Im Mai 2019 führte eine Schu­le in Os­na­brück ein AfD-kritisches Theaterstück mit dem Titel „Danke dafür, AfD“ auf. Das Theaterstück war der Partei selbstredend ein Dorn im Auge – sie klagte gegen die Auf­füh­rung und scheiterte nun vor dem VG Hannover. Sind also auch politische Theaterstücke von der Kunstfreiheit gedeckt?  

Das AfD-kritische Schultheaterstück einer Klasse aus Osnabrück war zulässig. Dies entschied nun das Verwaltungsgericht (VG) Hannover. Das Gericht sah keine Ver­let­zung von Per­sön­lich­keits- oder Parteirech­ten, die die Kunst­frei­heit hät­ten ein­schrän­ken kön­nen (Urt. v. 06.09.2023, Az. 6 A 2084/20).

„Danke dafür, AfD“ ist der Titel des Theaterstücks, mit dem eine Schulklasse in Osnabrück im Mai 2019 Aufsehen bei der dortigen AfD Niedersachsen erregte. In dem von Schülerinnen und Schülern selbstverfassten Theaterstück setzten sich diese kritisch mit Äußerungen der Partei auseinander. Die niedersächsische Landes-AfD sieht in der Aufführung eine Verletzung des Neutralitätsgebots durch unzulässige Parteinahme von Seiten der Lehrkräfte. Laut Klageantrag hätten die Lehrkräfte konkret eingreifen müssen, um eine überwiegende Positionierung der Schule durch das Stück zu verhindern.

Daneben würde das Stück den Anschein einer kausalen Verbindung zwischen Holocaust und der AfD unterstellen und suggerieren, dass die AfD einen neuen Holocaust beabsichtige. Zudem werde suggeriert, die Partei sei Verfechterin des Nationalsozialismus und befürworte Gewalt und Schusswaffengebrauch gegen Ausländer an Landesgrenzen. Der „politische Aktivismus“ habe laut der Partei an Schulen keinen Platz – das Theaterstück hätte nicht aufgeführt werden dürfen. So jedenfalls die Auffassung des AfD-Landesverbands.

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Auch politisches Theaterstück ist von der Kunstfreiheit gedeckt

Das VG Hannover sah diesen Aspekt allerdings entschieden anders. Da das Stück einzig von den Schülerinnen und Schülern erarbeitet worden war, ließ sich eine politische Meinungsäußerung oder inhaltliche Einflussnahme durch die Lehrkräfte nicht feststellen. Zudem seien die Lehrkräfte auch nicht verpflichtet gewesen, der politischen Botschaft des Stücks entgegenzuwirken. Vielmehr lasse sich das Stück als künstlerische Betätigung der Schülerinnen und Schüler selbst bewerten. Diese sei von der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) gedeckt, die auch politisches und agitatives Theater erfasse.

Kunstfreiheit vs. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Damit bildet sich ein grundrechtlicher Konflikt ab, der so gut wie jeder polit-kritischen und satirischen Aufführung eigen ist: Die Kunstfreiheit der Darbietenden gegen die Grundrechte der von der Persiflage Betroffenen – in den meisten Fällen das Persönlichkeitsrecht.

Auch die AfD konnte der Kunstfreiheit der Schülerinnen und Schüler hier nur eine Beeinträchtigung ihres aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts entgegensetzen. Allerdings hätte diese für eine Einschränkung der Kunstfreiheit laut der Kammer „schwerwiegend“ beeinträchtigt sein müssen. Das sei hier nicht der Fall. Vor allem deshalb, da die gerügte Verbindung von AfD und Holocaust und der Vorwurf der Gewaltverherrlichung nur eine der möglichen Interpretationen des Stücks seien. Aus denselben Gründen verneinte das Gericht auch eine Verletzung der AfD in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit nach Art. 21 GG.

Klage teilweise unzulässig

Ein Teil des Antrags der AfD Niedersachsen wurde daneben bereits als unzulässig abgelehnt. Darin wurde ein fachaufsichtsrechtliches Einschreiten durch das Kultusministerium gegenüber der Schule gefordert. Laut dem VG sei dies jedoch eine rein verwaltungsinterne Maßnahme, auf die die AfD als Antragstellerin keinen Anspruch habe. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Ob die AfD Niedersachsen nun in Berufung geht, bleibt abzuwarten.

the/ezo