Weil eine Frau von einem Rottweiler ins Ohr gebissen wurde, muss der Halter des Hundes ihr 4.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Dass sie sich zuvor zu dem Tier hinuntergebeugt und es gestreichelt hatte, stelle kein Mitverschulden dar, so das LG Frankenthal.

Wer von einem Hund gebissen wird, erhält auch dann volles Schmerzensgeld, wenn man das Tier zuvor gestreichelt hat. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal entschieden und einer Frau volles Schmerzensgeld zugesprochen, nachdem ihr ein Rottweiler-Rüde ins Ohr gebissen hatte. Zuvor hatte sich die Frau zu dem ihr vertrauten Hund hinuntergebeugt. Doch das und selbst das Streicheln oder Umarmen von Hunden stelle kein Mitverschulden dar, wenn das Tier zubeißt, so das Gericht (Urteil v. 04.11.2022, Az. 9 O 42/21).

Zum Beißvorfall kam es während eines Besuches der Frau bei einer Freundin. Wie schon mehrmals zuvor hatte sie dort mit dem Hund des Bruders der Freundin zunächst ohne Probleme gespielt und gekuschelt. Doch diesmal schnappte das Tier nach der Frau und biss ihr ins linke Ohr. Die Wunde musste mit zahlreichen Stichen genäht werden und die Frau war daraufhin mehr als eine Woche lang arbeitsunfähig. Noch immer klagt sie über fortbestehende Schmerzen bei Druck- und Kälteeinwirkungen.

Der als Halter des Rottweilers verklagte Bruder warf der verletzten Frau jedoch vor, sie habe den Unfall durch ihr eigenes Verhalten erheblich mitverschuldet. Denn sie habe sich zu dem Hund hinuntergebeugt, obwohl dieser gerade am Fressen gewesen sei und man sie zuvor davor deutlich gewarnt habe. Dieses Fehlverhalten müsse sich die Frau anspruchskürzend anrechnen lassen.

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LG Frankenthal: Streicheln eines Hundes begründet kein Mitverschulden

Das sah das LG Frankenthal anders. Denn gemäß § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt für Tierhalter eine besondere Form der Haftung, die sog. Gefährdungshaftung. Weil die Haltung von Tieren in den Augen des Gesetzgebers die Schaffung einer legalen Schadensquelle darstellt, haftet der Tierhalter demnach grundsätzlich für alle Schäden, die von seinem Tier ausgehen. Ob der Halter den Schaden auch verschuldet hat, ist für den Anspruch hingegen nicht relevant. Nur in Ausnahmefällen müssen sich die Verletzten hingegen ihr eigenes Fehlverhalten anspruchskürzend anrechnen lassen.

Ein solches Mitverschulden sei im konkreten Fall allerdings nicht erkennbar, so das Gericht. Denn das bloße Streicheln oder Umarmen eines Hundes allein könne ein Mitverschulden noch nicht begründen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Verletzte – wie hier – das Tier schon eine geraume Zeit kenne und das Tier bislang noch nicht durch ein aggressives Verhalten auffällig geworden sei.

Den Einwand des Hundehalters, die Frau habe den Hund gestreichelt, obwohl man sie zuvor deutlich davor gewarnt habe, sah das Gericht hingegen nicht als bewiesen an. Da die Beweislast für ein Mitverschulden in solchen Fällen jedoch beim Tierhalter und nicht bei dem Verletzten liege, gingen die Zweifel zu seinen Lasten. Das Gericht sprach der Frau daher das volle Schmerzensgeld zu.

Das Urteil ist rechtskräftig.

akh