatsächlichen Gefahr nicht nur bei einem subjektiven Verhalten des Schuldners vorliege. Es sei also nicht zwingend erforderlich, dass das Casino aktiv Vermögenswerte verschiebe oder verstecke. Vielmehr könne die Gefahr auch objektiv vorliegen – und zwar auch in der Form eines neuen Gesetzes wie hier das neue maltesische Glücksspielgesetz. Dieses Gesetz blockiere die Anerkennung und Vollstreckung von Rückzahlungsurteilen in Malta systematisch. Die erfolgreiche Eintreibung von Forderungen sei dadurch in erheblichem Maße gefährdet. Ein rechtskräftiges EU-Urteil dürfe nicht durch ein nationales Gesetz eines anderen Mitgliedstaates wirkungslos werden.

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union habe Vorrang. Der Europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung sei genau für diese Situationen geschaffen worden. Er diene als wirksames Instrument zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen in Europa. Der Generalanwalt empfiehlt dem EuGH die Klarstellung. Das LG für Zivilrechtssachen Wien solle den Europäischen Pfändungsbeschluss erlassen können.

Diese Schlussanträge könnten eine Zäsur im Kampf gegen illegales Online-Glücksspiel darstellen. Sie bestätigen, dass europäisches Recht der stärkste Verbündete der Verbraucher ist. Es kann nationalen Gesetzen entgegenwirken, die das Recht auf Rückzahlung aushebeln wollen. Das Urteil wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2026 folgen.

Auch ein Verfahren des BGH beim EuGH anhängig

Dieses Vorabentscheidungsersuchen gehört zu einer Reihe von Rechtssachen, die Online-Glücksspiele betreffen, die von in Malta niedergelassenen Unternehmen angeboten werden. Viele Casino-Anbieter versuchen derzeit, ihre Angebote rückwirkend über das Europarecht zu legalisieren. So hat ein maltesisches Gericht am 11. Juli 2023 ein Verfahren zum EuGH gebracht, in dem geklärt werden soll, ob Deutschland überhaupt solche Spiele verbieten durfte. Fragen des Glücksspielrechts beschäftigen den EuGH außerdem in weiteren deutschen Sachverhalten. Allein vom deutschen Bundesgerichtshof (BGH) liegen mittlerweile mindestens zwei Verfahren beim EuGH zum Thema Glücksspielrecht vor. Eine betrifft ebenfalls einen maltesischen Online-Poker-Anbieter.

Hintergrund ist, dass Online-Glücksspiele in Deutschland bis zum 30. Juni 2021 bis auf wenige Ausnahmen – anders als Sportwetten – gänzlich verboten waren. Ab dem 1. Juli 2021 wurde mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag 2021 das Totalverbot zwar gelockert, erlaubt sind Online-Glücksspiele aber weiterhin nur, wenn der Anbieter über eine in Deutschland gültige Lizenz verfügt. Eine maltesische Lizenz allein reicht allerdings nach herrschender Meinung der Juristen und deutschen Gerichte nicht dafür aus, um auf dem deutschen Markt rechtmäßig Glücksspiele anzubieten. Dafür braucht es eine deutsche Lizenz, über die die meisten Anbieter derzeit nicht verfügen. Aus diesem Grund gehen viele Spieler davon aus, dass die Verträge mit diesen Anbietern nichtig sind und fordern ihr Geld zurück. Der maltesische Anbieter beruft sich darauf, dass die deutschen Verbote nichtig waren. Deswegen hat der BGH hier dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Verbot im alten Glücksspielstaatsvertrag unionsrechtskonform war (Beschl. v. 10.01.2024, Az. I ZR 53/23).  

Der EuGH hat außerdem einige Vorlagefragen in einer weiteren deutschen Sache zu beantworten, die beim BGH liegt (Urt. v. 25. Juli 2024, Az. I ZR 90/23; EuGH, Rs. C-530/24). Hier geht es um die Frage, ob Verträge, die Spieler mit Online-Sportwettenanbietern geschlossen haben, wegen eines Verstoßes gegen das Glücksspielverbot nichtig sind oder ob dem die EU-Dienstleistungsfreiheit widersprechen könnte. Der BGH jedenfalls tendiert in dieser Frage klar zu einer verbraucherfreundlichen Sicht und sieht diese Verträge als nichtig an. Hintergrund ist, dass es auch für deutsche Online-Sportwettenanbieter lange Zeit nicht möglich war, eine deutsche Lizenz für Online-Glücksspiel zu erhalten und solche Anbieter zumindest zeitweilig illegal agierten.  

ptr

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