Ein Rapper beleidigt Bundesminister in einem Musikvideo – und muss nun nicht nur eine Geldstrafe zahlen, sondern auch seine Einnahmen aus Streaming und Spenden herausgeben. Das AG Frankfurt entschied, dass auch die Kunstfreiheit Grenzen hat, vor allem dann, wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden.

Auf YouTube hat der Rapper 17.800 Abonnenten, Foto: Screenshot WBS.LEGAL

Der Rapper SchwrzVyce hat mit einem politischen Musikvideo gegen die Grenzen der Meinungsfreiheit verstoßen – und das hat für ihn straf- und einziehungsrechtliche Folgen. Das Amtsgericht (AG) Frankfurt verurteilte ihn nicht nur wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe, sondern ordnete darüber hinaus auch die Einziehung von Einnahmen aus Musikstreaming und Spenden an. Diese Einnahmen seien im unmittelbaren Zusammenhang mit der Straftat erzielt worden und dürften daher nicht beim Täter verbleiben (AG Frankfurt, 9.08.2024, Az. 916 DS 6443 Js 211140/23).

Der Fall begann im Dezember 2022, als SchwrzVyce, ein Rapper mit politischer Agenda, ein Video unter dem Titel „AfD – offizieller Wahlwerbespot“ auf verschiedenen Plattformen wie YouTube, Spotify, Facebook und Telegram veröffentlichte. In dem Video, das ihn mit einer AfD-Fahne beim Rappen durch Frankfurt zeigt, griff er unter anderem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundesfamilienministerin Lisa Paus mit massiven Beleidigungen an. Wörtlich bezeichnete er Lauterbach als „Stricher“ und Paus als „Fotze“. Die Namen und Bilder der beiden Politiker wurden dabei eingeblendet, um die Angriffe eindeutig zuzuordnen.

Das Video verbreitete sich viral und erzielte auf den genannten Plattformen insgesamt über 600.000 Aufrufe. Der Rapper generierte dadurch Einnahmen über den Musikdienstleister TuneCore sowie über ein auf den Namen seiner Tochter registriertes PayPal-Konto, auf dem gezielt Spenden für das Musikvideo eingingen. In der Summe beliefen sich diese Einnahmen auf 1.322,83 Euro.

Gericht sieht klare Beleidigung – keine Deckung durch Kunstfreiheit

Das AG Frankfurt kam zu dem Ergebnis, dass die in dem Video enthaltenen Aussagen strafbare Beleidigungen im Sinne von § 185 StGB darstellen. Die Begriffe „Stricher“ und „Fotze“ seien keine überspitzten politischen Aussagen, sondern gezielte Herabwürdigungen mit beleidigender Wirkung. In der Bezeichnung Lauterbachs als „Stricher“ sah das AG eine homophobe Herabsetzung, die den persönlichen Achtungsanspruch verletze. Auch der Begriff „Fotze“, den SchwrzVyce gegenüber Paus verwendete, sei nach Ansicht des Gerichts als sexistische und vulgäre Beleidigung zu werten, die die Betroffene auf ihre Geschlechtsmerkmale reduziere.

Das AG stellte fest, dass es sich bei beiden Aussagen nicht um Satire handle. Auch wenn das Video als Rap-Clip mit künstlerischer Gestaltung daherkomme, sei der Schutzbereich der Kunstfreiheit hier überschritten. Zwar sei die Kunstfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes grundsätzlich vorbehaltlos gewährleistet, sie finde jedoch ihre Schranken im kollidierenden Verfassungsrecht. In diesem Fall habe das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen das größere Gewicht. Die verwendeten Begriffe seien so herabwürdigend, dass sie durch keine Form der Kunst oder politischen Meinungsäußerung legitimiert werden könnten.

Das Gericht betonte, dass gerade Politiker sich einer intensiveren Kritik aussetzen müssen als Privatpersonen. Doch auch für Personen des öffentlichen Lebens gebe es Grenzen, insbesondere wenn Aussagen ausschließlich auf Diffamierung und nicht auf den sachlichen Diskurs abzielten. Nach Auffassung des AG Frankfurt stand im vorliegenden Fall nicht die politische Auseinandersetzung im Vordergrund, sondern die gezielte persönliche Herabwürdigung.

Einnahmen aus Straftat – Streaming- und Spendenbeträge werden eingezogen

Besonders deutlich wurde das AG bei der Beurteilung der finanziellen Folgen für SchwrzVyce. Die Einnahmen aus der Verbreitung des Videos seien unmittelbar aus einer strafbaren Handlung erzielt worden und unterlägen daher der Einziehung gemäß § 73 Absatz 1 und § 73c Strafgesetzbuch. Das Gericht bezifferte die Einnahmen auf 627,71 Euro aus Streamingdiensten wie Spotify und TuneCore sowie auf 695,12 Euro aus PayPal-Spenden.

Dabei wurden die Spenden anhand der Überweisungsbetreffs überprüft. Zahlreiche Spender gaben Kommentare ab wie „Danke für deinen AfD-Song“, „Mutiger Song“ oder „Spende für das Wahlvideo“. Das Gericht sah hierin einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Musikvideo und bewertete die Beträge als rechtswidrig erlangt. Zahlungen ohne klaren Bezug zum Video wurden nicht berücksichtigt. Von einem Gesamtbetrag von 720,12 Euro an Spenden wurden daher pauschal 25 Euro abgezogen.

Das AG stellte klar, dass es nicht zulässig sei, mit strafbaren Handlungen wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Gerade im digitalen Zeitalter sei es besonders wichtig, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht auch noch finanziell belohnt würden. Wer auf Kosten anderer Aufmerksamkeit und Einnahmen generiere, müsse mit der Einziehung dieser Gelder rechnen. Das Urteil diene insofern auch der Generalprävention.

Der Angeklagte selbst hatte im Prozess erklärt, er habe die Aussagen im Video nicht als Beleidigung gemeint und sich auf seine Kunstfreiheit berufen. Das AG nahm ihm diese Argumentation jedoch nicht ab. Zwar sei ihm zuzugestehen, dass er politisch Stellung beziehen wolle, doch die Art und Weise seiner Äußerungen überschreite die Grenzen des Zulässigen deutlich. Auch ein möglicher Irrtum über die strafrechtliche Relevanz seiner Aussagen sei angesichts der Schwere der Ausdrücke und der professionellen Aufbereitung des Videos nicht glaubwürdig.

Grenzen von Kunst und Meinung

Die Entscheidung des AG Frankfurt ist inzwischen rechtskräftig. Sie verdeutlicht, dass auch politisch motivierte Kunst nicht grenzenlos ist. Wer Persönlichkeitsrechte grob verletzt, muss nicht nur mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, sondern auch mit finanziellen Einbußen. Der Fall SchwrzVyce zeigt, dass Beleidigungen nicht unter dem Deckmantel von Musik oder Kunstfreiheit verbreitet werden dürfen, wenn sie gezielt Menschen herabwürdigen.

Für alle, die im Bereich politischer Äußerungen, künstlerischer Veröffentlichungen oder Social Media aktiv sind, setzt dieses Urteil ein deutliches Zeichen. Die Meinungs- und Kunstfreiheit bleibt ein hohes Gut – aber sie endet dort, wo die Würde und das Persönlichkeitsrecht anderer verletzt werden.

Wenn Sie Fragen zur strafrechtlichen Bewertung von Online-Inhalten, zur Kunstfreiheit oder zum Schutz des Persönlichkeitsrechts haben, stehen wir Ihnen bei WBS.LEGAL jederzeit beratend zur Seite. WBS.LEGAL berät Sie umfassend in allen Angelegenheiten des Medien- und Äußerungsrechts. Ob es um rechtliche Risiken bei Veröffentlichungen, die Grenzen zulässiger Kritik oder um Persönlichkeitsrechtsverletzungen geht – wir stehen Ihnen mit fundierter Expertise zur Seite. Insbesondere im digitalen Raum können auch wirtschaftliche Folgen wie die strafrechtliche Einziehung von Einnahmen drohen, wenn Inhalte gegen das Gesetz verstoßen. Wir prüfen Ihre Veröffentlichungen rechtssicher und vertreten Ihre Interessen sowohl außergerichtlich als auch vor Gericht.