Ein Berliner Bestatter protestierte mit auffälligen Plakaten gegen den Friedhofszwang und sorgte damit für Aufsehen. Auch wenn seine Aussagen zur Rechtslage nicht korrekt waren, sieht das Kammergericht darin keinen Wettbewerbsverstoß. Die Aktion sei keine Werbung, sondern politische Meinungsäußerung und damit zulässig.

Eines der Werbeplakate von Hübschmann

Wer mit drastischen Plakaten gegen die deutsche Bestattungspflicht protestiert, handelt nicht automatisch geschäftlich. Das hat das Kammergericht (KG) Berlin entschieden und eine zuvor vom Landgericht (LG) Berlin erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben. Die Plakate seien Teil einer politischen Kampagne und keine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dass ein Unternehmer dahinterstehe, reiche für einen Wettbewerbsverstoß nicht aus (Kammergericht Berlin, Urteil vom 18.02.2025, Az. 5 U 18/24).

Bestatter kämpft gegen den Friedhofszwang

Trix Hübschmann ist Bestatter und Aktivist. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, dass Angehörige in Deutschland mehr Mitspracherecht über die Beisetzung Verstorbener erhalten. Besonders wichtig ist ihm dabei der Umgang mit der Asche nach einer Feuerbestattung. In Deutschland gilt grundsätzlich Friedhofszwang. Die Urne muss auf einem Friedhof oder einem offiziell zugelassenen Ort beigesetzt werden. In anderen Ländern wie den USA, der Schweiz oder den Niederlanden ist das anders geregelt. Dort darf die Asche unter bestimmten Bedingungen auch mit nach Hause genommen werden. Für viele Menschen ist das ein Weg, Nähe zu den Verstorbenen zu bewahren. In Deutschland ist das hingegen verboten.

Hübschmann wollte das nicht länger hinnehmen. Er startete eine Spendenkampagne, mit der er gezielt gegen die deutsche Bestattungspflicht protestieren wollte. In der Kampagnenbeschreibung war die Rede von einem der größten selbst organisierten Werbeprojekte des Landes. Mit dem gesammelten Geld wurden zwei großformatige Plakate entworfen und an gut sichtbaren Orten in Berlin aufgehängt. Auf einem Plakat ist ein Bestatter zu sehen, der durch ein Fenster eine Urne an ein freundlich blickendes Kind überreicht. Der Text darüber lautet: „Ich gebe die Asche raus und das ist auch gut so“. Das zweite Plakat zeigt ein Kleinkind vor einer Urne mit dem Text: „Mein Papi kommt nach Hause“. In beiden Fällen wurde außerdem behauptet, dass in Brandenburg Bestatter die Asche direkt an Familienangehörige übergeben dürften.

Soforthilfe vom Anwalt

Sie brauchen rechtliche Beratung? Rufen Sie uns an für eine kostenlose Ersteinschätzung oder nutzen Sie unser Kontaktformular.

Einstweilige Verfügung gegen Plakate vor LG Berlin erwirkt

Diese Aussagen stießen auf Widerstand. Ein Mitbewerber aus der Bestattungsbranche beantragte daraufhin beim LG Berlin eine einstweilige Verfügung. Er war der Meinung, die Plakate seien irreführend und dienten der geschäftlichen Werbung für Hübschmanns Unternehmen.

Das LG folgte diesem Antrag und untersagte die weitere Verbreitung der Plakate. Zur Begründung führte es an, dass die Aussagen objektiv falsch seien. Denn auch in Brandenburg gelte die Regelung, dass die Asche nicht einfach an Angehörige ausgehändigt werden dürfe. Zudem liege eine geschäftliche Handlung vor, da Hübschmann ein Unternehmen betreibe und die Aussagen seinem wirtschaftlichen Vorteil dienten.

#DuBistDerBestimmer – Keine geschäftliche Handlung

Hübschmann legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein. Das KG Berlin hat ihm nun Recht gegeben.

Das KG teilte zwar die Einschätzung, dass die Aussagen auf den Plakaten juristisch unzutreffend seien. Dies sei jedoch nicht entscheidend, da ein Eingreifen des Wettbewerbsrechts nur dann möglich sei, wenn überhaupt eine geschäftliche Handlung vorliege. Nach Auffassung der Richter fehle es in diesem Fall jedoch genau daran.

Das KG erläuterte, dass eine geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ein Verhalten sein müsse, das objektiv mit dem Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen zusammenhänge. Ziel müsse es sein, die Entscheidung eines Verbrauchers in Richtung eines wirtschaftlichen Geschäfts zu beeinflussen. Diene eine Handlung jedoch in erster Linie anderen Zwecken, etwa politischen oder gesellschaftlichen Anliegen, dann fehle dieser Zusammenhang. Das gelte auch dann, wenn ein Unternehmer die Handlung vornehme.

Bei den beanstandeten Plakaten sei weder das Unternehmen Hübschmanns genannt noch ein klarer Bezug zu seinen Dienstleistungen erkennbar gewesen. Das einzige auffällige Merkmal sei das Hashtag „#DuBistDerBestimmer“ gewesen. Dieses Hashtag weise auf eine Kampagne hin, solle aber vor allem Aufmerksamkeit für ein gesellschaftliches Thema schaffen. Hashtags würden in sozialen Netzwerken verwendet, um Inhalte zu bündeln und Diskussionen auszulösen. Allein die Verwendung eines solchen Hashtags könne aber, so das KG, keinen wirtschaftlichen Zweck erkennen lassen.

Die Plakate seien auch nicht geeignet, eine unmittelbare geschäftliche Entscheidung der Verbraucher auszulösen. Wer das Hashtag online suche, werde zunächst auf verschiedene Informationsseiten und soziale Netzwerke weitergeleitet. Erst in einem späteren Schritt könne der Suchende möglicherweise auch auf Hübschmanns Unternehmen stoßen. Doch dieser Kontakt erfolge nicht unmittelbar durch die Plakate selbst, sondern erst über eine Reihe von Zwischenschritten.

Nach Auffassung des KG sei daher kein ausreichender Zusammenhang zwischen den Aussagen auf den Plakaten und dem wirtschaftlichen Handeln des Unternehmens gegeben. Auch sei es nicht entscheidend, ob die Plakate bewusst eine falsche Vorstellung über die Rechtslage in Brandenburg vermittelten. Denn ohne geschäftlichen Kontext, komme es auf die inhaltliche Richtigkeit der Aussagen im Wettbewerbsrecht nicht an.

Das LG Berlin hatte außerdem argumentiert, dass durch die Verbindung der Plakatinhalte mit Beiträgen in sozialen Netzwerken eine wirtschaftliche Wirkung erzeugt werde. Das KG wies jedoch darauf hin, dass hierfür ein weiterer Schritt nötig sei. Nur wer sich gezielt mit den Inhalten auf Plattformen wie TikTok auseinandersetze, stoße dort möglicherweise auf Hinweise zum Unternehmen Hübschmanns. Doch dieser Kontakt sei nicht durch die Plakate verursacht worden, sondern sei Ergebnis einer freiwilligen späteren Entscheidung der Nutzer.

Auch ein auf TikTok veröffentlichtes Video, in dem Hübschmann ankündigte, dass das Plakat bald vor der Nase seines Gegners hängen werde, sei unproblematisch. Der Beitrag enthalte keine konkreten geschäftlichen Aussagen und sei für sich genommen zu vage, um als Werbung gewertet zu werden.

Das KG hob die einstweilige Verfügung daher auf. Hübschmann dürfe seine Plakate weiterhin öffentlich zeigen. Selbst wenn sie inhaltlich nicht mit der Rechtslage übereinstimmten, stelle dies keinen Wettbewerbsverstoß dar. Denn das Wettbewerbsrecht greife nur dann ein, wenn eine geschäftliche Handlung vorliege. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Die Plakate seien Teil einer politischen Meinungsäußerung, nicht aber Werbung für ein Unternehmen.

tsp