Das Amtsgericht Hamburg hat in einem aktuellen Hinweisbeschluss seinen Standpunkt zur Frage der Durchsetzung von Ersatzansprüchen in Filesharing-Verfahren mitgeteilt. Den Beschluss finden Sie hier.

Wie auch bereits andere Gerichte vertritt das AG Hamburg die Auffassung, dass die örtliche Zuständigkeit sich aus der Tatsache ergebe, dass das geschützte Werk bei einer öffentlichen Zugänglichmachung im Internet auch in Hamburg hat aufgerufen werden können.

Nach unserer Auffassung kanndiese Ansicht nicht greifen, weil sie ersichtlich zu einer willkürlichen Wahl des Gerichtsstandsortes führt. Selbst wenn dem Verletzten gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand (Wohnort des Beklagten) und dem besonderen Gerichtsstande (Ort der unerlaubten Handlung) zusteht, dürfte es am Ende nur auf einen Gerichtsstandort hinauslaufen: der Ort, an dem der Anschlussinhaber seinen (Wohn-)Sitz hat, an dem die Verletzungshandlung auch angeblich vorgenommen wurde. Der Vorwurf beim Filesharing ist die unerlaubte öffentliche Zugänglichmachung, als die Handlung selbst. Es ist gerade nicht maßgeblich, ob auch ein Zugriff durch Dritte erfolgte. Wenn die Rechtsprechung aber auf die theoretische Abrufbarkeit, ohne eine tatsächlich Feststellung darüber zu treffen, abstellt, werden nach unserer Auffassung zivilprozessuale Grundsätze völlig umgangen. Die Zuständigkeitsregelung des § 32 ZPO beruht auf dem Gedanken der Sachnähe, also der Tatsache, dass am Ort des Geschehens eine Sachaufklärung tatsächlich und ökonomisch am besten erfolgen kann. Da in Filesharing-Verfahren gerade dem verklagten Anschlussinhaber enorme Darlegungs-und Beweislasten aufgebürdet werden, es somit um die Umstände im Wahrnehmungsbereich des Anschlussinhabers geht, ist nicht nachvollziehbar, wie jedoch bei der Wahl des Gerichtsstandsortes auf eine tatsächlich nicht konkret festgestellte Abrufbarkeit irgendwo in Deutschland abgestellt werden kann. Mit dem Grundsatz der Zuständigkeitsordnung, ein rationelles und effektives Gerichtssystem zu ermöglichen, hat es nichts zu tun, wenn die Wahl des Gerichtsstandortes am Ende fast schon ohne Sinn und Verstand ausschließlich von der Klägerseite abhängt.

Im Übrigen vertritt das Gericht zwar grundsätzlich die Auffassung, dass die Klägerseite, also die Rechteinhaber, die Beweislast für die gerügte Verletzungshandlung trägt. Vorliegend hatte der Beklagte bestritten, dass eine voll lauffähige Aufnahme des angeblich getauschten Films zum angeblichen Tatzeitpunkt vom Internetanschluss angeboten wurde. Insofern sieht das Gericht zumindest das Erfordernis auf Klägerseite, sein Behauptung zu beweisen, ggf. durch ein Gutachten. Nichtsdestotrotz versucht sich das Gericht dennoch weiter an der sog. tatsächlichen Vermutung zu klammern, dass ein Anschlussinhaber selbst dafür verantwortlich ist, wenn über eine seinem Anschluss zuzuordnende IP-Adresse ein geschütztes Werk angeboten wurde. Zwar steht eigentlich gar nicht fest, dass vom fraglichen Anschluss die behauptete Rechtsverletzung begangen wurde (deshalb auch die erforderliche Beweisaufnahme), aber an der Vermutung wird trotzdem „ganz ganz fest“ weiter festgehalten. Das Gericht verweist insofern pauschal auf die sekundäre Darlegungslast unter Berufung auf die Sommer unseres Lebens-Entscheidung des BGH aus dem Mai 2010, der die Beklagtenseite nach Auffassung des Gerichts angeblich bisher nicht nachgekommen sei. Im gleichen Atemzug erklärt das Gericht aber darüber hinaus, dass selbst wenn der Beklagte dieser noch nachkommen würde, immer noch eine Störerhaftung in Betracht käme. Ohne auf den Umfang der sekundären Darlegungslast im Hinblick auf ein nicht-täterschaftliches Verhalten eines Anschlussinhabers hier näher eingehen zu wollen, verdeutlicht die Aussage des Gerichts dennoch, welche Beweishürden eine abgemahnte Person zu bewältigen hat. Zum einen, um seine eigene Unschuld zu beweisen, zum anderen, um zu beweisen, dass er etwaige Prüfpflichten hinsichtlich – auch volljährigen – Familienangehöriger und Dritter erfüllt hat. Leider versäumt auch dieses Gericht hier an dieser Stelle mal zu konkretisieren, wie sich Prüfpflichten konkret gestalten. Es meint lediglich, dass im vorliegenden Fall eine Störerhaftung nur dann ausgeschlossen sein könne, wenn neben dem Beklagten niemand sonst Zugang zum Computer hatte und etwaiges WLAN-Netzwerk ausreichend gesichert war. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass augenscheinlich schon die Tatsache, dass eine Ehefrau existiert, obwohl für den Beweis des Gegenteils als Zeugin angeboten, schon eine unumgängliche Störerhaftung des Anschlussinhabers auslöst.

Im Hinblick auf die Höhe der Forderungen, wird ungeachtet der Tatsache, dass das Gericht insofern selbst eine Beweisaufnahme für erforderlich hält, davon ausgegangen, dass allen Tauschbörsennutzern ein Download ermöglicht wurde. Ziemlich pauschal wird dann ein Betrag in Höhe von € 250,00 als angemessen erachtet. Ungeachtet bleibt bei dieser Auffassung, dass bei der Bemessung der Schadenshöhe auf jeden Fall eine Anrechnung statt zu finden hat, so wie es auch das OLG Köln in einem aktuellen Hinweisbeschluss zum Ausdruck gebracht hat (OLG Köln vom 30.09.2011).

ImHinblick auf die eingeklagten Abmahnkosten hält das Gericht bei einem Filmwerk einen Streitwert in Höhe von € 15.000,00 für angemessen, weil es sich um einen „hochaktuellen Film“ handele und dies im Landgerichtsbezirk Hamburg ständig in vergleichbaren Fällen als angemessen erachtet wird. Nach unserer Ansicht reicht diese Begründung für einen solchen Streitwert nicht aus. Nur weil es „immer so gemacht wird“, wird es ja nicht dadurch richtiger. Auch andere Gerichte tendieren ja zu hohen Streitwerten, allen voran das Landgericht Köln mit bis zu sechs-stelligen Streitwerten. Nach unserer Auffassung wird hierbei verkannt, dass der Streitwertbemessung keine abschreckende oder sanktionierende Wirkung zukommt. Durch die Annahme hoher Streitwerte, wird es letztlich jedoch zu einer Sanktion gegen den Abgemahnten.  Vor allen Dingen wird aber auch verkannt, dass der Bundesgerichtshof sich ziemlich eindeutig gegen hohe Abmahnkosten seit in Kraft treten des § 97a Abs. 2 UrhG ausgesprochen hat (Pressemitteilung Nr. 101/10 vom 12.05.2010).

Die Ausführungen des Amtsgerichts Hamburg mit deutlichem Schwerpunkt auf der sekundären Darlegungslast auf Seiten des Anschlussinhabers, anstatt bei der beweisbedürftigen Frage, ob überhaupt ein lauffähiges Werk über den Anschluss angeboten wurde, dürften abgemahnte Personen, denen illegales Filesharing vorgeworfen wird, nur wenig erfreuen. Insgesamt bürdet das Gericht diesen erdrückend hohe Anforderungen an den Beweis ihrer Unschuld auf und sieht hohe Schadensersatzsummen und Abmahnkosten als angemessen an. Dem Anschlussinhaber muss der Beweis einer Negativtatsache gelingen, anderenfalls muss er zahlen. Interessant wäre jedenfalls durchaus, ob die Klägerseite durch Einholen eines unabhängigen Sachverständigengutachtens nachweisen kann, dass vom Anschluss der Beklagtenseite eine voll lauffähige Aufnahme des vermeintlich getauschten Films zum Download angeboten wurde. Dies dürfte nämlich wohl schwierig werden.