Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen das Technologieunternehmen Apple nach den neuen Vorschriften für Digitalkonzerne eingeleitet. Es handelt sich insgesamt um das vierte große Digitalunternehmen, gegen das das Amt mit dem neuen Instrument vorgeht.

In den vergangenen Monaten hat das Bundeskartellamt verschiedene wettbewerbsrechtliche Verfahren gegen drei der vier größten US-Technologieunternehmen eröffnet.

Nach der Einleitung der Verfahren gegen Facebook am 28.01.2021, gegen Amazon am 18.05.2021 und gegen Google am 25.05.2021 hat das Bundeskartellamt mit der Einleitung des jüngsten Verfahrens gegen den Digitalkonzern Apple am 21.06.2021 das sogenannte GAFA-Quartett (Google, Amazon, Facebook, Apple) vervollständigt.

Rechtliche Grundlage für die Verfahren

Die rechtliche Grundlage für diese Verfahren bildet seit der zehnten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Januar 2021 der § 19a Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Diese Vorschrift soll ein effektives und frühes Eingreifen der Amtes gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne ermöglichen. Zur Erfüllung dieses Zweck spricht die Norm dem Bundeskartellamt weitgehende Befugnisse zu.

Dadurch soll das Bundeskartellamt bestimmte Verhaltensweisen der Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb untersagen können. Einen Katalog für diese Verhaltensweisen bietet § 19a Abs. 2 GWB:

§ 19a GWB

(1) Das Bundeskartellamt kann durch Verfügung feststellen, dass einem Unternehmen (…) eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Bei der Feststellung der überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb sind insbesondere zu berücksichtigen (…)
(2) Das Bundeskartellamt kann im Falle einer Feststellung nach Absatz 1 dem Unternehmen untersagen,

  1. beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln (…)
  2. Maßnahmen zu ergreifen, die andere Unternehmen in ihrer Geschäftstätigkeit auf Beschaffungs- oder Absatzmärkten behindern, wenn die Tätigkeit des Unternehmens für den Zugang zu diesen Märkten Bedeutung hat (…)
  3. Wettbewerber auf einem Markt, auf dem das Unternehmen seine Stellung, auch ohne marktbeherrschend zu sein, schnell ausbauen kann, unmittelbar oder mittelbar zu behindern (…)
  4. durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen (…)
  5. die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten zu verweigern oder zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern;
  6. andere Unternehmen unzureichend über den Umfang, die Qualität oder den Erfolg der erbrachten oder beauftragten Leistung zu informieren oder ihnen in anderer Weise eine Beurteilung des Wertes dieser Leistung zu erschweren;
  7. für die Behandlung von Angeboten eines anderen Unternehmens Vorteile zu fordern, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Grund der Forderung stehen (…)

Das Verfahren gemäß § 19a GWB ist in zwei Abschnitte eingeteilt.

So muss in einem ersten Schritt zunächst festgestellt werden, ob dem Unternehmen eine „überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“ zukommt. Erst, wenn dies zu bejahen ist, kann das Bundeskartellamt dem Unternehmen in einem zweiten Schritt bestimmte wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen untersagen.

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Jüngstes Verfahren gegen Apple

Das Verfahren gegen Apple befindet sich zunächst auf der ersten Stufe.

Das Kartellamt wird jetzt prüfen, ob Apple rund um das iPhone mit dem proprietären Betriebssystem iOS ein digitales Ökosystem über mehrere Märkte errichtet hat. Apple stellt Tablets, Computer und „Wearables“ her und vertreibt eine Reihe gerätebezogener Services und Dienstleistungen. Neben verschiedenen Hardware-Produkten des Konzerns sind im Geschäftsbereich Services der App Store, die iCloud, AppleCare, Apple Music, Apple Arcade, Apple TV+ sowie weitere Dienstleistungen und Services zusammengefasst. Das Kartellamt wird sich neben der Stellung des Konzerns in diesen Bereichen unter anderem auch mit der weitreichenden Integration über mehrere Marktstufen, der technologischen und finanziellen Ressourcenstärke des Unternehmens sowie seinem Zugang zu Daten beschäftigen. Ein Schwerpunkt der Ermittlungen wird auf dem Betrieb des App Stores liegen, da er Apple vielfach befähigt, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit Dritter zu nehmen.

Ausgehend von diesem ersten Verfahren können im zweiten Schritt die Verhaltensweisen des Unternehmens auf ihre Zulässigkeit geprüft werden.

Diesbezüglich liegen dem Amt bereits Beschwerden bzgl. etwaiger wettbewerbsgefährdender Praktiken vor. Dazu zählen laut der Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 21.06.2021 „unter anderem eine Verbändebeschwerde aus der Werbe- und Medienbranche, die sich gegen Apples Tracking-Einschränkung von Nutzern im Zusammenhang mit der Einführung des Betriebssystems iOS 14.5 richtet, und eine Beschwerde gegen die ausschließliche Vorinstallation von konzerneigenen Anwendungen als möglicher Unterfall einer nach § 19a GWB verbotenen Selbstbevorzugung. Darüber hinaus wird von App-Entwicklern der Zwang zur Nutzung des Apple-eigenen Systems für In-App-Käufe (IAP) sowie die damit verbundene Provisionshöhe von 30 Prozent kritisiert. Zudem werden die damit in Zusammenhang stehenden Marketingbeschränkungen im App Store thematisiert. Letztgenannte Beschwerde weist Parallelen zum laufenden Verfahren der Europäischen Kommission gegen Apple wegen der Beschränkungen des Streamingdienstes Spotify und einer entsprechenden Bevorzugung eigener Dienste auf. Das Bundeskartellamt wird sich insoweit ggf. mit der Europäischen Kommission sowie weiteren Wettbewerbsbehörden in Verbindung setzen. Über die Einleitung eines weiteren Verfahrens ist noch nicht entschieden worden.“

Was ist mit den anderen Verfahren?

Während die Verfahren gegen Apple und Amazon scheinbar die Frage betreffen, ob eine marktübergreifende Bedeutung vorliege, werden in den Verfahren gegen Google und Facebook weitere Fragen aufgeworfen.

So beschäftigt sich das Bundeskartellamt in dem Verfahren gegen Facebook neben der marktübergreifenden Bedeutung des Unternehmens zusätzlich mit der Frage, ob möglicherweise eine unzulässige Verknüpfung der Social-Plattform mit der Nutzung seiner neuen Oculus-Brille, einer VR-Brille, vorliegt.

Auch im Verfahren gegen Google geht das Bundeskartellamt noch zusätzlich einer weiteren Frage nach. Hier wird geprüft, ob Google die Nutzung seiner Dienste von einer Zustimmung zu der Datenverarbeitung abhängig macht, bei der es keine ausreichenden Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verarbeitung der Daten gibt.

Aussichten

Auch, wenn die Befugnisse des Bundeskartellamtes auf den ersten Blick sehr vorteilhaft erscheinen und ein schnelles Verfahren ermöglichen, so sind auch die negativen Aspekte zu berücksichtigen.

Da die Eingriffsbefugnisse sehr weit sind und die Beweislast zu Lasten des Unternehmens geht, hängt vieles von der Einsichtsfähigkeit des Bundeskartellamtes ab. So müssen die beiderseitigen Interessen, unter anderem das von den Digitalunternehmen ausgehende Innovationspotential, berücksichtigt werden.

Eine Fehlentscheidung kann nur durch ein gerichtliches Verfahren korrigiert werden. Rechtsmittel gegen die § 19a GWB Entscheidungen sind ausschließlich an den Bundesgerichtshof zu richten. Diese Rechtswegsverkürzung soll der Beschleunigung des Verfahrens dienen. Zudem soll verhindert werden, dass große Digitalunternehmen durch viele Gerichtsverfahren die neuen Regelungen zu umgehen versuchen und Urteile nicht erst dann ergehen, wenn Wettbewerber bereits aus dem Markt verdrängt wurden.

Es bleibt also mit Spannung zu erwarten, wie sich die Rechtsprechung in der kommenden Zeit zu § 19a GWB äußern wird.

jwi