Zum Thema Filesharing hat das Oberlandesgericht Köln am 21.07.2010 die unten veröffentlichte Entscheidung getroffen. Wenn Sie rechtliche Fragen zum Thema haben oder einen Rechtsanwalt benötigen, rufen Sie uns an 0221 / 951 563 0 (Beratung bundesweit).

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Konkret hat das Oberlandesgericht Köln folgendes entschieden:

Die Beschwerde gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 213 O 63/10 – vom 02.03.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

G r ü n d e :

I. Der Antragsteller ist Miturheber, Interpret und Tonträgerhersteller zweier umfangreicher Musikalben und der Musikwerke des Anfang Februar 2010 in Deutschland angelaufenen Kinofilms “Zeiten ändern dich”. Auf seinen Antrag hat das Landgericht Köln der beteiligten Internet-Service-Providerin gestattet, ihm unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer zu erteilen, denen zu bestimmten Zeitpunkten näher bezeichnete IP-Adressen zugewiesen waren; nach seinen Angaben waren seine Musikwerke von dort aus zwischen dem 11. und 15.02.2010 ohne seine Zustimmung über sogenannte Internet-Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht worden. Mit seinem am 28.04.2010 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel wendet sich der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss.

II. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob nach erfolgter Auskunft des Internetserviceproviders über den Nutzer einer bestimmten dynamischen IP-Adresse gegen die richterliche Gestattung der Auskunftserteilung die gegebenenfalls im Wege eines Fortsetzungsfeststellungsantrags (§ 62 FamFG) geltend zu machende Beschwerde (§ 101 Abs. 9 S. 4, 6 und 7 UrhG, §§ 59 ff. FamFG) des benannten Nutzers stattfindet. Soweit unter Nr. 5 der angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen worden ist, dass der Senat mit Beschluss vom 05.05.2009 – 6 W 39/09 (GRUR-RR 2009, 321 – John Bello Story 2) ein eigenes Beschwerderecht des zum Zeitpunkt der richterlichen Gestattung noch unbekannten Anschlussinhabers verneint hat, war dafür der Rechtszustand vor dem 01.09.2009 (Inkrafttreten des FamFG) maßgeblich und die Gründe des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 02.03.2010 (NJW 2010, 833 – Vorratsdatenspeicherung [Rn. 251, 254 ff.]) konnten in die Entscheidung des Senats noch nicht einbezogen werden.

III. Unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit, über die im vorliegenden Verfahren nicht vorrangig entschieden werden muss (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 1346 [Rn. 4] m.w.N.; Prütting / Gehrlein / Lohmann, ZPO, 2. Aufl., § 572 Rn. 8), ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

1. Im Ansatz zu Recht geht die Beschwerde allerdings davon aus, dass das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) berührt ist, wenn ein Internet-Service-Provider auf Grund richterlicher Anordnung darüber Auskunft zu geben hat, welchem Nutzer zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte dynamische IP-Adresse zugewiesen war. Zwar handelt es sich bei der Auskunft über den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers selbst um keine Auskunft über Verkehrsdaten, sondern um eine Bestandsdatenabfrage (BGH, GRUR 2010, 633 = WRP 2010, 912 [Rn. 29] – Sommer unseres Lebens). In seiner Stellungnahme zum Entwurf des neuen § 101 Abs. 9 UrhG ist deshalb der Bundesrat von keinem oder jedenfalls einem wenig intensiven Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Fernmeldegeheimnisses ausgegangen, der einen Richtervorbehalt nicht notwendig erscheinen lasse (BT-Drucks. 16/5048 S. 56; vgl. zu Auskunftsersuchen von Behörden ebenso BVerfG, NJW 2010, 833 [Rn. 261]). Der Gesetzgeber, der das Fernmeldegeheimnis in § 101 Abs. 10 UrhG ausdrücklich gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG als durch § 101 Abs. 2 und 9 UrhG eingeschränktes Grundrecht nennt, hat an dem Erfordernis einer richterlichen Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der vom Antragsteller bereits ermittelten Daten des konkreten Telekommunikationsaktes, nämlich des Zeitpunktes, zu dem von der IP-Adresse aus das Herunterladen einer durch ihren Hash-Wert individualisierten Datei ermöglicht wurde, jedoch bewusst festgehalten; denn bei den Verbindungsdaten, die der Provider überprüfen müsse, um die konkret benannte IP-Adresse einem Anschlussinhaber zuordnen zu können, handele es sich um sensible Verkehrsdaten, die besonders schutzwürdig seien (BT-Drucks. 16/5048 S. 63; BT-Plenarprot. 16/155 S. 16318 B/C).

2. Fehl geht die Beschwerde aber, soweit sie annimmt, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010 (a.a.O.) ergebe sich, dass der Zugriff auf die Telekommunikationsdaten des Beschwerdeführers im Streitfall unzulässig gewesen sei. Rechtsgrundlage der Provider-Auskunft über seine Identität waren nicht die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärten §§ 113a und 113b TKG sowie (teilweise) § 100g StPO, sondern – wie im angefochtenen Beschluss zutreffend näher ausgeführt – § 101 Abs. 1 bis 4 und 9 UrhG, wonach Internet-Service-Provider und ähnliche Dienstleister bei offensichtlicher Verletzung eines nach dem UrhG geschützten Rechtes in gewerblichem Ausmaß zur Auskunft über den Nutzer ihrer Dienstleistung zu geben haben und dazu nach richterlicher Anordnung auch Verkehrsdaten verwenden dürfen. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine derartige Regelung bestehen nicht (Senat, Beschl. vom 13.04.2010 – 6 W 28/10), wie sich bereits aus den auf Auskünfte der Diensteanbieter gegenüber Nachrichtendiensten, Straf- und Ordnungsbehörden bezogenen Gründen des vorgenannten Urteils ergibt, wonach in einem Rechtsstaat auch das Internet keinen rechtsfreien Raum bilden darf und die Möglichkeit der individuellen Zuordnung von Internetkontakten bei Rechtsverletzungen von einigem Gewicht ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist (a.a.O., Rn. 260). Eines dringenden Verdachts schwerer Straftaten bedarf es insoweit nicht; auch unabhängig vom konkreten Verdacht einer vorsätzlichen Straftat nach §§ 106 ff. UrhG genügt es, dass die Auskunft wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzungen in gewerblichem Ausmaß begehrt wird (vgl. zu diesem der Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14, entlehnten Merkmal auch des § 101 Abs. 2 UrhG BT-Drucks. 16/5048 S. 65; BT-Drucks. 16/8783 S. 50; BT-Plenarprot. 16/155 S. 16318 C, 16320 A, 16321 B; Senat, GRUR-RR 2009, 9 – Ganz anders; MMR 2009, 334 – Die schöne Müllerin; OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 239 f.; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222 [1223]).

3. Das Vorliegen solcher Rechtsverletzungen durch die bis dahin noch unbekannten Internet-Nutzer hat das Landgericht auf Grund des schlüssigen, keinen Ansatz zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen bietenden Vorbringens des Antragstellers verfahrensfehlerfrei (§ 101 Abs. 9 S. 4 UrhG i.V.m. § 26 FamFG) festgestellt; die Beschwerde bringt dagegen nichts Erhebliches vor. Auf welche der vom angefochtenen Beschluss erfassten 3.105 IP-Adressen im Hinblick auf welchen Verbindungszeitpunkt und welche übertragene Audio- oder Videodatei sich seine Beschwerde bezieht, legt der Beschwerdeführer schon nicht dar. Dass sämtliche vom Antragsteller geltend gemachten (von dem Geschäftsführer A1 Services GmbH als Internetfachmann in seinem Auftrag ermittelten) Kommunikationsvorgänge sich als offensichtliche Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß darstellten, hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen angenommen. Der Senat nimmt darauf Bezug; nochmals hervorzuheben ist lediglich, dass das gewerbliche Ausmaß der geltend gemachten Rechtsverletzung unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles festzustellen war. Vorausgesetzt werden Handlungen zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils, ausgenommen gutgläubige Handlungen von Endverbrauchern (Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14), was aus objektiven Kriterien abgeleitet wird: Bei Rechtsverletzungen im Internet ist neben der Zahl der von einem Verletzer öffentlich zugänglich gemachten Dateien (die vor erteilter Auskunft über die Nutzer dynamischer IP-Adressen kaum feststellbar ist) vor allem die Schwere der einzelnen Rechtsverletzung zu beachten – etwa wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland im Internet angeboten wird (BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt das Angebot in einer Internet-Tauschbörse allein nicht, obwohl es ein Handeln um wirtschaftlicher Vorteile willen indiziert; vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob entweder ein besonders wertvolles Werk (vgl. Senat, Beschl. v. 3.11.2008 – 6 W 136/08, bei juris) oder eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wurde (Senat, GRUR-RR 2009, 9 [11] – Ganz anders; ebenso OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 239 [240]; für kurz nach der Erstveröffentlichung angebotene Dateien im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt/Main, GRUR-RR 2009, 15 [16]; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 379 [381]; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222 [1223]; anders für einmalige Download-Angebote OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12 [13]; OLG Oldenburg, MMR 2009, 188 [189]). Dabei ist Vermarktungsbesonderheiten Rechnung zu tragen, so dass je nach Art des Werks eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß auch noch vorliegen kann, wenn seit der Veröffentlichung des Werks bereits längere Zeit vergangen ist (Senat, MMR 2009, 334 [335] – Die schöne Müllerin), etwa wenn das Werk in Neuauflage erschienen (Senat, Beschl. vom 04.06.2009 – 6 W 48/09, bei juris) oder in Longplay-Charts plaziert ist (Senat, Beschl. v. 08.01.2010 – 6 W 153/09; Beschl. v. 13.04.2010 – 6 W 28/10). Das gewerbliche Ausmaß der Rechtsverletzung muss aber nicht offensichtlich sein und ein in Ranglisten zum Ausdruck kommender besonders großer kommerzieller Erfolg wird nicht vorausgesetzt (Senat, Beschl. v. 04.06.2009 – 6 W 48/09).

Im Streitfall konnte das Landgericht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich der gerade erst angelaufene Kinofilm und das jüngere, im September 2009 erstmals veröffentlichte Musikalbum in ihrer aktuellen Verwertungsphase befanden; darüber hinaus rechtfertigen die Umstände hier auch die Annahme, dass das ältere, im Oktober 2008 erschienene Musikalbum immer noch zum ursprünglichen Verkaufspreis angeboten wurde und es zudem Anzeichen für eine steigende Nachfrage auf Grund des aktuellen Films gab, dessen Protagonist der Antragsteller ist.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 84 FamFG.

V. Der Senat hat gemäß § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil eine höchstrichterliche Klärung der in diesem Beschluss erörterten Fragen noch aussteht, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aber geboten erscheint.

Beschwerdewert: 900,00 EUR