Ein Wein kann auch dann von einem bestimmten Winzerbetrieb hergestellt sein, wenn dieser für das Keltern der Trauben eine fremde Anlage gemietet hat. Würden bestimmte Voraussetzungen vorliegen, dürfe der Winzerbetrieb bei der Vermarktung des Weins dann auch den eigenen Namen und den Begriff „Weingut“ verwenden. Dies geht aus den heute veröffentlichten Schlussanträgen des Generalanwalts des EuGH hervor.
Die Weinbereitung kann als vollständig in dem namensgebenden Weinbaubetrieb erfolgt angesehen werden, selbst wenn die Kelterung der Trauben in einer fremden gemieteten Kelteranlage erfolgt. Voraussetzung sei jedoch, dass der Inhaber dieses Betriebs die tatsächliche Leitung, die enge und ständige Aufsicht und die Verantwortung für diesen Vorgang übernehme (Schlussanträge des Generalanwalts des EuGH Manuel Campos Sánchez-Bordona v. 06.07.2023, Rs. C-354/22).
Der zugrundeliegende Rechtsstreit betrifft den Fall einer deutschen Inhaberin eines Weinbaubetriebs, die ihre Weine unter Verwendung der Begriffe „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ vermarkten möchte. Die Trauben, aus denen ihre Weine hergestellt werden, werden zum Teil auf von ihr gepachteten Grundstücken angebaut, geerntet und gekeltert. Eine dieser gepachteten Rebflächen liegt 70 km von ihrem Betrieb entfernt in dem Weinbaubetrieb eines anderen Betriebsinhabers. Die beiden Betriebsinhaber haben einen Vertrag geschlossen, in dem vereinbart ist, dass letzterer seine Rebstöcke nach vom Winzerbetrieb festgelegten Vorgaben kultiviert und diesem die Kelteranlage sodann jedes Jahr für einen Tag zur ausschließlichen Nutzung vermietet.
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Die Verwaltung verweigerte dem Winzerbetrieb jedoch die Nutzung der genannten Begriffe, woraufhin die Betriebsinhaberin Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Trier erhob. Das VG entschied zunächst zugunsten der Betriebsinhaberin. Maßgeblich für die Verwendung der Angaben „Weingut“ und „Gutsabfüllung“ sei, dass die tatsächliche Leitung, die ständige Aufsicht und die ausschließliche Verantwortung für die Weinbereitung beim namensgebenden Winzerbetrieb lägen. Die Sache ging jedoch bis vor das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig, welches die zu entscheidenden Rechtsfragen nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorlegte (Beschl. v. 10.03.2023, Az. 3 C 5.21).
Räumlicher Standort ist nicht maßgeblich
Maßgeblich war hierbei einerseits die Frage, ob unter den Begriff des „Betriebs“ ein räumlich begrenzter Bereich zu verstehen sei, der nur Rebflächen sowie Gebäude und Weinbereitungsanlagen umfasst, die nicht getrennt von den eigenen Flächen des Erzeugers des Weines liegen. Außerdem war zu entscheiden, ob davon ausgegangen werden darf, dass die Weinbereitung vollständig im eigenen Weinbaubetrieb erfolgte, wenn die Trauben in einer fremden Kelteranlage gekeltert werden würden.
Wie nun aus den Schlussanträgen des Generalanwalts zu entnehmen ist, sei der räumliche Standort der Kelteranlage nicht das maßgebliche Kriterium. Eine der Voraussetzungen sei lediglich, dass der Inhaber des namensgebenden Weinbaubetriebs eine angemessene enge und ständige Aufsicht über den Keltervorgang ausübe. Konkret sei zu prüfen, ob der Betriebsinhaber über eine hinreichende Selbständigkeit bei der Ausübung seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit und über einen gewissen Handlungsspielraum bei der Durchführung seiner Tätigkeiten verfüge. Hierfür sei unter anderem an die Verwaltung der Produktionseinheiten durch den Betriebsinhaber (und nicht unbedingt an dessen Eigentum daran) anzuknüpfen. Damit könne sich der Begriff auch auf gepachtete Flächen erstrecken. Würde man dies auf den konkreten Fall anwenden, dürfe der Begriff „Weingut“ angegeben werden, selbst wenn die Kelterung in einer weiter entfernten angemieteten Kelteranlage erfolge, die dem Inhaber dieses Betriebs zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung stehe.
Eine weitere Voraussetzung sei die Sicherstellung durch den Erzeuger, dass die Weinbereitung, die in den gemieteten Anlagen erfolgt, nach denselben Techniken oder Verfahren erfolge, die auch in dem in seinem Eigentum stehenden Betrieb verwendet werden würden.
Keine Irreführung der Verbraucher
In den Schlussanträgen wurde zudem festgestellt, dass die gemeinsame Nutzung von Betriebseinrichtungen in der Weinerzeugung in der Praxis sogar durchaus üblich und auch betriebswirtschaftlich sinnvoll sei. Sofern eine Irreführung der Verbraucher angeführt werden könnte, könne dem entgegengehalten werden, dass Verbraucher nur einen Anspruch darauf haben, dass eine Verbindung zwischen dem Wein und dem Betrieb erhalten bleibt. Dies setze aber nicht voraus, dass der Wein genau von den Flächen stammt, deren Eigentümer der Erzeuger ist. Es genüge vielmehr, dass die Weinherstellung unter seiner Leitung, Verantwortung und Aufsicht als Inhaber des Betriebs erfolgt.
Zu bedenken sei zudem, dass eine andere Beurteilung bedeuten würde, dass die Möglichkeit, Angaben wie „Weingut“ oder „Gutsabfüllung“ zu verwenden, ansonsten nur auf große Unternehmen beschränkt wäre, was der Wettbewerbsfähigkeit der Kleinerzeuger schaden und sie benachteiligen würde.
Letztlich sei es noch die Sache des vorlegenden Gerichts, zu entscheiden, ob der Grad der Mitwirkung des Erzeugers bei der Kelterung in der von ihm angemieteten Kelteranlage diese Voraussetzungen erfülle. Eine Entscheidung ist der Schlussantrag des Generalanwalts noch nicht. Der Termin für die Urteilsverkündung in Luxemburg wurde noch nicht veröffentlicht. Die Richter des EuGH orientieren sich jedoch sehr häufig an der Auffassung des Generalanwalts. Insofern bleibt die endgültige Entscheidung des EuGH noch abzuwarten.
ezo