Die legendären „Kohl-Protokolle“ sind seit Jahren Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Nun hat der BGH entschieden dass der Witwe des Altkanzlers Kohl kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Helmut Kohls zustehe.
Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in zwei Verfahren um das Buch „VERMÄCHTNIS – DIE KOHL-PROTOKOLLE“ Urteile verkündet. Die Revision der Kohl-Witwe Maike Kohl-Richter gegen das den von ihr geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch verneinende Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln hat er zurückgewiesen (BGH, Az. VI ZR 248/18). Zum Teil erfolgreich waren die Revisionen Kohl-Richters und des beklagten Verlags Random House („Drittbeklagte“) hinsichtlich des sich mit den Unterlassungsansprüchen befassenden Urteils des OLG Köln (BGH, Az. VI ZR 248/18).
Mittelpunkt der beiden Verfahren ist das im Oktober 2014 im Heyne Verlag erschienene Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ von Haupt-Autor Heribert Schwan und Co-Autor Tilman Jens. Das Buch enthält eine Vielzahl angeblicher Äußerungen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Es sorgte seinerzeit für Furore, weil Altkanzler Kohl in den Gesprächen mit Schwan unverblümt über andere Politiker hergezogen war. Unter anderem hatte er die Tischsitten von der jetzigen Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert. Auch über die Bundespräsidenten Wulff und Weizsäcker waren Details bekannt geworden. Die Autoren betonten, dass sämtliche Äußerungen anlässlich von Gesprächen gefallen sind, die Heribert Schwan mit Helmut Kohl zur Erstellung von dessen Memoiren geführt hatte.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Helmut Kohls
Helmut Kohl hat zu seinen Lebzeiten geltend gemacht, das Buch verletze ihn in insgesamt 116 Passagen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er hat Heribert Schwan, Tilman Jens und den Buchverlag Random House, zu dem der Heyne Verlag gehört, deshalb zum einen auf Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung dieser Passagen (Az. VI ZR 248/18) und zum anderen auf Zahlung einer Geldentschädigung in einer Größenordnung von mindestens 5 Millionen Euro nebst Zinsen (Az. VI ZR 258/18) in Anspruch genommen. Nachdem Helmut Kohl am 16. Juni 2017 und damit während des Berufungsverfahrens verstorben ist, führt seine Witwe Maike Kohl-Richter den Rechtsstreit als Alleinerbin fort.
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Entscheidung der Vorinstanzen bezüglich des Unterlassungsanspruchs
Helmut Kohl verlangte die Unterlassung der wörtlichen oder sinngemäßen Verbreitung der 116 Passagen, die ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen würden. Das Landgericht (LG) Köln hat der Klage stattgegeben (Urt. v. 27.04.2017, Az. 14 O 261/16). Hinsichtlich Heribert Schwan ist es davon ausgegangen, dieser sei bereits aufgrund einer mit Helmut Kohl anlässlich der „Memoirengespräche“ konkludent geschlossenen Verschwiegenheitsvereinbarung zur beantragten Unterlassung verpflichtet. Gegenüber Tilman Jens und dem Verlag ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 830 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn mit der Veröffentlichung und Verbreitung der betroffenen Textpassagen hätten sie Helmut Kohl in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Die Berufung von Schwan hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln zurückgewiesen (Urt. v. 29.05.2018, Az. 15 U 65/17). Auch nach Auffassung des OLG ist er aufgrund einer mit Helmut Kohl konkludent getroffenen Vereinbarung zur Verschwiegenheit über sämtliche im Rahmen der Memoirengespräche erlangte Informationen verpflichtet. Diese Verpflichtung dauere fort und könne auch nach dem Tod Helmut Kohls durch Maike Kohl-Richter geltend gemacht werden. Die Revision hat das OLG insoweit nicht zugelassen. Die von Heribert Schwan dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23.03.2021 zurückgewiesen. Insoweit ist das Verfahren abgeschlossen.
Die Berufungen von Tilman Jens und dem Random House Verlag hatten in Bezug auf eine der 116 Textpassagen voll und in Bezug auf weitere 40 Textpassagen zum Teil Erfolg. Nach Auffassung des OLG treffe die beiden zwar eine Unterlassungsverpflichtung wegen Verletzung des – nun postmortalen – Persönlichkeitsrechts Helmut Kohls. Diese Unterlassungsverpflichtung sei aber auf die wörtliche Wiedergabe und Verbreitung (angeblich) wörtlicher Zitate Helmut Kohls beschränkt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt Maike Kohl-Richter die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; Tilman Jens und der Random House Verlag begehren mit ihren Revisionen weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidung der Vorinstanzen bezüglich des Anspruchs auf Geldentschädigung
Das LG Köln hat Heribert Schwan, Tilman Jens und den Random House Verlag als Gesamtschuldner zur Zahlung von 1 Million Euro verurteilt und die Klage von Maike Kohl-Richter auf Geldentschädigung im Übrigen abgewiesen (Urt. v. 27.04.2017, Az. 14 O 323/15). Auf die Berufung hat das OLG die Klage vollumfänglich abgewiesen (Urt. v. 29.05.2018, Az. 15 U 64/17). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei nicht vererblich, weshalb der Klageanspruch jedenfalls mit dem Tod Helmut Kohls erloschen sei. Die Entschädigung habe in diesem Fall einzig dem Zweck dienen sollen, Helmut Kohl für die Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte Genugtuung zu verschaffen. Das sei aber nur bei Lebenden möglich, so das OLG. Der Entschädigungsanspruch des Altkanzlers sei mit dessen Tod erloschen und nicht auf die Erbin übergegangen.
Hiergegen wendet sich Maike Kohl-Richter mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie ist der Auffassung, dass Täter vom Tod des Opfers nicht profitieren dürfen und begehrt weiterhin eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5 Millionen Euro nebst Zinsen.
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