Die „Bundesnotbremse“ brachte eine Vielzahl von Beschränkungen mit sich. Nun will das BVerfG noch im Herbst 2021 in ausgewählten Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit dieser Beschränkungen entscheiden.

Rund eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die große Masse der eingereichten Eilanträge entschieden und sieht sich die zentralen, besonders heiklen Fragen nun im Detail an.

Zur Information: Im Eilverfahren klärt das Gericht nur, was schlimmere Folgen hätte: wenn die Richter die Maßnahme eventuell irrtümlicherweise kippen würden – oder wenn sie in Kraft bleibt und sie sich später als rechtswidrig herausstellt. Bei dieser Abwägung hatte in der Corona-Pandemie so gut wie immer der Lebensschutz als überragend hohes Verfassungsgut Vorrang. Dennoch können die Erfolgsaussichten weiter offen sein. Schließlich findet eine umfangreiche Prüfung erst im späteren Hauptverfahren statt. Es kann also passieren, dass Maßnahmen nachträglich noch für verfassungswidrig erklärt werden.

Besonders häufig wurde seit dem Frühjahr 2021 gegen das inzwischen ausgelaufene umstrittene Vierte Bevölkerungsschutzgesetz, besser bekannt als „Bundesnotbremse“, des Bundes geklagt. Hier war es nämlich erstmals für Bürgerinnen und Bürger möglich, sich direkt an das Verfassungsgericht zu wenden. Vorher hatten sich diejenigen, die die Corona-Maßnahmen nicht akzeptieren wollten, in aller Regel zuerst an den Verwaltungsgerichten durch die Instanzen klagen müssen.

Die Bundesnotbremse war am 23.April 2021 in Kraft getreten. Das Gesetz diente der Eindämmung der Corona-Pandemie und legte dazu bundesweite Maßnahmen fest. Diese Maßnahmen galten ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner. Die Bundesnotbremse ist Ende Juni ausgelaufen. Sie könnte aber nach der Entscheidung des Gerichts reaktiviert werden.

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Über 300 Verfahren beim BVerfG anhängig

Die Bundesnotbremse ging mit zahlreichen Beschränkungen und Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger einher. Aus diesem Grund ist das Gesetz nicht nur auf Zuspruch gestoßen. So sind bis Ende Juli insgesamt 301 Verfahren gegen die „Bundesnotbremse“ beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingegangen. Bei diesen – teilweise erledigten – Verfahren handelt es sich um 281 Verfassungsbeschwerden sowie im 20 isolierte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.  Darüber hinaus sind weitere 151 Eingaben im Allgemeinen Register erfasst.

Das Gericht hatte mehrere Eilanträge abgelehnt

Bereits am 05.05.2021 hat das BVerfG durch Beschluss des ersten Senats den Erlass einer einstweiligen Anordnung in fünf Verfassungsbeschwerdeverfahren abgelehnt. Bis zum 31.07.2021 wurden zudem 139 Verfassungsbeschwerden durch Kammerbeschlüsse nicht zur Entscheidung angenommen, drei Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigten sich auf sonstige Weise; darüber hinaus wurden 19 isolierte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Kammerbeschlüsse abgelehnt, ein weiterer Antrag erledigte sich auf sonstige Weise.

Entscheidung ausgewählter Hauptsacheverfahren bis Herbst

Nun hat das BVerfG angekündigt, zeitnah über mehrere ausgewählte Hauptsacheverfahren gegen die „Bundesnotbremse“ zu entscheiden. Noch im Oktober/November 2021 will sich das Gericht zur Rechtmäßigkeit der Maßnahmen äußern. Nach „vorläufiger Einschätzung“ des Gerichts bedürfe es hierzu keiner mündlichen Verhandlung. Eine solche würde die Entscheidung nur verzögern. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat das Gericht Sachverständige aus verschiedenen Fachgebieten (u.a. Infektiologie, Epidemiologie, Virologie, Aerosolforschung, Intensivmedizin, Pädiatrie sowie Bildungsforschung und Erziehungswissenschaft) um Stellungnahmen ersucht. 

Die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen soll geprüft werden

Viele der Verfassungsbeschwerden und Anträge richten sich gegen einzelne Vorschriften des Gesetzes. Teilweise wurden auch Verfassungsbeschwerden gegen sämtliche Regelungen eingereicht.

Insbesondere geht es dabei um die Vorschriften des § 28b des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Diese beinhalten Regelungen zu den Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 IfSG), Beschränkung von Freizeiteinrichtungen (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG), touristische Beherbergung (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 IfSG) oder zu Schulschließungen und Testpflicht (§ 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 IfSG).

Zum Teil wurden die Verfassungsbeschwerden und Anträge von mehreren Personen gemeinsam eingereicht. Die Gesamtzahl der Beschwerdeführer und Antragsteller beträgt 8.573 (Stand: 31. Juli 2021).

Wie das Gericht entscheiden wird und welche Auswirkungen diese Entscheidung künftig hat, bleibt noch abzuwarten. Wir werden darüber berichten.

jwi