Wer würde nicht gern mal die Rolling Stones sehen? Das dachte sich wohl auch der ehemalige Leiter des Bezirksamtes Hamburg. Nach Verhandlungen mit der Veranstaltungsagentur erhielt er 100 Freikarten für ein Konzert der Rolling Stones im Hamburger Stadtpark. Das LG Hamburg verurteilte ihn wegen Vorteilsannahme und -gewährung, nicht aber wegen Bestechlichkeit. Der Vorhang ist aber noch nicht geschlossen, denn bald wird der BGH über die Revision entscheiden.

Das Landgericht (LG) Hamburg verurteilte den ehemaligen Leiter des Bezirksamtes Hamburg wegen Vereinbarungen bei der Genehmigung eines Konzertes der Rolling Stones im Jahre 2017 wegen Vorteilsannahme und -gewährung (Urt. v. 08.04.2022, Az. 622 KLs/ 4/20). Dieses Urteil wird nun der Bundesgerichtshof (BGH) unter die Lupe nehmen.

Sieben Alben an der Spitze der deutschen Charts, mehrfache Gold- und Platinauszeichnungen in Deutschland: Zu sagen, die Rolling Stones wären beliebt bei uns, könnte fast schon eine Untertreibung sein. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass sich zu einem Konzert im Hamburger Stadtpark im September 2017 mehr als 80.000 Fans versammelt haben, um den Auftakt der damaligen „No Filter“-Tour durch Europa live zu sehen. Fast sechs Jahre später wird sich der BGH mit den Verhandlungen rund um das Konzert beschäftigen müssen.

Der BGH wird am 29. August über die Revision gegen das Urteil des LG Hamburg verhandeln. In dem Verfahren stehen Korruptionsvorwürfe und der Handel mit teuren Freikarten im Fokus. Das LG Hamburg hatte im April des letzten Jahres Harald Rösler, den ehemaligen Leiter des Bezirksamts, wegen Vorteilsannahme und -gewährung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 120 Euro verurteilt. Von den Hauptanklagepunkten der Bestechlichkeit und Untreue wurde er jedoch freigesprochen. Sein ehemaliger Stellvertreter erhielt wegen Vorteilsannahme und Beihilfe eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen à 110 Euro.

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LG Hamburg nahm weder Untreue noch Bestechlichkeit an

Rösler verhandelte als damaliger Leiter des Bezirksamtes mit der Veranstaltungsagentur bezüglich der Bedingungen für das Konzert. Er forderte ursprünglich 300 Freikarten. Schließlich einigte man sich auf 100 Freikarten und 300 zusätzliche Kaufoptionen. Diese Tickets beeinflussten jedoch nicht die Höhe des Nutzungsentgelts für die Veranstaltungsfläche. Daher wurde Rösler laut dem LG nicht der Bestechlichkeit für schuldig befunden. Die Teilnahme an einem Empfang vor dem Konzert und die Annahme von zwei Freikarten für diesen Anlass wurden von der Kammer nicht beanstandet, da Rösler seine repräsentativen Pflichten wahrnahm.

Allerdings erhielt Rösler einen persönlichen Vorteil durch die Annahme von vier weiteren Freikarten, die er an eine befreundete Familie weitergab. Den Schuldspruch wegen Vorteilsgewährung begründete die Kammer mit der Verteilung der übrigen Freikarten an „Freunde des Hauses“, wie Rösler damals sagte. Der Gesamtwert der Tickets belief sich auf 14.743,90 Euro – diese Summe sollte laut Urteil von Rösler eingezogen werden.

Bezüglich des Untreue-Vorwurfs hatte das Gericht festgestellt, dass Rösler der Stadt keinen Schaden zugefügt habe und somit den Tatbestand der Untreue nicht erfüllt habe. Zu Anfang bestand der Verdacht, der Behördenchef habe dem Veranstalter im Gegenzug für die Kartenpakete einen Nachlass von 400.000 Euro auf die Flächenmiete gewährt und zusätzlich eine Einladung zu einem VIP-Empfang angenommen. Diese Vorwürfe ließen sich während der Beweisaufnahme aber nicht bestätigen. Rösler hatte für die Nutzung der Festwiese eine Basisgebühr von 200.000 Euro ermittelt und vertraglich festgehalten. Dies sei für die Stadt sehr günstig gewesen.  

Revision vor dem BGH

Das LG sprach zwei weitere Angeklagte, die bei der Veranstaltungsagentur für das Konzert verantwortlich waren, vom Vorwurf der Bestechung frei. Die beiden schuldig gesprochenen Angeklagten und die Staatsanwaltschaft waren gegen dieses Urteil in Revision gegangen. Die Staatsanwaltschaft strebt nun eine Verurteilung aller vier Angeklagter an. Dabei soll Rösler wegen Untreue und Bestechlichkeit verurteilt werden – also gerade wegen der Straftatbestände, von denen er freigesprochen wurde. Sein Stellvertreter soll wegen Beihilfe dazu verurteilt werden. Auch in weiteren Strafprozessen kam es zur Verurteilung hoher Beamter wegen Vorteilsannahme aufgrund der Entgegennahme der Tickets, die damals im freien Verkauf bis zu 900 Euro gekostet hatten. In zwei Wochen wird in Leipzig über die Revision verhandelt. Es bleibt gespannt abzuwarten, wie entschieden wird.

agü