Wir alle haben uns die folgende Frage beim Einkaufen schon einmal gestellt: Gilt der ausgewiesene Preis nun inklusive Pfand oder nicht? Dass dies für Verbraucher irreführend ist, fand auch der Verband Sozialer Wettbewerb e. V. und klagte gegen eine aus seiner Sicht unzulässige Werbung eines Lebensmittelhändlers. Der Fall ging bis vor den EuGH. In seinem heutigen Urteil sorgt das Gericht nun für Klarheit.

Der Pfandbetrag, den der Verbraucher beim Kauf einer Ware in einem Pfandbehälter zu entrichten hat, ist kein Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments. Lebensmittelhändler dürfen somit weiterhin den Preis für ein Produkt bewerben und das Pfand separat auszeichnen (Europäischer Gerichtshof, Urt. v. 29.06.2023, Rs. C-543/21).

Hintergrund des Urteils des Europäische Gerichtshofs (EuGH) war ein Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Konkret bewarb ein Lebensmittelhändler aus Kiel in einem Faltblatt Getränke und Joghurt in Pfandbehältern. Darin war der jeweilige Pfandbetrag für die Behälter mit dem Zusatz „zzgl. … € Pfand“ ausgewiesen. Der Verband Sozialer Wettbewerb e. V., der das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung des Wettbewerbsrechts überwacht, erhob daraufhin Klage beim Landgericht (LG) Kiel auf Unterlassung der Werbung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale. Der Verband hielt die Werbung für unzulässig und begründete die Klage damit, dass in der Werbung kein Gesamtpreis – einschließlich des Pfands – der beworbenen Waren angegeben war. Als Gesamtpreis wird der Preis bezeichnet, der einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile zu zahlen ist.

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Das LG Kiel gab der Klage statt, woraufhin der Lebensmittelhändler Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) Schleswig einlegte. Das OLG gab wiederum der Berufung statt und änderte das angefochtene Urteil ab. Mit der beim BGH eingelegten Revision begehrte der Verband sodann die Wiederherstellung des Urteils des erstinstanzlichen Gerichts. Der BGH beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof unter anderem die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob Art. 2 Buchst. a der EU-Richtlinie 98/6/EG dahin auszulegen ist, dass der dort vorgesehene Begriff des Verkaufspreises den vom Verbraucher zu entrichtenden Pfandbetrag enthalten muss. In seinem heutigen Urteil entschied der EuGH im Sinne des Schlussantrages des Generalanwalts Nicholas Emiliou von Anfang Februar 2023.

Pfand ist kein obligatorisch zu tragender Preisbestandteil

Die Richtlinie definiert den „Verkaufspreis“ als „den Endpreis für eine Produkteinheit oder eine bestimmte Erzeugnismenge, der die Mehrwertsteuer und alle sonstigen Steuern einschließt“. In seinem Urteil stellte der EuGH zunächst klar, dass das Pfand nicht einer „Steuer“ im Sinne Richtlinie gleichgestellt werden könne, da bei dem Pfandbetrag keines der Merkmale einer Steuer vorliege. Der Verkaufspreis müsse außerdem als Endpreis notwendigerweise die unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteile des Preises enthalten, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind. Da eine Ware in einem Pfandbehälter ohne diesen nicht erworben werden könne, stelle der Pfandbetrag damit an sich einen „unvermeidbaren Bestandteil des Verkaufspreises“ dar. Sobald der Verbraucher den Behälter jedoch zurück in den Laden bringe, hätte er einen Anspruch auf Erstattung des Pfandbetrags. Aus diesem Grund sei der Pfandbetrag nicht obligatorisch vom Verbraucher zu tragen. Selbst wenn der Verbraucher den Behälter nicht zurückbringen würde, ändere dies laut EuGH nichts an diesem Ergebnis. Denn letztlich sei im Rahmen des Pfandsystems von vornehinein vorgesehen, dass der Behälter zurückgebracht werde und der Pfandbetrag damit auch erstattet werden könne und solle. Der Pfandbetrag könne somit nicht als Teil des „Endpreises“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 98/6 angesehen werden.

Laut dem EuGH könne die vorliegende Situation auch nicht verglichen werden mit einem Urteil aus dem Jahr 2016 in dem der Gerichtshof entschieden hatte, dass die von einem Verbraucher obligatorisch getragenen Kosten der Überführung eines Kraftfahrzeugs vom Hersteller zum Händler einen Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne der Richtlinie darstellten (Urt. v. 07.07.2016, Rs. C-476/14). Diese Kosten könnten nämlich, anders als der Pfandbetrag, später nicht zurückerhalten werden.

Erleichterter Produktvergleich durch gesonderte Auszeichnung

Dass der Pfandbetrag gesondert zum Verkaufspreis anzugeben sei, bestätige letztlich auch die von der Richtlinie Ziele der RL 98/6/EG verfolgten Ziele. Hierdurch könne einerseits die Verbraucherinformation verbessert und anderseits der Vergleich der Verkaufspreise von angebotenen Produkten erleichtert werden. Für einige der Erzeugnisse werde nicht einheitlich ein Pfand erhoben und je nach Art des Behälters würden außerdem unterschiedliche Pfandbeträge gelten. Die Einbeziehung des Pfandbetrags in den Verkaufspreis würde den Verbrauchern einen Preisvergleich der unterschiedlichen Produkte somit erschweren. Durch eine unmissverständliche und gut lesbare Gestaltung des Verkaufspreises sei jedoch eine einheitliche und transparente Information der Verbraucher möglich, die dazu führe, dass diese eine fundierte Entscheidung treffen könnten.

Zudem sei ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher laut EuGH in der Lage, den Preis des Erzeugnisses und den Pfandbetrag zu addieren, um den Gesamtbetrag zu ermitteln, den er zum Zeitpunkt des Kaufs zu entrichten habe. In den vorherigen Schlussanträgen wurde ebenfalls klargestellt, dass das Pfandsystem einen Anreiz geben solle, solche Produkte zu kaufen, bei denen der Behälter recycelt werde. Wäre der Pfandbetrag nun im Gesamtpreis enthalten, könne dies die Konsequenz haben, dass der Gedanke des Umweltschutzes, wenn auch unbewusst, nicht mehr ausreichend verfolgt werde. Aus den genannten Gründen werden Verbraucher auch in Zukunft damit rechnen müssen, dass Pfand und Verkaufspreis gesondert aufgeführt werden.

ezo