Ein belgischer Fußballverein wollte sich nicht mit einer Entscheidung des CAS abfinden. Jetzt hat der EuGH entschieden, dass nationale Gerichte solche Schiedssprüche prüfen dürfen. Das wird weitreichende Folgen für den internationalen Sport haben. Der CAS jedenfalls verliert an Macht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass staatliche Gerichte in der Europäischen Union Schiedssprüche des Internationalen Sportgerichtshofs (Court of Arbitration for Sport, CAS) rechtlich kontrollieren dürfen. Selbst wenn solche Entscheidungen durch ein Gericht außerhalb der EU, etwa das Schweizer Bundesgericht, bestätigt wurden, darf die Überprüfung nicht ausgeschlossen sein. Hintergrund des Urteils ist ein Streit des belgischen Fußballvereins Royal Football Club Seraing (RFC Seraing) mit dem Weltfußballverband FIFA. Der EuGH betont, dass effektiver gerichtlicher Rechtsschutz ein Grundpfeiler des Unionsrechts sei und dies auch für Klubs und Sportler gelte (EuGH, Urteil vom 1. August 2025, Rechtssache C-600/23).
Belgischer Verein erzwingt EuGH-Entscheidung
Der Ausgangspunkt des Falls liegt bereits einige Jahre zurück. Im Jahr 2015 schloss der RFC Seraing, ein Verein aus der Nähe von Lüttich, mehrere Verträge mit dem maltesischen Unternehmen Doyen Sports. Die Vereinbarungen sahen vor, dass Doyen wirtschaftliche Anteile an den Transferrechten mehrerer Spieler des Klubs erhalte. Die FIFA sah in diesen sogenannten Third-Party Ownership-Verträgen einen Verstoß gegen ihre Regularien.
Daraufhin belegte der Weltverband den RFC Seraing mit einer Transfersperre und einer Geldstrafe. Der Verein wehrte sich gegen die Sanktionen zunächst beim CAS in Lausanne. Doch das Schiedsgericht bestätigte die Entscheidung der FIFA und wies die Beschwerde des Klubs zurück.
Auch das Schweizer Bundesgericht, das aufgrund des Sitzes des CAS in der Schweiz für die Überprüfung von dessen Schiedssprüchen zuständig ist, bestätigte das Urteil. Es sah keine formellen Verfahrensfehler, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs gerechtfertigt hätten.
Der RFC Seraing war jedoch überzeugt, dass die FIFA-Regelungen gegen elementare Prinzipien des Unionsrechts verstoßen. Deshalb klagte der Verein vor belgischen Gerichten. Diese erklärten sich für unzuständig, da der CAS-Spruch bereits durch das Schweizer Bundesgericht rechtskräftig bestätigt worden sei. Der belgische Kassationshof legte den Fall dann aber dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Nationale Gerichte dürfen CAS-Urteile überprüfen
Und das nun ergangene Urteil des EuGH hat Sprengkraft. Denn das höchste europäische Gericht urteilte, dass nationale Gerichte nicht daran gehindert werden dürfen, Schiedssprüche des CAS auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu überprüfen. Entscheidend sei, dass Sportler oder Klubs durch Regelungen eines Sportverbands verpflichtet wurden, sich einem bestimmten Schiedsgericht ohne echte Wahlfreiheit zu unterwerfen.
Sportverbände wie die FIFA dürften sich nicht hinter der formalen Rechtskraft eines Schiedsspruchs verstecken, wenn damit Grundrechte von Personen innerhalb der EU betroffen seien. Die Möglichkeit einer rechtlichen Kontrolle müsse auch dann bestehen, wenn der Schiedsspruch außerhalb der EU, wie hier durch ein Schweizer Gericht, bestätigt worden seien.
Die Richter betonten, dass ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz nach Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu gewährleisten sei. Zudem verwiesen sie auf Artikel 19 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union. Nationale Gerichte müssten in der Lage sein, CAS-Entscheidungen auf Antrag der Betroffenen oder sogar von Amts wegen umfassend zu überprüfen, wenn unionsrechtlich geschützte Positionen betroffen seien.
Auch einstweiliger Rechtsschutz und Vorabentscheidungsverfahren an den EuGH müssten möglich sein. Eine nationale oder sportrechtliche Regelung, die das verhindere, dürfe nicht angewendet werden. Vielmehr seien staatliche Gerichte verpflichtet, solche Normen unangewendet zu lassen, um dem Vorrang des Unionsrechts Geltung zu verschaffen.
Für den RFC Seraing bedeutet die Entscheidung nun eine neue Chance. Nach mehr als zehn Jahren juristischen Ringens darf der belgische Klub nun doch noch darauf hoffen, dass seine Argumente inhaltlich geprüft werden. Der Fall wird nun an das nationale belgische Gericht zurückverwiesen.
Das Urteil des EuGH stellt aber vor allem über den Einzelfall hinaus eine Zäsur im internationalen Sportrecht dar. Es beendet den Zustand, dass Sportverbände durch verpflichtende Schiedsgerichtsbarkeit weitgehend einer gerichtlichen Kontrolle entzogen waren. Sportler sowie Vereine haben nun die Möglichkeit, sich auf ihre unionsrechtlich garantierten Rechte zu berufen und diese auch vor einem unabhängigen staatlichen Gericht durchzusetzen. Ein enormer Einflussverlust für den so oft im Fokus stehenden CAS. Das urteil ist schlussendlich ein Sieg für alle, die vom CAS ungerecht behandelt wurden. Allerdings kann nun ein europäischer Flickenteppich entstehen, denn die Gerichte der nationalen Länder dürften künftig völlig uneinheitlich urteilen. Genau dieses Szenario wollte man ursprünglich mit dem CAS verhindern. Es bleibt zunächst aber abzuwarten, welche Auswirkungen das EuGH-Urteil künftig wirklich haben wird.
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tsp