Wer völlig rücksichtslos überholt und dabei Leben gefährdet, muss damit rechnen, dass an Ort und Stelle sein Porsche sichergestellt wird. Die vorläufige Entziehung des Führerscheins allein reiche im Einzelfall nicht aus, urteilte das OVG Koblenz nun.

Die Polizei durfte einen Porsche nach einem gefährlichen Überholmanöver aufgrund der besonderen Umstände des Falles zur Gefahrenabwehr sicherstellen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in einem Eilverfahren, mit dem es die Ent­scheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Neustadt an der Weinstraße bestätigte (OVG Rheinland Pfalz, Beschluss vom 29. August 2023, Az. 7 B 10593/23.OVG).

Rücksichtsloser Porschefahrer bremst Polizeiwagen aus

Im April 2023 befuhr ein Mann mit dem Porsche seiner Frau aus Richtung Speyer kommend die Bundesstraße 39 zwischen Dudenhofen und Hanhofen. In der Gegenrichtung war ein Streifenwagen der Polizei unterwegs. Die Polizei­beamten beobachteten, wie das hinterste der fünf ihnen entgegenkommenden Fahr­zeuge – der betreffende Porsche – zunächst einen vor ihm fahrenden schwarzen Pkw überholte und danach nicht wieder einscherte, obwohl er nur noch ca. 200 bis 250 m von ihrem Fahrzeug entfernt war. Vielmehr fuhr er mit gleichbleibend hoher Geschwin­digkeit auch an einem zweiten Fahrzeug, einem weißen Kastenwagen, vor­bei. Um eine Frontalkollision zu vermeiden, bremste der Fahrer des Polizeiwagens bis zum Stillstand ab und lenkte das Auto nach rechts an den Fahrbahnrand, um Platz zu schaf­fen.

Der Porsche fuhr währenddessen an dem Kastenwagen vorbei und wechselte etwa 15 m vor dem bereits stehenden Polizeiwagen zurück auf die eigene Fahrbahn Richtung Hanhofen. Beim Wiedereinscheren mussten der schwarze sowie der weiße Wagen ebenfalls bremsen, um eine Kollision zu vermeiden und Platz zu machen. Noch während des Passierens des Polizeiwagens startete der Fahrer erneut einen Überholvorgang und überholte einen dritten Pkw.

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Die an dem Vorfall beteiligten Polizei­beamten nahmen unter Einsatz von Blaulicht und Martinshorn die Ver­folgung des Fahrers auf und stellten im Anschluss an dessen Kontrolle den Porsche zur Gefahren­abwehr sicher. Weiter wurde ihm die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins eröffnet.

Gegen die Sicherstellung legte Frau des Fahrers Widerspruch ein und suchte um vor­läufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach, den das VG mit der Begrün­dung ablehnte, die Sicherstellung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 22 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes könne die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Diese Voraussetzungen seien gegeben gewesen, denn im Zeitpunkt der Sicherstellung hätten ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Fahrer mit seinem Porsche in allernächster Zeit mit an Sicher­heit grenzender Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Verkehrsverstöße begehen werde. Die gegen den Beschluss des VGs eingelegte Beschwerde wies das OVG nun jedoch zurück.

Porsche durfte trotz Fahrerlaubnisentzug sichergestellt werden

Das OVG teile die Auffassung der Vorinstanz, dass bereits die Aussagen der beiden an dem Vorfall beteiligten Polizeibeamten sowie der weiteren Zeugen bereits den Schluss zuließen, dass der Fahrer bei seinem Überholvorgang rücksichtslos und grob verkehrswidrig gehandelt und damit die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt habe. Dass eine Gefah­rensituation bei Erlass der Sicherstellungs­anordnung des Porsches nicht mehr bestanden habe, weil dem Fahrer zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen worden gewesen sei, verneinte das Gericht. Zwar bestehe kein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach ein von der Polizei ertappter „Verkehrssünder“ sich generell unbelehrbar zeige und von den ihm angedrohten Bußgeldern, Fahrverboten und Punkten unbeeindruckt bleibe. Einen solchen habe aber das VG nicht angenommen, sondern auf die besonderen Umstände des Einzelfalls und hierbei auf das konkrete Verhalten des Fahrers abgestellt.

Dabei sei das erstinstanzliche Gericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die handelnden Polizeibeamten in diesem Ausnamefall aufgrund seines Verhaltens davon ausgehen durften, dass die vorläufige Entziehung der Fahr­erlaubnis nicht ausreiche, um einer gegen­wärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch weitere erhebliche Verkehrs­verstöße zu begegnen. Denn dieser habe sich von seinem grob verkehrs­widrigen, mehrere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdenden Verhalten völlig unbeeindruckt gezeigt. Er habe trotz der ihm von den handelnden Polizeibeamten vor Augen geführten Gefährlichkeit seines Überholmanövers jedwede Einsicht vermis­sen lassen. So habe er ausweislich der Sachverhaltsdarstellung der Polizeibeamten gegenüber diesen angegeben, der ihm aufgrund des Überholmanövers eröffnete Vor­wurf der Gefährdung des Straßen­verkehrs wegen groben Fehlverhaltens beim Über­holen sei lächerlich. Es sei schließlich nichts passiert.

Fehlendes Einsichtsvermögen des Porschefahrers

Diese Interpretation der Gescheh­nisse lasse völlig außer Acht, dass sein äußerst gefährlicher Überholvorgang augen­scheinlich nur deshalb keine Kollision mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zur Folge gehabt habe, weil sowohl der Polizeibeamte als auch die beiden Zeugen diese durch geistes­gegenwärtiges Abbremsen bzw. Ausweichmanöver verhindert hätten. Das feh­lende Einsichtsvermögen des Ehemanns der Antragstellerin werde noch unterstrichen durch seine weitere Angabe gegenüber den Polizeibeamten, er habe bereits zwei Millionen Kilometer Fahrstrecke ohne Zwischenfälle absolviert, sodass ein Fehler sei­nerseits völlig ausgeschlossen sei. Dies gelte umso mehr, als sein Verkehrs­verhalten in der Vergangenheit nicht ohne weiteres als „ohne Zwischenfälle“ zu bezeichnen sei. Vielmehr sei gegen ihn jedenfalls wegen Nötigung und Beleidigung im Straßenverkehr ermittelt worden, wobei dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Anordnung der Sicherstellung noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

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