Wer geblitzt wurde und ein Bußgeld wegen zu hoher Geschwindigkeit bekommt, darf die Messdaten von Blitzern einsehen und überprüfen. Das hatte das BVerfG in Karlsruhe bereits 2020 entschieden. Nun zieht der VerfGH Rheinland Pfalz nach. Er erlaubt einem Betroffenen Einblick in die Wartungsunterlagen eines Blitzers: Sonst sei er in seinen Grundrechten verletzt. Damit werden die Rechte von tausenden Betroffenen gestärkt.

Wer Geblitzt wurde, muss im Nachhinein den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung überprüfen können. Andernfalls hat man keine Möglichkeit, sich vor Gericht zu verteidigen und muss sich blind auf das vom jeweiligen Gerät ausgegebene Messergebnis verlassen. Dass das nicht sein kann, versteht sich eigentlich von selbst. Leider gehört die Problematik jedoch zum Alltag. Daher entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Jahr 2020, dass Betroffene eines Bußgeldverfahrens auch Rohdaten der Messgeräte einsehen können müssen. Ansonsten sei das Recht auf ein faires Verfahren verletzt (Beschl. v. 12.11.2020, Az. 2 BvR 1616/18). Die Folge: Bußgeldbescheide sind rechtswidrig ergangen. Damit wird nicht nur unsere Ansicht bestätigt, sondern stärkt die Rechte von Geblitzten.

Es ist höchst erfreulich, dass sich das Bundesverfassungsgericht nun unserer Auffassung angeschlossen hat. Die gängige Praxis kritisieren wir bereits seit Jahren und haben uns hierzu in der Vergangenheit auch in zahlreichen Interviews in den Medien klar geäußert. Das bisherige Problem ist leicht erklärt: Die Messergebnisse eines Blitzers werden bei vorschriftsgemäßem Betrieb des Blitzers zunächst als technisch richtig angesehen. Betroffene müssen daher in der Folge Anhaltspunkte für Messfehler selbst vortragen. Doch gerade das ist oftmals schwierig, da hierzu sämtliche Daten vorliegen müssen, wozu insbesondere die Rohmessdaten des entsprechenden Blitzers zählen. Bislang aber haben Behörden die Einsicht in relevante Daten oft verweigert. Dies verstößt meiner Auffassung nach eindeutig gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens, da Geblitzte den Vorwurf nicht überprüfen können. Dass sich der Verfassungsgerichtshof nun den Überlegungen angeschlossen hat und auch einen Einblick in die Wartungsunterlagen des Blitzergeräts erlaubt, ist von großer Bedeutung. Er erleichtert die Verteidigung unserer Mandanten ungemein. Die Anfechtung eines Bußgeldbescheides lohnt sich mehr denn je!

Christian SolmeckeRechtsanwalt und Partner bei WBS

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Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz folgt nun den Überlegungen des BVerfG und hat mit Beschluss vom 13. Dezember 2021 ebenfalls einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, der eine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zugrunde lag (Beschluss vom 13. Dezember 2021, Az. VGH B 46/21).

Der Mann war Betroffener in einem Bußgeldverfahren, in dem ihm eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wurde. Der Mann wurde auf der A1 geblitzt, als er in die Eifel unterwegs war. Dabei soll er 35 Kilometer über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gefahren sein. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgerätes des Typs PoliScan Speed M1 der Firma Vitronic.

Nachdem seine Verteidigerin Einsicht in die Bußgeldakte erhalten hatte, beantragte sie im Laufe des Verfahrens, zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht (AG) Wittlich, die Überlassung weiterer Dokumente. Gefordert wurde unter anderem die Vorlage der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts, die nicht Bestandteil der Bußgeldakte sind.

Das AG lehnte den Antrag ab und verurteilte den Mann wegen des Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 140 Euro. Sein bei dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz gestellter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der der Mann sowohl gegen das Urteil des AG Wittlich als auch gegen den Beschluss des OLG Koblenz. Er machte unter anderem geltend, die Nichtüberlassung der Wartungs- und Instand­setzungsunterlagen des Messgeräts sowie bestimmter Messdaten – weiter gefordert wurden die Falldatensätze der gesamten Messreihe einschließlich der Statistikdatei und Case-List – verstoße gegen Grundrechte der Landesverfassung.

Einsicht in Messdaten – Recht auf Waffengleichheit

Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die Entscheidungen des AGs und des OLGs verletzten den Mann in seinem Recht auf ein faires Verfahren. Aus dieser Gewährleistung, die sich mit den entsprechenden Vorgaben des Grundgesetzes decke, folge im Grund­satz das Recht des Betroffenen, in tatsächlich vorhandene Unterlagen über Messgerät und Geschwindigkeitsmessung Einsicht zu nehmen.

Auf diese Weise werde dem auch von dem Bundesverfassungsgericht in jüngerer Zeit betonten Gedanken der „Waffen­gleichheit“ zwischen Bußgeldbehörde und Betroffenem Rechnung getragen und diesem die Möglichkeit eröffnet, selbst nach Entlastungsmomenten in Gestalt von Fehlern im Messverfahren zu suchen.

Kein unbegrenzter Informationsanspruch

Allerdings bestehe ein Informationsanspruch nicht unbegrenzt. Er setze zum einen voraus, dass der Betroffene die begehrten Informatio­nen hinreichend konkret benenne. Zum anderen sei erforderlich, dass die Dokumente überhaupt einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ord­nungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufwie­sen.

Betroffene müssen diese Informationen über eventuelle Fehler der Messung aber rechtzeitig im Bußgeldverfahren anfordern, um sich erfolgreich verteidigen zu können.

Daher ist es für Geblitzte von elementarer Bedeutung, sich frühzeitig juristisch beraten zu lassen! Unser Team steht Ihnen hier jederzeit umgehend schnell und zielführend zur Seite.

Zudem dürften dem Anspruch keine gewichtigen verfassungsrechtlich verbürgten Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schüt­zenswerte Interessen Dritter entgegenstehen. Im Falle der begehrten Einsicht in die Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts seien die Voraussetzungen eines Einsichtsrechts erfüllt.

Da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen der verweigerten Einsichtnahme in die genannten Unterlagen erfolgreich war, könne die weiter auf­geworfene Frage dahinstehen, ob das Messergebnis wegen der vom Messgerät nicht gespeicherten sog. Rohmessdaten verwertbar gewesen sei.

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