Wenn ein Auto aus einer Parkbucht auf die Straße einfährt, dabei ein Unfall mit einem Fahrzeug passiert und der Unfall nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden kann, haftet der Fahrer, der aus der Parklücke kam. Dies hat das AG Hanau entschieden.

Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden, dass bei einem Unfall, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einfahren von einer Parkbucht in den Straßenverkehr stattfindet, das einfahrende Auto als Verursacher gilt, wenn eine weitere Aufklärung nicht möglich ist (AG Hanau, Urteil vom 05.06.2023, Az. 39 C 329/21 (19)).

Hintergrund des Verfahrens war ein Fall, in dem der Fahrer eines zuvor in einer Parkbucht am Straßenrand stehenden Autos mit diesem in den Straßenverkehr eingefahren war. Dabei kam es zu einer Kollision mit einem dort in gleicher Richtung fahrenden Wagen. Über den Unfallhergang machten die Beteiligten jeweils unterschiedliche Angaben.

Anscheinsbeweis spricht gegen Ausparkenden

Das AG Hanau entschied nun, dass der Verkehrsunfall vollständig von dem einfahrenden Auto verursacht worden sei. Zwar ließe sich das Geschehen überwiegend nicht mehr aufklären, allerdings habe derjenige, der vom Straßenrand in den Verkehr einfahre, gem. § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) besonders darauf zu achten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde. Ausparkende haben nach dieser Vorschrift jede Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen. Der von § 10 StVO geforderte Gefährdungsausschluss ist im übrigen der höchste Sorgfaltsmaßstab, den das deutsche Straßenverkehrsrecht kennt. Kommt es zu einem Unfall mit dem bevorrechtigten fließenden Verkehr, spricht der sogenannte Anscheinsbeweis für das Alleinverschulden des rückwärts Ausparkenden. In diesen Fällen reicht zur Begründung des Anscheinsbeweises bereits die Feststellung, dass es zum Zusammenstoß in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang gekommen ist. 

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So auch im Fall vor dem AG Hanau, weshalb das AG urteilte, dass aufgrund der zeitlichen und örtlichen Nähe des Unfallgeschehens zu dem Einfahren des parkenden Autos in den Straßenverkehr der Anschein bestehe, dass dessen Fahrer nicht ausreichend auf den Verkehr geachtet und somit den Unfall herbeigeführt habe.

Dafür, so das AG, spräche zudem, dass seine Version des Unfallgeschehens, er sei bereits einige Zeit auf der Straße gefahren, mit dem Schadensbild nicht in Einklang zu bringen sei. Zudem habe der Fahrer selbst erklärt, das andere Auto erst durch den Anstoß bemerkt zu haben, was darauf hinweise, dass er das Verkehrsgeschehen beim Losfahren von dem Parkplatz nicht ausreichend beobachtet habe.

Einen solchen Anschein kann ein Fahrer z.B. dann erschüttern, wenn er nachweisen kann, dass er sich mit seinem Auto bereits vollständig im fließenden Verkehr befunden hat. Das kann dann angenommen werden, wenn er nach dem Ausparken bereits eine gewissen Strecke (rund 30 Meter) mit angepasster Geschwindigkeit fahrbahnparallel zurückgelegt hat. Die Entscheidung des AG Hanau ist nicht rechtskräftig.

Es zeigt sich anhand dieses Falles einmal mehr, dass im Verkehrsrecht sehr genau hingeschaut werden muss. Bei einem Unfall kommt es für die Frage der Haftung auf die ganz konkrete Unfallsituation an. Wenden Sie sich gerne jederzeit an unsere Verkehrsrechtsexperten. Wir stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung. Und noch ein Tipp: Keinesfalls sollten Sie sich blind auf die Parksensoren verlassen, denn diese erfassen keineswegs immer alle Hindernisse. Daher sind eigene Beobachtungen unabdingbar, was auch die Gerichte so sehen.

tsp

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