Seit dem vergangenen Jahr berät der deutsche Gesetzgeber über die Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform ins nationale Recht. Durch die Umsetzung der EU-Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-RL (EU) 2019/790) und die Online-SatCab-Richtlinie ((EU) 2019/789) soll das Urheberrecht an das Internetzeitalter angepasst werden. Die Interessen aller Beteiligten, also von Dienstanbietern wie YouTube oder Google, von Künstlern, Verlagen und Vertretern der Film- und Musikindustrie sind dabei in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Eine große Herausforderung. Anfang Februar hat sich die Bundesregierung nun auf ihren dritten und finalen Gesetzesentwurf geeinigt und ihn in den Bundestag eingebracht.

Die Frist ist der 07. Juni 2021: Bis dahin muss der deutsche Bundestag die Vorgaben der Richtlinien in Form eines nationalen Gesetzes umgesetzt haben. Dafür hat die Bundesregierung mittlerweile den dritten Gesetzesentwurf ausgearbeitet und dem Bundestag vorgelegt. Am Freitag, dem 26. März 2021 kam es dort zur ersten Lesung.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte dabei zu Anfang, dass es bei diesem Gesetz um einen „angemessenen Ausgleich“ zwischen der Freiheit im Internet und den Rechten der Urheber geht. Sie sieht das durch das vorgelegte Gesetz geglückt und bezeichnet es als „fairen Kompromiss“. Kritiker sehen in der Gesetzesvorlage zum Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), das für Upload-Plattformen wie YouTube gelten soll, aber zu starke Zugeständnisse für die Verleger und Urheber. Auch die Sprecher der oppositionellen Fraktionen im Bundestag fanden teils harsche Kritik zum Entwurf des UrhDaG.

Folgende Punkte sind besonders umstritten:

  • Bagatellgrenzen

Viel Kritik gibt es zum einen an den Bagatellgrenzen, im Gesetz als geringfügige Nutzungen bezeichnet. Gemäß dem neuen UrDaG sollen Upload-Plattformen wie YouTube künftig für alle Inhalte, die sie zugänglich machen, grundsätzlich urheberrechtlich verantwortlich sein. Die Upload-Plattformen sind dazu aufgefordert Lizenzen für die hochgeladenen Inhalte zu erwerben. Ansonsten sind die Inhalte zu sperren.

Kommt es zum Upload eines fremden urheberrechtlich geschützten Werkes, sollen gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 10 UrhDaG gewisse Ausschnitte von Werken jedoch als „mutmaßlich erlaubte Nutzungen“ gelten. Hier kommt es zunächst nicht zu einer Sperre. Diese erlaubten Nutzungen sind 15 sek. eines Films, 15 sek. einer Tonspur, bis zu 160 Zeichen eines Textes und bis zu 125 Kilobyte eines Bildes. Kritiker dieser Regelung sind insbesondere die großen Rechteinhaber aus der Medienindustrie. Sie kritisieren, dass schon 15 Sekunden ihre Rechte zu stark beschränken können, denn zusammengeschnittene Highlights aus Filmen, Shows oder auch Fußballspielen gehen oft nicht länger. Da die Grenzen von Seiten der Bundesregierung immer weiter gekürzt wurden, sehen Kritiker der Reform in der Regelung der Bagatellgrenze allerdings schon ein Zugeständnis an die Verleger – zum Nachteil von Kreativen und Internetnutzern.

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  • Roter-Knopf-Regelung

Als besonders umstritten gilt auch nach wie vor der sogenannte „Rote Knopf“ für Rechteinhaber. Denn in § 14 Abs. 4 UrhDaG ist vorgesehen, dass von „vertrauenswürdigen Rechteinhabern“ gemeldete Inhalte bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens blockiert werden können. Zum einen ist festzustellen, dass das Wort „vertrauenswürdig“ sehr konturlos ist und die Netzanbieter dann darüber entscheiden, wer denn vertrauenswürdig sei. Das kann zur Folge haben, dass große Firmen aus der Unterhaltungsindustrie gegenüber einzelnen Urhebern bevorzugt werden.

Ein größeres Problem ist aber, dass es durch die generelle Blockade dazu kommen kann, dass erlaubte Inhalte für die Dauer des maximal einwöchigen Beschwerdeverfahrens nicht verfügbar sind. Dies würde also zur Zensur erlaubter Werke führen. Die von Vertretern der Opposition in der Lesung deshalb vielfach angemahnte Gefahr für die Meinungs- und Kunstfreiheit ist demnach berechtigt.

  • Uploadfilter

Damit einhergehend stellt sich auch wieder die Frage nach einem Uploadfilter. Gegen automatische Uploadfilter, also die Überprüfung von Inhalten, bevor sie überhaupt hochgeladen wurden, gingen seit Erlass der Richtlinie 2019 europaweit unzählige Menschen auf die Straße und demonstrierten. Die große Koalition wollte ihn deshalb nicht einführen. Die oppositionellen Parteien sind jedoch der Ansicht, dass die neuen Regelungen Uploadfilter zur Folge haben werden. Denn Rechteinhaber sollen Plattformen schon im Vorhinein anzeigen können, wenn sie wollen, dass ihre Werke nicht von Dritten hochgeladen werden sollen. Und um dann ein Hochladen zu verhindern, würde ein Internet-Riese wie YouTube in der Praxis nicht um automatisierte Überprüfungen herumkommen.

  • Vergütungsansprüche von Kreativen

Das UrhDaG sieht auch Regelungen zur Vergütung von Urhebern vor (§ 4 und 5 des Entwurfs). Dies wurde von den Rednern im Bundestag grundsätzlich begrüßt. Abermals gibt es für die Umsetzung dennoch Kritik. Kritisiert wird vor allem, dass einzelne Kreative nicht mit den großen Verwertungsgesellschaften auf Augenhöhe verhandeln können und somit immer noch keine angemessene Vergütung erzielen können. Deshalb müsse im Verwertungsprozess von Urheberrechten und Lizenzen grundsätzliche mehr Transparenz geschaffen werden und die Möglichkeit von Verbandsklagen durch Kreative gestärkt werden. Es wird auch kritisiert, dass es zu unübersichtlichen Risiken der Presse- und Informationsfreiheit kommen könne, wenn für Werke, die für Zitate, Parodien oder Karikaturen verwendet werden, stets eine Vergütung erfolgen müsste.

  • Weiteres Thema: Lizenzen für Bibliotheken

Ein weiteres Thema für einige der Redner im Bundestag war eine Änderung des Urheberrechts zugunsten von öffentlichen Bibliotheken im digitalen Zeitalter. Denn das Ausleihen von E-Books („E-lending”) ist in den vergangenen Jahren stetig beliebter geworden. Doch für Bibliotheken ist es nach wie vor schwieriger E-Books zu verleihen als physische Bücher. Denn die Ausleihe physischer Bücher ist urheberrechtlich privilegiert und Bibliotheken können die Werke frei einkaufen und gegen Zahlung einer Bibliothekstantieme verleihen. Bei E-Books hingegen müssen sie Lizenzen erwerben und Umfang und Dauer der Nutzung stets durch Lizenzverträge ausgestalten. Die Kosten dafür übersteigen die Kosten für physische Bücher meist stark. Zudem nutzen Verlage ihre Vertragsfreiheit teils dahingehend, dass sie für Neuerscheinungen im ersten Jahr einfach keine Lizenzen vergeben.

Damit die Bibliotheken ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können, wird deshalb im Rahmen der aktuellen Urheberrechtsreform eine weitestgehende Gleichstellung von physischen und elektronischen Büchern gefordert.

  • Fazit

Der Kritik an den Gesetzesentwürfen der Regierung folgend haben schon drei Fraktionen des Bundestages Änderungsanträge eingebracht: die AfD, die Linke und die FDP. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kündigte an, dass sie neue Vorschläge einbringen werden. Somit ist davon auszugehen, dass der Gesetzesentwurf in der aktuellen Fassung keine Mehrheit erlangen könnte und in weiteren Lesungen noch abgeändert werden muss.

Es bleibt spannend, wie der deutsche Gesetzgeber die EU-Urheberrechtsreform letztendlich umsetzen wird. Wir werden Sie dazu auf dem Laufenden halten.

ses