Die Süddeutsche Zeitung und andere Medien berichten heute über einen neuen Entwurf der Justizministerin zur Deckelung der Abmahnkosten bzw. der Abmahstreitwerte. Der Entwurf liegt uns bereits vor. Die Normen stellen tatsächlich eine tiefgreifende Veränderung des bisherigen Regelungswerkes dar, werden allerdings in der Praxis nur wenig Effekt haben. Ein Rückgang der Tauschbörsen-Abmahnungen ist durch das neue Gesetz nicht zu erwarten.

Doch zunächst zur geltenden Rechtslage: In den Tauschbörsen-Fällen haben ich bislang noch keinen Fall gesehen, in dem die Anwaltsgebühren auf 100 Euro gedeckelt worden sind. Das hat zweierlei Gründe: erstens müsste die Deckelung mehr oder weniger freiwillig von dem abmahnenden Anwalt vorgenommen werden, was zumindest so lange unwahrscheinlich ist, wie man über die korrekte Höhe der Gebühren streiten kann. Zweitens sind die Anforderungen an die Deckelung auf 100 Euro derzeit immens hoch. Allein der Tausch eines einzigen Musikalbums wird schon nicht mehr als “unerhebliche Rechtsverletzung” von den Gerichten gewertet.

Auch ein getauschter Film stellt in den Augen der Richter keine unerhebliche Rechtsverletzung darf. Beim Tausch eines einzigen Musikstücks dürfte die Deckelung wohl greifen, abgemahnt wird aber normalerweise immer mindestens ein ganzes Album oder ein ganzer Film. Praktische Auswirkungen hat die Deckelung derzeit eigentlich nur bei illegalen Bildveröffentlichungen. Klaut man als Privatperson z.B. ein Bild aus einer anderen eBay Auktion, dann darf der abmahnende Anwalt derzeit in der Regel nicht mehr als 100 Euro verlangen. Hinzu kommt allerdings immer noch der Schadensersatzanspruch des Urhebers, der wurde nicht gedeckelt. Verwendet eine Privatperson ein Foto aus einer professionellen Bilddatenbank, dann sind die Abmahnkosten zwar auf 100 Euro gedeckelt, die Schadensersatzanspruch kann aber trotzdem bei 1000 Euro liegen.
Die Deckelung des Streitwertes auf 1000 Euro soll (so der aktuelle Entwurf der Justizminsiterin) künftig vermutet werden. Der Rechteinhaber muss darlegen und beweisen, dass die Deckelung für ihn unbillig wäre. Problematisch finde ich dabei die Formulierung, dass eine Unbilligkeit sich aus der Anzahl oder der Schwere der Rechtsverletzung ergeben kann. Derzeit gehen die Gerichte davon aus, dass es sich beim Tausch eines Albums nicht mehr um eine einfache Rechtsverletzung handelt. Überträgt man diese Rechtsprechung auf den neuen Gesetzesentwurf, so könnte man zu der Annahme kommen, dass dann auch eine Deckelung unbillig wäre. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Hürden für die Unbilligkeit höher liegen werden, da nunmehr deutlich geregelt ist, dass die Deckelung der Regelfall sein soll.

Sollten die geplanten Änderungen tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden, könnte das zu einer deutlichen Veränderung der Abmahnlandschaft in Deutschland führen – jedenfalls außerhalb der Filesharing-Fälle. Die vorformulierten Unterlassungserklärungen der abmahnenden Anwälte, die in der Vergangenheit deutlich überzogen waren, führen künftig zu einer kompletten Unwirksamkeit der Abmahnung. Erhalten Betroffene eine solche überzogene Abmahnung, dürfen sie sich künftig einen Anwalt nehmen und bekommen vom Abmahner die Anwaltskosten erstattet.

Auch die Deckelung des Streitwerts bei Urheberrechtssachen auf 1000 Euro ist ein absolutes Novum. Wer nicht schon einmal von dem gleichen Rechteinhaber abgemahnt worden ist, muss künftig maximal 155,30 Euro Abmahnkosten zahlen. Ein Hintertürchen lässt der Gesetzesentwurf allerdings offen – falls diese Deckelung für den Rechteinhaber unbillig ist, dürfen doch wieder mehr Abmahnkosten verlangt werden. Die Gerichte werden klären müssen, was unter “unbillig” zu verstehen ist. Begrüßenswert ist auch, dass die einzelnen Ansprüche künftig schon in der Abmahnung aufgeschlüsselt werden müssen. Derzeit ist es so, dass in den Abmahnungen nur Vergleichssummen genannt werden, ohne genauer darauf einzugehen, wie sich die Summe zusammensetzt. In der täglichen Praxis haben wir das Gefühl, dass dann im Nachhinein überlegt wird, wie viel Geld der Anwalt bekommt und wie viel der Rechteinhaber. Dieser Praxis wird mit dem neuen Gesetzesentwurf ein Riegel vorgeschoben.

Nicht beschränkt ist nach wie vor die Höhe des Schadensersatzanspruchs. Einen Rückgang der Tauschbörsenabmahnungen erwarte ich durch den neuen Gesetzesentwurf daher nicht. Pro getauschtem Lied setzen die Gerichte derzeit einen Schadensersatzanspruch von 300 Euro an. Bei einer CD mit durchschnittlich 15 Lieder kann also ein Schaden von 4500 Euro geltend gemacht werden. Genug Geld, um auch den Anwalt zufrieden zu stellen, der ansonsten für 155,30 Euro keine Abmahnung verschicken würde.