Die Staatsanwaltschaft hat die Redaktionsräume von Radio Dreyeckland und die Wohnungen zweier Redakteure durchsucht, weil der Radiosender die verbotene Plattform linksunten.indymedia in einem Online-Artikel verlinkt hatte. Die Durchsuchung verletzte die Rundfunkfreiheit, entschied nun das LG Karlsruhe.

Das Landgericht (LG) Karlsruhe hat drei Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts (AG) Karlsruhe in den Räumen des Radiosenders Radio Dreyeckland (RDL) und in den Wohnungen zweier Redakteure für rechtswidrig erklärt. Auch die Beschlagnahme von Daten war nach Ansicht des Gerichts rechtswidrig. Zum einen habe das AG die Voraussetzungen der Durchsuchungen als Ermittlungsmaßnahme nicht ausreichend geprüft, zum anderen seien die Ermittlungsmaßnahmen auch nicht verhältnismäßig gewesen, so das LG (Az. 5 Qs 1/23).

Das Hauptverfahren gegen einen der Redakteure wegen einer Strafbarkeit nach § 85 Strafgesetzbuch (StGB) wegen der strafbaren Unterstützung einer verbotenen Vereinigung durch das Setzen des Links auf der Homepage des Radiosenders wurde jedoch im Juni vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zugelassen.

Grund für die Durchsuchungen war, dass RDL in einem Online-Artikel die Archivseite der 2017 verbotenen Internetplattform linksunten.indymedia verlinkt hatte. Die Staatsanwaltschaft sah darin eine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung und damit einen Verstoß gegen das Vereinigungsverbot nach § 85 StGB. Die beiden betroffenen Redakteure und der Radiosender wehrten sich dagegen und legten mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse des AG ein. Das LG gab ihnen Recht.

Durchsuchung unverhältnismäßig

Das Gericht beanstandete die Durchsuchungsbeschlüsse mit der Begründung, das AG habe nicht hinreichend geprüft und dargelegt, ob die verbotene Vereinigung, die RDL durch den Link unterstützt haben soll, tatsächlich existiere. Ein für den Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen zuständiger Ermittlungsrichter müsse genau prüfen, ob die Eingriffsvoraussetzungen für eine Durchsuchung vorlägen. Denn die Durchsuchung berühre das hohe Schutzgut der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten die Durchsuchungsbeschlüsse des AG jedoch hinsichtlich des Prüfungsumfangs und der Begründung nicht, so die Richter des LG. So sahen die Richter in mehreren Punkten Mängel in der Begründung des AG.

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Darüber hinaus sei die Durchsuchungsmaßnahme unverhältnismäßig, da die Presse- und Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. So hätte das AG insbesondere die Einschüchterungswirkung, die von einer solchen Durchsuchung auf andere Redakteure ausgehe, in die Einzelfallabwägung einbeziehen müssen. Zudem wäre nach Ansicht des LG eine erneute Vernehmung das mildere Mittel gegenüber der Durchsuchung gewesen.

Die Durchsuchung bei einem Rundfunksender beeinträchtige nicht nur den Sendebetrieb, sondern störe auch das Vertrauensverhältnis zwischen Medienanstalt und Informanten, da diese eine Aufdeckung ihrer Identität befürchteten. Darüber hinaus könnten auch andere Redaktionsmitglieder in ihrer Bereitschaft zur kritischen Berichterstattung über staatliche Angelegenheiten beeinträchtigt werden, so das LG. All diese grundsätzlich zu berücksichtigenden mittelbaren Folgen einer unbeschränkten Durchsuchung seien im vorliegenden Fall gerade nicht berücksichtigt worden. Die Durchsuchungsbeschlüsse seien daher rechtswidrig.

Redakteur trotzdem angeklagt

Die Hauptverhandlung gegen Fabian Kienert, einen der Redakteure, wird dennoch stattfinden. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen ihn wurde im Juni vom OLG Stuttgart zugelassen. Das LG Karlsruhe hatte zuvor die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Nun wird das LG zu klären haben, ob sich der angeklagte Redakteur durch die Verlinkung der Website wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot strafbar gemacht hat. Dabei wird es wohl entscheidend darauf ankommen, ob das Setzen eines Links im Rahmen einer Presseberichterstattung überhaupt eine strafbare Beihilfehandlung darstellen kann.

Laut der GFF zeigt das vorliegende Verfahren erneut auf, dass die Staatsanwaltschaften derzeit besonders hart gegen vermeintlich linke Aktivisten vorgingen – immer wieder unter Verletzung der Pressefreiheit.

lyt