Die Bezeichnung „Wissenschaftlicher Dienst“ eines Unternehmens ist irreführend, sofern keine vollumfängliche wissenschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird. Weiterhin ist eine Werbung mit einer Studienlage unzulässig, wenn diese sich auf eine einzige Studie erschöpft und zudem weder öffentlich zugänglich noch dem Werbenden selbst bekannt ist. Das entschied das OLG Karlsruhe.

Ein Mannheimer Unternehmen nennt sich „Wissenschaftlicher Dienst für Familienfragen“. Das im Internet angebotene Geschäftsmodell der Firma besteht darin, in familienrechtlichen Streitigkeiten eingeholte psychologische Gutachten anzugreifen. Dabei warb das Unternehmen damit, dass 75 % der familienpsychologischen Gutachten mangelhaft und somit anfechtbar seien. Darin sah ein Wirtschaftsverband einen Wettbewerbsverstoß und verklagte die Firma.

Das Landgericht (LG) Mannheim entschied, dass sowohl die Werbung für die Erstellung von Privatgutachten als auch die Bezeichnung des Unternehmens irreführend seien (LG Urt. v. 11.05.2022, Az. 14 O 190/21). Dies wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe nun bestätigt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.01.2023, Az. 6 U 233/22).

Ein wissenschaftlicher Dienst muss wissenschaftlich arbeiten

Die Bezeichnung „Wissenschaftlicher Dienst für Familienanfragen“ vermittle laut OLG, dass das Unternehmen auf dem Gebiet der Familienfragen beratend auf wissenschaftlicher Grundlage tätig werde. Die Tätigkeit der Mannheimer Firma beschränke sich aber auf den Verkauf von „Gegengutachten“, welche immer in der gleichen Art und Weise angefertigt würden und somit nicht mit dem Begriff „wissenschaftlicher Dienst“ in Einklang zu bringen seien. Weiterhin verstehe die Allgemeinheit die Bezeichnung insoweit, dass eine – in der Regel staatliche – Einrichtung zu wissenschaftlichen Fragen Untersuchungen anstelle oder den Stand der Forschung ermittele. Die Gutachten des Unternehmens hätten laut dessen Angaben das Ziel, andere Sachverständigengutachten „zu zerpflücken“ und erfüllten diesen Anspruch demnach nicht.

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Studienlage muss vorliegen und öffentlich zugänglich sein

Weiterhin sei die Behauptung, dass 75 % der familienpsychologischen Gutachten mangelhaft und somit anfechtbar seien, sowohl unzutreffend als auch irreführend. Dazu führt das OLG Karlsruhe aus, dass eine einzige Studie, die zur Werbung einer angeblichen Studienlage angeführt werde, wenigstens öffentlich zugänglich oder dem beklagten Unternehmen bekannt sein müsse. Besonders fachliche Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung seien nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Dies sei bei einer Studienlage, die nur auf eine einzige – zudem weder veröffentliche noch dem Unternehmen vollständig bekannte – Studie gestützt werde, nicht der Fall.

Zuletzt sei nach dem OLG auch die Werbung der Firma, eine Begutachtung erfolge aus „fachpsychologischer Sicht“, irreführend. Zwar würden die Gutachten von einer Diplom-Psychologin angefertigt, welche den Titel „Fachpsychologin für Familienpsychologie WDfF“ trage, dieser würde aber von dem Unternehmen selbst – nach einer zweijährigen Tätigkeit dort – verliehen. Eine durchschnittliche Person erwarte bei dem Begriff eines Fachpsychologen, dass eine Zusatzqualifikation mit abgelegter offizieller Prüfung absolviert worden sei und dieser nicht nach bloßer zweijähriger Arbeit in dem Unternehmen verliehen werde. Insofern sei auch die objektiv richtige Angabe nicht geeignet, dem erweckten Eindruck einer „fachpsychologische Sicht“ gerecht zu werden. Dieser Fehlvorstellung müsse das Unternehmen durch eine Aufklärung des Begriffes entgegenwirken.

jsc