Mit „Cheat-Software“ für Spielkonsolen lassen sich Beschränkungen von Spielen umgehen. Doch ist der Vertrieb der Software eine Urheberrechtsverletzung? Darüber herrscht bereits seit 10 Jahren Streit. Nun war der Fall vor dem BGH. Doch dieser hat kein Urteil gefällt, sondern das Verfahren ausgesetzt und sich an den EuGH gewandt. Es geht insbesondere um die Auslegung einer EU-Richtlinie.

two people playing Sony PS4 game console

Der Bundesgerichtshof (BGH) soll letztinstanzlich klären, ob der Vertrieb von sogenannter „Cheat-Software“ bei Spielkonsolen eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Falls ja, stünden Spielkonsolenherstellern Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft sowie Schadensersatz gegen die Softwarebetreiber zu. Bisher haben die vorinstanzlichen Gerichte dies unterschiedlich beurteilt. Die Entscheidung des BGH wurde daher von vielen Seiten mit Spannung erwartet. Doch nun muss weiter abgewartet werden, da der BGH dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zwei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen vorgelegt hat (Beschl. v. 23.02.2023, Az. I ZR 157/21).

Sachverhalt des Urheberrechtsstreits

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine Software, die der Nutzer auf dem Speicherstick einer „Playstation portable“ installieren soll. Anschließend verändert die Software die im Arbeitsspeicher der Konsole befindliche Spiel-Software dahingehend, dass Nutzer durch sogenannte „Cheats“ bestimmte von den Spielen vorgesehen Beschränkungen umgehen können. Das herstellende Unternehmen der Cheat-Software sowie zusätzlicher Eingabegeräte trickst dabei die Playstation Portable aus. Durch einen Sensor können Neigung und Bewegung der Konsole in Befehle umgesetzt werden. Nutzer können mit diesen Erzeugnissen namens „Action Replay PSP“ und „Tilt FX“ Beschränkungen in den Videospielen umgehen, wie z.B. die zeitliche Begrenzung eines „Turbos“ beim Rennspiel „Motorstorm Arctic Edge“ oder bei der Freischaltung von weiteren Fahrern. Auch können Spieler so Aktionen ausführen, ohne die dafür eigentlich nötige Punktzahl erreicht zu haben.

Sony, Hersteller der Spielekonsole Playstation, ging bereits im Jahr 2012 gerichtlich den Hersteller und Vertreiber der Software sowie gegen einen deutschen Online-Händler vor. Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens war vor allem die Frage, ob durch die Software das Computerprogramm im Sinne des § 69c Nr. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) umgearbeitet wird. Ist das der Fall, bedarf eine solche Umarbeitung nämlich der Zustimmung des Rechtsinhabers. Da Sony eine solche Zustimmung vorliegend aber nicht erteilt hat, wäre eine Urheberrechtsverletzung zu bejahen.

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LG Hamburg gibt Sony Recht

Das Landgericht (LG) Hamburg hatte Sony erstinstanzlich überwiegend Recht gegeben (Urt. v. 24.01.2012, Az. 310 O 199/10). Eine Veränderung des Programmablaufs sah das Gericht darin, dass die Software den Nutzern ermögliche, in den Programmablauf einzugreifen und diesen zu verändern. Damit bejahte das Gericht einen Unterlassungsanspruch Sonys gegen den Software-Hersteller.

Hinsichtlich des Online-Händlers stellte das Gericht fest, dass dieser zwar nicht unmittelbar am Vertrieb der Software in Deutschland eingebunden gewesen sei. Da er aber durch den Verkauf Beihilfe an der Urheberrechtsverletzung geleistet hätte, stünde Sony auch ein Anspruch auf Unterlassung dieser Unterstützungshandlung zu.

Besonders interessant: Die Richter des LG begründeten die Unterlassungsansprüche mit einem weiten Verständnis des Begriffs der Umarbeitung nach § 69c Nr. 2 UrhG. Demnach erfasse der Begriff jede auch nur kurzfristige Art der Veränderung des Computerprogrammes, und zwar unabhängig davon, auf welche technische Weise eingegriffen wird. Insbesondere sei unerheblich, ob die Beeinflussung des Programmablaufs auf eine Veränderung der Substanz des Computerprogramms oder eine eigene schöpferische Leistung zurückzuführen sei. Die kurzzeitige Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher durch die Software sei daher als Umgestaltung im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG anzusehen.

OLG Hamburg weist Klage von Sony ab

Das sah das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg im Berufungsverfahren im vergangenen Jahr allerdings anders und wies die Klage von Sony ab (Urt. v. 7.10.2021, Az. 5 U 23/12). Anders als das LG verneinten die Richter eine Umarbeitung des Computerprogrammes und damit eine Urheberrechtsverletzung.

Im Rahmen der Begründung sprach sich das Gericht insbesondere gegen das vom LG vertretene weite Verständnis des Begriffs der Umgestaltung aus. Demnach falle darunter nur eine Substanzänderung des Computerprogramms, also eine Veränderung des Objekts- und Quellcodes. Dieser sei vorliegend jedoch unstreitig nicht bearbeitet oder verändert worden. Stattdessen bewirke die Software lediglich die Änderung der Funktionsweise des Programms in einer Art und Weise, die nicht der ursprünglichen Idee des Herstellers entspreche. Diese Einwirkung sei von § 69c Nr. 2 UrhG allerdings nicht erfasst.

BGH: Vorlagefragen an den EuGH

Gegen diese Entscheidung legte Sony Revision beim BGH ein. Dieser verhandelte, setzte nun aber das Verfahren aus, um dem EuGH die folgenden zwei Fragen vorzulegen. Dabei geht es insbesondere um die Auslegung der europäischen Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen:

  1. Wird in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/24/EG eingegriffen, wenn nicht der Objekt- oder Quellcode eines Computerprogramms oder dessen Vervielfältigung verändert wird, sondern ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm ablaufendes anderes Programm den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet?
  2. Liegt (bei einem wie soeben beschrieben gestalteten Programm) eine Umarbeitung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/24/EG vor?


Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH diese Fragen beantwortet. Erst danach kann der BGH beurteilen, ob die Cheat Software das Urheberrecht von Sony verletzt. Fest steht: Das Urteil wird nicht nur für Juristen interessant sein. Denn aufgrund der bisher unklaren Rechtslage war für Programmierer und Online-Händler beim Vertrieb von Cheat-Software besondere Vorsicht geboten. Sonst drohten teure urheberrechtliche Abmahnungen nebst Schadensersatzforderungen.


Auch ist bisher unklar, ob die Nutzer der Software abgemahnt werden können, da in den AGB vieler Spiele die Verwendung solcher Software verboten wird.


Wir werden berichten.

akh/tsp