Der Rundfunkbeitrag steht auf dem Prüfstand: Das BVerwG hat entschieden, dass Gerichte künftig prüfen dürfen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem gesetzlichen Funktionsauftrag genügt. Nur bei grober und anhaltender Verfehlung der Programmvielfalt könnte die Beitragspflicht verfassungswidrig sein. Was bedeutet das konkret?

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass die Zahlungspflicht für den Rundfunkbeitrag dann nicht mehr verfassungsgemäß ist, wenn das Gesamtprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über einen längeren Zeitraum hinweg den Anforderungen an Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt. Gerichte sind künftig gehalten, entsprechende Einwände inhaltlich zu prüfen – sofern konkrete Anhaltspunkte für strukturelle Defizite vorliegen. Ein bloßes Gefühl der Einseitigkeit reicht jedoch nicht aus (Urt. v. 15.10.2025, Az. 6 C 5.24).

In der konkreten Sache wurde das Berufungsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben, da es zentrale verfassungsrechtliche Anforderungen verkannt habe. Der Fall wurde dorthin zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

Verweigerte Zahlung wegen angeblich mangelhafter Programmvielfalt

Hintergrund der Entscheidung war eine juristische Auseinandersetzung zwischen einer Rundfunkteilnehmerin aus Bayern und dem für die Beitragserhebung zuständigen öffentlich-rechtlichen Beitragsservice. Die Frau hatte sich geweigert, den Rundfunkbeitrag für den Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022 zu zahlen – ein Gesamtbetrag in Höhe von 63,53 Euro. Ihre Begründung war ungewöhnlich, aber juristisch anspruchsvoll: Sie war der Auffassung, dass das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot weder vielfältig noch ausgewogen sei. Damit erfülle es seinen verfassungsrechtlichen Funktionsauftrag nicht. Aus dieser behaupteten strukturellen Pflichtverletzung leitete sie ein Leistungsverweigerungsrecht ab.

Zentrale Argumentation war, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Rolle als Gegengewicht zu privatwirtschaftlich organisierten Medien nicht mehr gerecht werde. Die Sender würden im Wesentlichen eine staatlich geprägte Meinung wiedergeben und damit ihren Informationsauftrag verfehlen. Aus Sicht der Beitragspflichtigen falle dadurch der „individuelle Vorteil“ weg, auf den das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) seine Rechtsprechung zur Beitragspflicht gestützt habe. Wenn ein solcher Vorteil nicht mehr gegeben sei, dürfe der Beitrag auch nicht erhoben werden. Im Ergebnis müsse also keine Zahlung erfolgen, solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Funktionsauftrag verfehle.

Instanzenweg: Zwei Niederlagen  

Zunächst blieb die Argumentation der Frau jedoch erfolglos. Das Verwaltungsgericht München wies ihre Klage zurück und betonte, dass schon die Möglichkeit, das öffentlich-rechtliche Angebot zu nutzen, den Beitrag rechtfertige. Auf etwaige Defizite im Programm komme es dabei nicht an. Ein Leistungsverweigerungsrecht lehnte das Gericht klar ab (Urt. v. 21.09.2022, Az. M 6 K 22.3507).

Unser Partner PrivacyReclaim kämpft gegen den fragwürdigen Umgang des Social-Media-Giganten Meta mit Ihren Daten. Durch den Verkauf Ihrer Ansprüche erhalten Sie direkt 50 Euro - das Risiko trägt allein PrivacyReclaim.

Auch in der Berufungsinstanz blieb der Erfolg aus. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Richter stellten klar, dass es auf etwaige inhaltliche oder strukturelle Mängel im Programmangebot nicht ankomme. Entscheidend sei allein die abstrakte Möglichkeit der Nutzung. Darüber hinaus verwies das Gericht darauf, dass für programmbezogene Beschwerden institutionelle Gremien wie die Rundfunkräte zuständig seien. Der Frau stehe somit ein anderer Weg offen, etwa durch eine Programmbeschwerde (Urt. v. 17.07.2023, Az. 7 BV 22.2642).

Gleichwohl ließ der VGH die Revision zum BVerwG zu – mit der Begründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Damit war der Weg frei für eine Überprüfung durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht.

BVerwG: Programmvielfalt ist konstitutiv für Beitragspflicht

Das BVerwG widersprach in seiner Entscheidung der bisherigen Auslegung durch die Vorinstanzen. Sie stellten zwar klar, dass sich die einfachgesetzliche Beitragspflicht aus § 2 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) keine wechselseitige Verknüpfung zwischen Beitragspflicht und Erfüllung des Funktionsauftrags vorsehe. Deshalb könne die Frau angebliche Defizite im Programm der Beitragspflicht auch nicht unmittelbar entgegenhalten. Weder stellten andere einfachgesetzliche Bestimmungen eine solche Verknüpfung her noch ergebe sich ein subjektiv-öffentliches Recht aus den Mediengrundrechten des Art. 5 Grundgesetz (GG).

Dann aber folgt der entscheidende Satz: „Allerdings fehlt es an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beitragspflicht des § 2 Abs. 1 RBStV, wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt.“

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Dabei stützten sie sich auf die Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG vom 18. Juli 2018 (Az. 1 BvR 1675/16 u.a.). Dort hatten die Verfassungsrichterinnen und -richter die Beitragspflicht unter anderem mit dem Argument gerechtfertigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen verfassungsrechtlich geschützten Funktionsauftrag erfülle – nämlich durch ein vielfältiges und ausgewogenes Programmangebot, um eine plurale Meinungsbildung zu ermöglichen und ein Gegengewicht zum privatwirtschaftlich organisierten Rundfunk zu schaffen. Das bedeutete allerdings, dass die abstrakte Nutzungsmöglichkeit den Beitrag nicht mehr rechtfertigen. Nur solange dieser Auftrag erfüllt werde, könne ein entsprechender Beitrag erhoben werden, schlussfolgern nun die Leipziger Richter. Werde dieser Funktionsauftrag hingegen dauerhaft verfehlt, könne der Beitrag seine verfassungsrechtliche Grundlage verlieren.

Was muss man tun, um diese „dauerhafte Verfehlung“ nachzuweisen?

Dabei machten die Richter deutlich, dass eine solche Verfehlung nicht bei gelegentlichen oder punktuellen Einseitigkeiten vorliege. Die Schwelle sei hoch. Kläger müssten folgende Schritte befolgen:

Sie müssten dem Gericht selbst hinreichende Anhaltspunkte für ein grobes Missverhältnis zwischen dem Beitrag und der Programmqualität über einen längeren Zeitraum – mindestens zwei Jahre – vorlegen. Einzelne Sendungen oder persönliche Meinungen über Programmteile seien hierfür nicht ausreichend. Erforderlich seien vielmehr objektiv überprüfbare und nachweisbare Anhaltspunkte für strukturelle Defizite im Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Programme – einschließlich Fernsehen, Hörfunk und Telemedien. In der Regel müsste dies untermauert werden durch wissenschaftliche Gutachten. Zur Darlegung solcher Missstände müssten in aller Regel wissenschaftlich fundierte Gutachten vorgelegt werden. Nur wenn diese Anhaltspunkte schlüssig und belastbar seien, sei das zuständige Verwaltungsgericht verpflichtet, in die inhaltliche Prüfung einzusteigen.

Ergäben sich daraus im Rahmen der Beweisaufnahme tatsächlich gravierende Defizite in Hinblick auf die Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit, müsse das Verwaltungsgericht das Verfahren dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorlegen – gemäß Art. 100 GG im Wege der konkreten Normenkontrolle.

Account gesperrt?

Ob auf Paypal, Amazon, Instagram, Facebook oder auf einer anderen Plattform: ein gesperrter Account kann nicht nur wütend machen sondern auch Existenzen gefährden. Häufig sind die Sperrungen zwar ungerechtfertigt, lassen sich aber manchmal nur schwer ohne anwaltlichen Nachdruck aufheben. Wir helfen Ihnen!

Mehr erfahren

Das BVerwG hob daher das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Die Vorinstanz habe sich zu Unrecht geweigert, das Vorbringen der Beitragspflichtigen inhaltlich zu prüfen. Ein einfaches Abstellen auf die Nutzungsmöglichkeit genüge nicht, wenn substanziierte Einwände gegen die Programmqualität vorgebracht würden.

Zugleich machte das BVerwG jedoch deutlich, dass die Anforderungen an einen erfolgreichen Angriff auf die Beitragspflicht hoch seien. Das bisherige Vorbringen der Klägerin weise nach Einschätzung des Gerichts kaum Anhaltspunkte für ein grobes strukturelles Versagen der öffentlich-rechtlichen Sender auf. Es sei daher „überaus zweifelhaft“, ob im weiteren Verfahren tatsächlich eine Vorlage an das BVerfG erfolgen werde.

Unsere Kanzlei WBS.LEGAL verfügt über umfassende Erfahrung im Medienrecht und begleitet Mandantinnen und Mandanten deutschlandweit in Verfahren rund um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den Rundfunkbeitrag sowie in Fragen der Meinungs- und Rundfunkfreiheit. Wir analysieren Ihre individuelle Situation, prüfen mögliche rechtliche Schritte und vertreten Sie kompetent und engagiert vor Gericht.

Wenn Sie sich über Ihre Rechte im Medienrecht informieren möchten, sprechen Sie uns gerne an. Unsere spezialisierten Anwältinnen und Anwälte stehen Ihnen zur Seite – klar, verständlich und auf Augenhöhe.

ahe