Das ZDF darf die in einer aktuellen Dokumentation veröffentlichten Fotos der 1981 entführten Nina von Gallwitz nicht mehr zeigen. Auch das Zeigen eines Briefs und eines Audiomitschnitts wurden untersagt. So entschied nun der BGH mit Hinweis auf die besondere Schutzbedürftigkeit des damals minderjährigen Opfers einer schweren Straftat.

Das damalige Opfer Nina von Gallwitz hatte gegen die Veröffentlichung von Dokumenten durch das ZDF geklagt. Der Fernsehsender hatte auf ZDF Info mehrmals eine Dokumentation über entführte Kinder ausgestrahlt. In der Folge „Die Fälle Kronzucker und Gallwitz“ wurde auch über die Entführung der damals achtjährigen Nina von Gallwitz berichtet. Der Sender zeigte in der Dokumentation ohne ihre Einwilligung unter anderem drei Fotos, auf denen sie abgebildet war. Das damalige Opfer wehrte sich nun erfolgreich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Die Verwendung der Fotos verletze das Opfer in ihrem Recht am eigenen Bild und begründe einen Unterlassungsanspruch (Urt. v. 06.06.2023, Az. VI ZR 309/22).

Die Gallwitz-Entführung in den Medien

1981 verschwand die damals achtjährige Tochter eines Kölner Bankiers und wurde fünf Monate später gegen eine Lösegeldzahlung von 1,5 Millionen Mark wieder frei gelassen. Bis heute konnte nicht ermittelt werden, wer der oder die Täter waren. Das Ereignis wurde über den gesamten Zeitraum intensiv medial begleitet. Über 35 Jahre nach der Tat wurde mehrfach eine Dokumentation über “Entführte Kinder” ausgestrahlt, unter anderem zum Fall Nina von Gallwitz. In der Vorinstanz hatte das Oberlandesgericht (OLG) Köln Nina von Gallwitz keinen Unterlassungsanspruch gegen das ZDF zugesprochen. Das Gericht hatte seine Entscheidung damit begründet, dass es sich bei den Bildern, dem Brief sowie dem Mitschnitt um Dokumente der Zeitgeschichte handele. Im Kunsturhebergesetz ist festgelegt, dass solche Bildnisse der Zeitgeschichte auch ohne Einwilligung der betroffenen abgebildeten Personen veröffentlicht werden dürfen. Des Weiteren bestünde laut OLG Köln ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, welches das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nina von Gallwitz überwiege. Die Veröffentlichung sei dadurch gerechtfertigt.

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Verletzung des Rechts am eigenen Bild

Der BGH war hier anderer Auffassung. Der Sender hatte unter anderem drei Fotos des entführten Opfers in der Dokumentation gezeigt. Zwei davon waren für Suchmeldungen von der Polizei verwendet worden. Das dritte stammte aus der Zeit nach der Entführung und war auf der Titelseite einer Zeitschrift veröffentlicht worden. Der BGH stellte zunächst fest, dass die Einwilligung der Eltern nicht fortwirke. Diese habe nur bezüglich der Veröffentlichung für die Polizeisuche und als Titelbild für die Zeitung bestanden.

Der BGH vertrat die Ansicht, das Recht am eigenen Bild werde schon dann beeinträchtigt, wenn eine abgebildete Person begründeten Anlass habe, anzunehmen, sie könne identifiziert werden. Diese Möglichkeit sei vorliegend zumindest durch Menschen, die Nina von Gallwitz seit Kindertagen kennen würden, gegeben. Auch der Begriff der Zeitgeschichte dürfe zwar nicht zu eng verstanden werden, jedoch bestehe das Informationsinteresse auch nicht schrankenlos. Obwohl ein erhebliches Interesse an der Berichterstattung über den bis heute nicht aufgeklärten Fall bestehe, überwiege das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nina von Gallwitz in diesem konkreten Fall das Informationsinteresse.

BGH begründet mit besonderer Schutzbedürftigkeit

Der BGH begründete seine Entscheidung zugunsten der Klägerin einerseits mit dem Zeitpunkt der Entführung. 1981 mag die Berichterstattung noch von besonders großem öffentlichem Interesse gewesen sein, 35 Jahre nach der Tat sei dieses Interesse jedoch verblasst und wiege in der Abwägung entsprechend weniger. Weiter führte der BGH aus, dass die Klägerin als damals achtjähriges Opfer einer schweren Straftat besonders schutzbedürftig sei. Nina von Gallwitz habe wie alle Opfer einer Straftat nach einem gewissen Zeitablauf einen Anspruch darauf selbst zu entscheiden, ob ihr Bildnis noch zur Illustration und erneuten Vergegenwärtigung ihrer damaligen Opferrolle verwendet werden dürfe. In die Abwägung müsse auch einfließen, dass die der Polizei übergebenen Bilder aus der Not heraus übergeben wurden, das Opfer ausfindig zu machen.

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Auch Brief und Audiomitschnitt dürfen nicht veröffentlicht werden

Das ZDF hatte in seine Dokumentation auch einen Brief sowie einen Audiomitschnitt eingebettet. Den veröffentlichten Brief hatte das entführte Mädchen damals selbst verfasst, er galt während der Ermittlungen als Lebenszeichen. Bei dem in der Dokumentation gezeigten Audiomitschnitt handelte es sich um einen Anruf, in dem das Kind Daten zu einer Lösegeldübergabe übermittelte. Der BGH entschied nun, dass auch diese Veröffentlichungen zu unterlassen seien. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nina von Gallwitz sei verletzt, da sowohl der Brief als auch der Mitschnitt privat seien. Sie seien in einer „Situation des Bangens um die eigene Person“ entstanden, außerdem vermittelten sie durch ihre Form einen noch persönlicheren Bezug zum damaligen Opfer. Das Schutzinteresse des Opfers überwiege somit auch hier das Interesse des ZDF an der Berichterstattung.

jvo