Beim Fußball-Derby Magdeburg gegen Duisburg hatten sich einige Magdeburger Fans eine Choreografie in den Vereinsfarben ausgedacht und zu diesem Zweck weiße Regencapes übergezogen. Die Polizei ging jedoch davon aus, dass die Fans unter den Regencapes Pyrotechnik ins Stadion schmuggeln wollten. Der Zugang zur Arena wurde daraufhin gesperrt. Um weiter hinten Wartende über die Lage aufzuklären, twitterte die Polizei ein Bild der Situation. Eine Frau, die sich auf dem Bild wiedererkannte, sah sich daraufhin in ihren Grundrechten verletzt und klagte. Nun muss das OVG Münster in zweiter Instanz über den Fall entscheiden.

Am 13.10.2022, muss das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster die Frage entscheiden, ob die Polizei mit einem Foto auf Twitter vor einem Stau bei Eilasskontrollen im Fußballstadion warnen durfte (Az. 5 A 2808/19).

Im Februar 2017 stand ein Fußballspiel der Bundesliga-Drittligisten 1. FC Magdeburg und MSV Duisburg an. Die Polizei hatte das Match im Vorfeld als Risiko-Spiel eingeschätzt und befürchtete den Einsatz von verbotener Pyrotechnik durch Fans beider Clubs. Am Eingang der Schauinsland-Reisen-Arena in Duisburg wurde daher am Eingang für die Magdeburger Fans eine Kontroll- und Sicherheitsschleuse eingerichtet. An dieser Sicherheitsschleuse kam es nun zum Stau. Grund waren rund 100 Fans des Gast-Vereins, die sich weiße Regencapes übergezogen hatte, um damit im Stadion eine Performance in den Vereinsfarben weiß und blau durchzuführen.

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Regencapes trotz Sonnenschein – Einsatzleiter vermutet Trick

Diese Performance war allerdings im Vorfeld nicht angemeldet worden, außerdem herrschte zwar zum Teil bewölktes, aber trockenes Wetter. Der Einsatzleiter vermutete daher, dass die Capes dazu dienten, illegale Pyrotechnik in die Arena zu schmuggeln. Hierfür sprach aus seiner Sicht auch der Umstand, dass die Capes so beschaffen waren, dass sie erstens nicht geöffnet und ihre Träger zweitens nicht identifiziert werden konnten. Die Polizei sperrte den Zugang daraufhin ab, um die Fans kontrollieren zu können. Diese weigerten sich jedoch auch nach Aufforderung, die Capes abzulegen. Gleichzeitig strömten von hinten immer mehr Fans nach; einige drohten, den Eingang zu stürmen. Die Polizei reagierte mit der Androhung eines Wasserwerfer-Einsatzes.

Um 17.44 twitterte die Polizei:“ #MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern“. Der Tweet enthielt außerdem ein um 17.36 aufgenommenes Foto, das die Situation illustrieren sollte. Zu sehen waren darauf größtenteils mit Capes bekleidete Personen.

Fotografierte Frau fühlt sich stigmatisiert

Eine Frau behauptete jedoch, schon mehrfach auf das Foto angesprochen worden, auf diesem folglich erkennbar zu sein. Durch den ungefragten Tweet des Fotos sah sie sich daher in ihren Grundrechten verletzt, da sie in ihm als eine Person dargestellt werden, die berechtigte polizeiliche Maßnahmen verhindere. Sie klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, um feststellen zu lassen, dass der Tweet rechtswidrig war. Das Gericht wies die Klage allerdings ab, da die Klägerin schon kein Feststellungsinteresse geltend machen könne: So bestehe wegen der äußerst spezifischen Einsatzsituation keine Wiederholungsgefahr. Auch sei von dem sei von dem Tweet keine Stigmatisierung ausgegangen, da es hierfür nicht genüge, von einigen Personen auf das streitgegenständliche Bild angesprochen zu werden. Schließlich sei die Frau auch nicht in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG verletzt, da es sich bei einer Warteschlange nicht um eine grundgesetzlich geschützte Versammlung handele.

Verwaltungsgericht: Polizei durfte über Situation aufklären

Wegen des fehlenden Feststellungsinteresses hätten die Richter gar nicht mehr in der Sache über die Rechtmäßigkeit des Tweets zu entscheiden brauchen, machten hierzu aber gleichwohl einige Bemerkungen: Hiernach sei der Tweet in jedem Fall rechtmäßig gewesen. Denn die Polizei beabsichtigte vor allem, durch das Medium die weiter hinten in der Schlange wartenden Fans zu erreichen, um sie über Umstände und Ursachen der Stockung zu informieren und so eine weitere Eskalation zu vermeiden. Damit handelte die Polizei nach Überzeugung der Richter im Sinne der öffentlichen Sicherheit. Auch habe die Polizei nicht gegen das Gebot verstoßen, ausschließlich sachlich und inhaltlich korrekt zu berichten, da die Einschätzung, dass die Capes zum Schmuggeln von Pyrotechnik eingesetzt würden, nicht ferngelegen habe. Neben der fehlenden Anmeldung der Choreografie und dem guten Wetter war hierbei für die Richter vor allem entscheidend, dass die Capes auch ohne weiteres erst nach Passieren der Einlasskontrolle hätten übergezogen werden können. Des Weiteren sei aus der Formulierung „einige Fans“ auch klar hervorgegangen, dass die Polizei nicht alle Wartenden unter Generalverdacht gestellt, sondern hier durchaus differenziert habe.

OVG entschied bereits zu Twitternutzung durch Polizei

Diese abschlägige Entscheidung wollte die betroffene Frau nicht hinnehmen und zog vor das OVG Münster. Dieses muss nun entscheiden, ob es die Auffassung der Verwaltungsrichter teilt. Dabei ist es nicht das erste Mal, dass sich die Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsrichter zur Twitternutzung durch die Polizei einlassen müssen. So hatten 2019 Demonstrationsteilnehmer geklagt, die auf getwitterten Fotos der Polizei zu erkennen waren. Damals entschied das OVG (Urt. v. 17.09.2019, Az. 15 A 4753/18), dass die Tweets rechtswidrig waren. Eine Prognose für die jetzige Entscheidung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Denn anders als die Wartenden vor einer Einlasskontrolle können sich Demonstrationsteilnehmer auf die Versammlungsfreiheit berufen. Außerdem trugen die Demonstrationsteilnehmer 2019 keine Capes und waren auf dem Foto daher zu erkennen. Diese beiden Aspekte spielten eine wichtige Rolle für die gerichtliche Entscheidung: Hiernach würden Polizisten, die Fotografieren den Eindruck einer Überwachung der Demonstration hervorrufen und daher einschüchternd auf die Teilnehmer wirken.

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jko