Online-Lieferdienste gibt es wie Sand am Meer. Für die schnelle Lieferung von Lebensmitteln haben insbesondere die Lieferdienste Flink, Gorillas und Getir etabliert. Nun wurden alle drei Lieferdienste wegen unterschiedlicher Verstöße von der Verbraucherzentrale abgemahnt. Neben unzulässigen Vertragsklauseln fehlten bei den gelieferten Waren auch wichtige Angaben zu den Lebensmitteln. Während Gorillas und Flink zusicherten, die monierten Verstöße abzustellen, zog Getir vor Gericht. 

Foto: Gorillas

Getir bietet seinen Kunden die Lieferung von Lebensmitteln per App an. Vom Lieferdienst angenommene Bestellungen sollten den Käufern innerhalb von zehn Minuten mittels Kuriers zugestellt werden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gab es zu dieser Kondition folgende Beschreibung: „Der Kaufpreis für die bestellte Ware sowie die anfallenden Liefer- und sonstigen Gebühren sind bei Bestellung zu entrichten (Vorkasse).“ Die Verbraucherzentrale kritisierte, dass eine Zahlung erfolgen müsse, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch kein wirksamer Kaufvertrag vorliege. Hierin sah die Verbraucherzentrale eine unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern. Das Landgericht (LG) Berlin hat nun über die Rechtmäßigkeit der Klausel entschieden (Urt. v. 08.11.2022, Az. 15 O 34/22).

Kritische AGB-Klauseln sind unwirksam

Das LG stellte fest, dass die AGB-Klausel die Vertragspartner unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Die Unwirksamkeit begründe sich aus dem Umstand, dass der Bestellende bei der Bestellung per App zahlen müsse, zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar kein Vertrag vorliege. Ein solcher Vertrag komme erst mit der Annahme der Bestellung durch den Lieferdienst zustande. Das Landgericht sah hierin einen Verstoß gegen die zivilrechtlichen Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen. Genauer sind danach Klauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

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Verstoß gegen Treu und Glauben

Vorliegend verstoße die Klausel bereits gegen Grundgedanken des zivilrechtlichen Kaufrechts, so das LG Berlin. Danach könne ohne einen Kaufvertrag keine Leistung gefordert werden. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Zahlung vor Vertragsschluss gefordert werden, was einen groben Verstoß bedeute. Ausnahmsweise könne so eine Konstellation keinen Verstoß darstellen, wenn ein schützenswertes Interesse erkennbar wäre. Selbst die Schnelllebigkeit des Online-Geschäfts mit Lebensmitteln könne eine Regelung, mit der die Verbraucher zu einer Zahlung vor Vertragsschluss verpflichtet werden, nicht rechtfertigen – auch nicht mit Blick auf die erhöhten Risiken durch die Verderblichkeit von Lebensmitteln und die Lieferung an Orte der Öffentlichkeit. Vielmehr hätte der Lieferdienst solchen Risiken beispielsweise mit einer Vorleistungspflicht begegnen können. Eine Vorleistungspflicht würde in diesem Fall bedeuten, dass bei einem Kaufvertrag die Kaufpreiszahlung und Lieferung nicht zur gleichen Zeit fällig sind, sondern zeitversetzt. Der Besteller hätte dann den Kaufpreis vorher zu leisten gehabt. Der Unterschied ist, dass zu diesem Zeitpunkt ein Kaufvertrag aber schon bestünde. Dadurch würde ein Verstoß gegen geltendes Recht vermieden werden können.

Der Lieferdienst Getir lieferte überdies Waren ohne Nährwertdeklaration und ohne Angabe des Herkunftslandes aus. Die Pflicht zur Angabe dieser Informationen würde auch für den Fernabsatz mit Lebensmitteln bestehen. Auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Grundpreisangabe sei anzunehmen. Der Grundpreis sei missverständlich, unklar und nicht gut lesbar angegeben worden sein. Dadurch habe der Lieferdienst die Verbraucher nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in die Irre geführt. Das Vorenthalten von Informationen gefährde Verbraucher und somit auch die Nutzer des Lieferdienstes.

jvo/ezo