Die Vorschriften zum Schutz von Nichtrauchern und der Gesundheit junger Menschen wurden in der EU in den vergangenen Jahren immer wieder ausgeweitet. Dadurch ist es mittlerweile unumgänglich, dass Tabakprodukte mit großen Warnhinweisen und Schockbildern versehen werden. Doch zu genau diesen Warnhinweisen muss der BGH bald ein Urteil fällen, zu dem der EuGH nun Vorlagefragen beantwortet hat. Dabei kommt es dem EuGH anscheinend auf einen möglichst großen Schutzbereich der Tabak-Richtlinie an und er urteilt, dass Warnhinweise nicht nur auf Zigarettenpackungen selbst, sondern auch auf fast allen Abbildungen von Packungen zu sehen sein müssen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat darüber entschieden, wie und wo Warnhinweise auf Zigarettenschachteln sichtbar sein müssen. Der gemeinnützige Verein Pro rauchfrei verklagte in Bayern den Betreiber zweier Supermärkte in denen Zigaretten an den Kassen käuflich waren. Dabei waren die Schachteln für die Kunden nicht sichtbar, sondern wurden in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten. Wenn das Kassenpersonal die Freigabe des Automaten bestätigte, konnte der Kunde eine Auswahltaste drücken, wodurch die gewünschte Packung aus dem Automaten direkt auf das Kassenband befördert wurde. Die Auswahltasten waren mit grafischen Darstellungen der Zigarettenmarken versehen, jedoch ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise zu Gesundheitsschädigungen.

Der Verein Pro Rauchfrei erhob deshalb zunächst Klage vor dem Landgericht (LG) München, um dem Supermarktbetreiber zu verbieten, Zigaretten in dieser Weise anzubieten. Nach Ansicht des Vereins dürften die Warnhinweise nicht derart verdeckt werden. Mit seiner Klage blieb der Verein vor dem LG und dem Oberlandesgericht München erfolglos und legte Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein. Dieser legte den Fall im Wege der Vorabentscheidung dem EuGH vor, welcher nun entschied, dass es nicht ausreicht, dass ein Kunde vor Kaufabschluss noch die Warnhinweise wahrnehmen kann, wenn durch den Ausgabeautomat zuvor schon gegen die Tabak-Richtlinie (RL 2014/40/EU) verstoßen würde (Urteil v. 09.12.2021, Rechtssache C-370/20).

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Warnhinweise müssen auch auf „Bilder von Packungen“

Art. 8 der Tabak-Richtlinie:

(1) Jede Packung eines Tabakerzeugnisses und jede Außenverpackung trägt gesundheitsbezogene Warnhinweise gemäß diesem Kapitel in der oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis in Verkehr gebracht wird.

[…]

(8) Bilder von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, müssen den Bestimmungen dieses Kapitels genügen.

Der BGH formulierte insgesamt vier Vorlagefragen für den EuGH, die sich auf die Auslegung der Tabak-Richtlinie beziehen. Die maßgebliche Frage bezog sich dabei auf Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie, der festlegt, dass auch Abbildungen von Zigarettenpackungen den Vorgaben zu Warnhinweisen genügen müssen. Der Ausdruck „Bilder von Packungen“ sei aber weder im Art. 8 noch an anderer Stelle in der Richtlinie definiert, so der EuGH. Demnach müsse die Vorschrift nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Kontextes ausgelegt werden. Zudem seien nach Ansicht des Generalanwalts auch die verschiedenen Sprachfassungen zu berücksichtigen. Denn dem Wort für Bild würde in den verschiedenen Sprachen auch eine unterschiedliche Bedeutung zukommen, die sich auf Nachahmungen von Umrissen, Proportionen, Farben und Formen des wiedergegebenen Gegenstands erstrecke.

Die Richter des EuGH folgern aus der Auslegung, dass mit dem Begriff Bild jedenfalls jede naturgetreue Wiedergabe von Verpackungen gemeint sei, die Vorschrift aber auch nicht nur auf solche Wiedergaben beschränkt sein könne. Zudem entspreche es auch dem Sinn und Zweck der Richtlinie den Begriff weit auszulegen. Denn die Vorschrift diene nicht nur dem Schutz der Gesundheit, besonders für junge Menschen, sondern solle auch dem reibungslosen Ablauf des Binnenmarktes beitragen. Dies könne nur dann erfüllt sein, wenn die Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten möglichst gleich sind.

Weiterhin führte der Generalanwalt schon in seinen Schlussanträgen aus, denen sich der EuGH anschloss, dass in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie ein Verbot der Verdeckung der Warnhinweise statuiert sei. Der Absatz 8, der auch die Warnhinweise auf Bildern vorschreibt, soll dabei das Verbot unterstützen, indem verhindert wird, dass Einzelhändler versuchen, die Warnhinweise zu verdecken, indem die statt der Originalpackungen nur Abbildungen dieser zeigen. Folglich zeige auch dieses systematische Argument, dass die Formulierung „Bild von Packungen“ weit zu verstehen sei, um Umgehungen der Warnhinweispflicht zu verhindern. Der EuGH kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass nicht nur auf naturgetreuen, also fotografischen Abbildungen von Zigarettenschachteln die Warnhinweise zu sehen sein müssten, sondern auf allen Abbildungen, die Verbraucher mit den Zigaretten assoziieren, sodass sie einen Kaufimpuls auslösen könnten.

BGH muss endgültige Entscheidung treffen

Der EuGH darf im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV ausschließlich Fragen über die Auslegung des EU-Rechts beantworten. Er führt deshalb aus, wie Art. 8 der Tabak-Richtlinie zu verstehen sei, trifft aber keine Sachentscheidung über den konkreten Fall. Deshalb weist er auch in der Entscheidung darauf hin, dass nun der BGH nun entscheiden muss, ob die Darstellungen der Zigarettenpackungen in den beiden in Rede stehenden Supermärkten unter den Begriff „Bilder von Packungen“ fallen. Dadurch, dass der EuGH aber eine sehr weite Auslegung des Begriffs für notwendig hält, scheint es wahrscheinlich, dass der Verein Pro Rauchfrei im Revisionsverfahren vor dem BGH bald erfolgreich sein könnte. Denn in einer weiteren Vorlagefrage beantwortete der EuGH auch, dass eine spätere Möglichkeit der Wahrnehmung der Warnhinweise, den ersten Verstoß durch die Verdeckung nicht heilen könne. Wenn also der Ausgabeautomat im Supermarkt gegen die Richtlinie verstoßen sollte, wäre es nicht mehr beachtlich, dass der Kunde die Warnhinweise noch vor Kaufabschluss auf der Packung selbst sehen kann.

ses