Seit Oktober haben Youtuber und sonstige Content Creator aber auch Verleger, Filmschaffende sowie sonstige Urheber mit Spannung auf den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Urheberrechtsreform gewartet. Nun ist er da. Klar ist: Der deutsche Gesetzgeber wird bei der Umsetzung der umstrittenen EU-Urheberrechtsrichtlinie Uploadfilter einführen. In anderen Bereichen bleibt der Gesetzesentwurf eher vage. Die wichtigsten Informationen zum Kabinettentwurf haben wir für Sie hier zusammengestellt.
Allzu viel Zeit bleibt dem deutschen Gesetzgeber nicht mehr. Bis zum 7. Juni 2021 muss er die Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie (EU) 2019/790) und die Online-SatCab-Richtlinie ((EU) 2019/789) in deutsches Recht umwandeln.
Der im vergangenen Juni veröffentlichte Diskussionsentwurf zur Umsetzung der Urheberrechtsreform des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hatte YouTubern und anderen Content Creatorn noch Hoffnung gemacht. Zwar war auch damals schon klar, dass man um Uploadfilter nicht drum herum kommen würde. Dennoch sah der Gesetzesentwurf einige Ausnahmetatbestände vor, um sich einer Sperre durch die Uploadfilter zu entziehen. In Expertenkreisen hieß es, dass der Entwurf die Interessen von Content Creatorn und Urhebern zu einem angemessenen Ausgleich bringe. Die Proteste gegen den Beschluss der EU-Urheberrechtsreform im Jahr 2019 schienen sich gelohnt zu haben. Eine ausführliche Analyse des Diskussionsentwurfs sowie des daraufhin verabschiedeten Referentenentwurfs finden Sie hier.
Bereits der Referentenentwurf des BMJV, welcher im Oktober 2020 erschien, ging deutlich auf die Urheber zu. Der nun erschienene Regierungsentwurf setzt sogar noch einen drauf.
Upload-Plattformen sollen Lizenzen erwerben
Mit der Umsetzung der Urheberrechtsreform führt der Gesetzgeber das so genannte Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) im deutschen Recht ein. Das neue Gesetz bestimmt, dass Upload-Plattformen wie Youtube künftig für alle Inhalte, die sie zugänglich machen, grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich sind.
Zum einen werden die Upload-Plattformen dazu verpflichtet, Lizenzen an den urheberrechtlich geschützten Inhalten zu erwerben, deren öffentliche Wiedergabe sie ermöglichen (§ 4 Abs. 1 UrhDG). Die Gelder für die Lizenzen sollen, z. B. über die Verwertungsgesellschaften, direkt an die Urheber fließen. Die Urheber sind sogar für gesetzlich erlaubte Nutzungen der geschützten Inhalte zu vergüten (§ 5 Abs. 2 UrhDG). Wurde zum Beispiel ein urheberrechtlich geschütztes Werk von einem Plattformnutzer im Rahmen der Kunst- oder Wissenschaftsfreiheit für ein Zitat oder eine Karikatur verwertet, hat die Plattform an die Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen.
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Wie funktionieren die Uploadfilter?
Konnte eine Upload-Plattform keine Lizenz erwerben und ist auch keine erlaubte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes feststellbar, müssen die entsprechenden Inhalte gesperrt werden. Hier sollen die Uploadfilter zum Einsatz kommen. Aber wie sollen diese genau funktionieren?
Wenn ein Youtuber Inhalte hochlädt, soll die Plattform künftig prüfen, ob ein Sperrverlangen von einem Rechteinhaber vorliegt.
Wurde ein solches festgestellt, kann es folgendermaßen weitergehen:
- Alternative 1: Der Nutzer wird darüber informiert, dass ein Sperrverlangen vorliegt. Dagegen kann er Beschwerde einlegen. Youtube hat dann eine Woche Zeit in der Angelegenheit zu entscheiden. Die ganze Zeit über ist der streitgegenständliche Inhalt erstmal offline. Er kann aber nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens wieder verfügbar gemacht werden.
- Alternative 2: Es handelt sich um eine so genannte „mutmaßlich erlaubte Nutzung“ nach § 9 UrhDaG. Unter diesen Umständen bleibt der Inhalt zunächst online. Der Urheber wird aber über die Nutzung informiert und kann seinerseits Beschwerde einlegen.
Als mutmaßlich erlaubt gelten Uploads zum einen, wenn sie weniger als die Hälfte eines fremden Werks enthalten, dies mit anderem Inhalt kombinieren und ein wirklich nur geringfügiger Teil eines anderen Werkes darin verwertet wurde (§§ 9, 10 UrhDaG). Geringfügig ist hier tatsächlich wörtlich zu nehmen. Es geht um 15 Sekunden Film, 15 Sekunden Tonspur, 160 Zeichen Text oder bis zu 125 Kilobyte für ein Foto oder eine Grafik.
Zum anderen gelten Uploads als mutmaßlich erlaubt, wenn sie weniger als die Hälfte eines fremden Werks enthalten, dies mit anderem Inhalt kombinieren und der streitgegenständliche Inhalt als erlaubt gekennzeichnet wird, um kenntlich zu machen, dass es sich z. B. um eine Karikatur oder ein Zitat handelt (§§ 9, 11 UrhDaG). Über dieses Verfahren und seinen Ablauf wurde in den vergangenen Monaten unter dem Terminus Pre-Flagging diskutiert. Bereits der Referentenentwurf von Oktober 2020 hatte jedoch klargestellt, dass dieses Pre-Flagging-Verfahren nur zum Einsatz kommt, wenn ein Sperrverlangen ausgesprochen wurde und eben keine geringfügige Nutzung vorliegt. Dem Pre-Flagging-Verfahren wird damit ein so genannter Pre-Check seitens der Plattform vorangestellt. Das bedeutet: Nutzer können ihre Inhalte nicht schon beim Upload vorsichtshalber als erlaubt kennzeichnen. Mit dem Flaggen von Inhalten können sie sich erst nachträglich gegen Sperrverlangen wehren. Sie werden von der Plattform über das Sperrverlangen informiert und haben dann die Gelegenheit, darauf zu reagieren. Tatsächlich handelt es sich inzwischen also eher um ein so genanntes Post-Flagging.
Urheber können einfacher auf eine sofortige Blockade von Inhalten hinwirken
Mit einer Neuheit im Kabinettentwurf spielt der Gesetzgeber den Urhebern nun besonders in die Hände. Und zwar ist eine Plattform wie Youtube in der Pflicht, Inhalte sofort zu blockieren, wenn ein Urheber gegenüber dieser erklärt, dass er nicht von einem „mutmaßlich erlaubten Inhalt“ ausgeht und dass die wirtschaftliche Verwertung des Werkes durch die fortdauernde öffentliche Wiedergabe erheblich beeinträchtigt wird. Den Urhebern wird damit eine Art “roter Knopf” zu Verfügung gestellt. Sie können damit also auch mutmaßlich erlaubte Inhalte, die grundsätzlich erst einmal verfügbar bleiben würden, sofort blockieren (§ 14 Abs. 4 UrhDaG). Die Blockade wird solange aufrecht erhalten, bis das Beschwerdeverfahren abgeschlossen ist. Die Regelung wurde vor allem im Interesse der Filmbranche getroffen. Filmemacher können so schnell verhindern, dass rechtswidrig Teile von aktuellen Spielfilmen wiedergegeben werden.
Was die Sperrverlangen der Urheber angeht, soll durch den Gesetzesentwurf aber auch Missbrauch vorgebeugt werden. Wer wiederholt unberechtigterweise eine sofortige Blockade von Inhalten erwirken will, kann von dem Beschwerdeverfahren vorübergehend ausgeschlossen werden.
Welche Plattformen sind neben YouTube betroffen?
Während der Entwurf z. B. den Flagging-Mechanismus im Detail behandelt, bleibt bei der Lektüre eine grundlegende Frage offen. Es bleibt unklar, für welche Social-Media-Plattformen das UrDaG überhaupt gelten soll. Der Begriff des Diensteanbieters lässt darin nämlich viel Spielraum für Interpretation.
Diensteanbieter im Sinne des UrhDaG sind Dienste, die es als Hauptzweck ausschließlich oder zumindest auch verfolgen, eine große Menge an von Dritten hochgeladenen urheberrechtlich geschützten Inhalten zu speichern und öffentlich zugänglich zu machen, dabei diese Inhalte organisieren, zum Zweck der Gewinnerzielung bewerben und mit Online-Inhaltediensten um dieselben Zielgruppen konkurrieren. Auf welche Plattformen trifft diese Definition nun neben YouTube zu? Müssen sich auch Twitter, Facebook oder Instagram künftig an das neue UrDaG halten?
Eines ist klar: Die vorgesehenen Regelungen sind zwingendes Recht. Die Plattformen dürfen nicht durch eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen davon abweichen.
Nun muss der Gesetzesentwurf Bundestag und Bundesrat passieren. Wir dürfen gespannt sein, ob es hier noch zu entscheidenden Änderungen kommen wird. Wir halten Sie dazu weiter auf dem Laufenden.
Manuel Leidinger