Wer beim Umzug den Stromvertrag kündigen will, darf nicht an Formularen und Fristen scheitern. Das KG Berlin hat die Masche zweier Anbieter gestoppt und das Sonderkündigungsrecht gestärkt. Erfahren Sie, warum das Urteil wichtig ist und welche Folgen es für Verbraucher und Versorger hat.
Ein Stromversorger darf das gesetzliche Sonderkündigungsrecht beim Wohnungswechsel nicht durch zusätzliche Hürden aushebeln. Das Kammergericht (KG) Berlin hat entschieden, dass die von Voxenergie und Primastrom verlangte Vier Wochen Voranmeldung per firmeneigenem Formular unzulässig ist, weil sie Verbraucher unangemessen benachteiligt und gegen § 41b Energiewirtschaftsgesetz verstößt (KG Berlin, 30. April 2025, Az. 23 UKl 9/24).

Kündigung beim Umzug unter der Lupe
Wer umzieht, möchte Strom und Gas am neuen Wohnort sicher und möglichst reibungslos beziehen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz steht Haushaltskunden dabei ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Sie können den laufenden Liefervertrag bis sechs Wochen vor dem Auszug beenden. Das Recht bleibt nur dann ausnahmsweise ohne Wirkung, wenn ihr bisheriger Versorger innerhalb von zwei Wochen erklärt, den Vertrag am neuen Zählpunkt unverändert fortzusetzen. Eine Anzeige des Umzugs genügt, denn ein spezielles Formular oder eine längere Vorlaufzeit verlangt das Gesetz nicht.
Mit diesem klaren Schutzgedanken kollidierten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zweier Berliner Anbieter. Voxenergie GmbH und Primastrom GmbH – beide Töchter der Prima Holding – verpflichteten ihre Kunden, den geplanten Wohnungswechsel mindestens vier Wochen vor dem Umzugstermin zu melden. Zugleich mussten die Betroffenen ein hausinternes Formular vollständig ausfüllen und diverse Nachweise beifügen. Geschah das nicht, sollten sie auch nach dem Auszug weiter für jede Kilowattstunde an der alten Adresse zahlen. Der Text der beanstandeten Klausel stellte ausdrücklich in Aussicht, dass das Recht zur vorzeitigen Vertragsbeendigung nur „gewährt“ werde, wenn alle Formularpflichten erfüllt seien.
Diese Praxis rief den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf den Plan. Der Verband rügte eine unzulässige Einschränkung des Sonderkündigungsrechts und klagte vor dem KG Berlin auf Unterlassung. Zuvor hatte das Bundesamt für Justiz das Verfahren in das Verbandsklageregister aufgenommen.

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Gericht setzt klare Grenzen für Vertragsklauseln
Das KG kam zu dem Schluss, dass die Klausel von wesentlichen Grundgedanken des § 41b Energiewirtschaftsgesetz abweiche. Das Gesetz sehe keine Vier Wochen Frist vor. Ebenso verbiete es, das Kündigungsrecht von der Nutzung eines bestimmten Formulars abhängig zu machen. Die Formulierung, wonach der Anbieter das Recht „gewährt“, kehre das gesetzliche Regel Ausnahme Modell um. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die Kündigung die Regel. Nur wenn der Versorger binnen zwei Wochen aktiv werde, bleibe der Vertrag bestehen. Die beanstandete Klausel lasse dagegen die Fortführung des Vertrags zum Normalfall werden und degradiere das Kündigungsrecht zum Gnadenakt des Lieferanten. Damit liege eine unangemessene Benachteiligung vor.
Das KG sah überdies eine intransparente Darstellung der Rechtslage. Ein durchschnittlicher Kunde könne nach der Klausel annehmen, er verliere sein Kündigungsrecht bereits dann, wenn er den Umzug nicht fristgerecht und formvollendet anzeige. Das KG betonte, dass das Energiewirtschaftsgesetz eine solche Ausschlussfrist nicht kenne. Eine Regelung, die das Gegenteil suggeriere, verschleiere den gesetzlichen Schutz und verhindere eine freie Entscheidung des Verbrauchers.
Auch wurde die Zahlungspflicht für Strom an der alten Verbrauchsstelle beanstandet. Die Klausel stelle laut KG eine pauschale Schadensersatzvereinbarung dar, die gegen § 309 Nr. 5 b BGB verstoße. Sie lasse keinen Nachweis eines geringeren Schadens zu und führe deshalb zu einer unzulässigen Überkompensation.
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Da alle Teilregelungen eng miteinander verwoben seien, erklärte das KG die komplette Klausel für nichtig. Eine Teilung schied aus, weil der verbleibende Klauselrest keinen sinnvollen, eigenständigen Gehalt behalten hätte.
Schließlich untersagte das KG den beiden Energieunternehmen, identische oder sinngleiche Bestimmungen künftig zu verwenden oder sich auf sie zu berufen. Für jeden Verstoß droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft gegen die Geschäftsführung.
Das KG ließ die Revision nicht zu. Es sah weder klärungsbedürftige Rechtsfragen noch Abweichungen von höchstrichterlicher Rechtsprechung. Das Urteil ist daher rechtskräftig, wenn nicht binnen eines Monats Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingelegt wird.
Fazit und Ausblick
Das Urteil macht klar, dass Versorger das Sonderkündigungsrecht beim Umzug nicht durch eigene Formulare oder Fristen ausbremsen dürfen. § 41b Energiewirtschaftsgesetz lässt keine Gestaltungsspielräume für zusätzliche Kündigungsvoraussetzungen. Andere Anbieter, die ähnliche Klauseln verwenden, müssen ihre Vertragsbedingungen jetzt dringend prüfen und anpassen. Verbraucher sollen Umzüge frei von bürokratischen Hürden gestalten können.
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